Die Nachbarschaft in der App

Vor etwas mehr als einem Jahr startete das ETH-Pilotprojekt «beUnity» im Rütihof. Eine digitale Plattform in Form einer App diente der Vernetzung des Quartiers. Das Forschungsprojekt ist nun vorbei, der Abschlussbericht liegt vor. Wie es mit der App weitergeht, ist noch unklar.

Bild: ETH Zürich.

«Wie wirkt sich eine digitale Nachbarschaftsplattform auf das soziale Miteinander im Quartier aus? Kann eine solche Plattform zur Inklusion innerhalb eines Quartiers beitragen?» Das waren die Fragen, die sich das Team des ETH Wohnforums am Departement für Architektur in ihrem Forschungsprojekt stellte. Um diese zu beantworten, führten Angela Birrer, Lucas Caluori und Anna Oegerli, die drei Forschenden, eine empirische Untersuchung durch – mit dem gesamten Rütihof als Untersuchungsobjekt (der «Höngger» berichtete).

Dazu wurde den Quartierbewohner*innen die Nutzung der digitalen Plattform der App «beUnity» gratis zur Verfügung gestellt. Während eines Dreivierteljahres, von Mai bis Dezember 2023, begleiteten die Forscher*innen das Projekt wissenschaftlich, analysierten die Nutzungszahlen und -formen der App und untersuchten die Resonanz, auf welche die Plattform bei den Quartierbewohner*innen stiess.

Nun ist das Forschungsprojekt abgeschlossen, der Forschungsbericht verfasst. Der «Höngger» nutzte die Gelegenheit, einen Blick in den Bericht zu werfen, die Ergebnisse zu konsultieren und sich über eine mögliche Zukunft der App  zu informieren. 

Rund 400 Quartierbewohner*innen erreicht

Gestartet wurde das Projekt mit verschiedenen Informationsveranstaltungen im Frühjahr 2023, welche den Quartierbewohnenden nicht nur die App bekannt machten, sondern auch deren Nutzung erklärten und wo nötig bei der Installation behilflich waren.

Die Zahl der Nutzer*innen stieg dabei während der Lancierung rasch an: Vier Wochen nach dem Start, so ergibt der Schlussbericht, hatten sich rund 300 Bewohner*innen auf der App registriert, nach sechs Monaten lag die Zahl bei rund 400 Nutzer*innen, was rund 11,5 Prozent  der Quartierbevölkerung entspricht. Auf diesem Niveau stagnierte die Zahl anschliessend bis zum Abschluss des Projekts; inzwischen – Stand Juni – sind nochmals rund 30 Personen hinzugekommen.

Zu den User*innen gehörten hauptsächlich Privatpersonen, daneben aber auch im Quartier aktive Vereine und Institutionen. Frauen nutzen das Kommunikationsangebot dabei deutlich häufiger als Männer: rund 69 Prozent der Nutzenden sind Frauen.

Die App bietet ganz unterschiedliche Funktionen: In einem Forum können Informationen ausgetauscht werden, die das gesamte Quartier betreffen, auf dem Marktplatz können Waren angeboten, verschenkt und getauscht werden, über Veranstaltungen informiert die Sparte «Events». Auch eine Austauschbörse zum Verleih von Gebrauchsgegenständen findet sich auf «beUnity». Daneben können die unterschiedlichen Akteur*innen eigene Untergruppen erstellen, was die Kommunikation unter den Mitgliedern vereinfacht.

Marktplatz ist deutlicher Favorit

Bei der Analyse der Nutzungsmuster ergaben sich im Quartier ganz eindeutige Präferenzen: Mit Abstand am meisten genutzt wurde, so die Forschenden in ihrem Bericht, die Funktion des Marktplatzes: Hierauf entfielen rund 70 Prozent aller publizierten Beiträge.

An zweiter Stelle lag die Sparte «Events», auf die deutlich weniger, nämlich 17 Prozent der Posts entfielen. Andere Funktionen, wie etwa das Verleihen von Gebrauchsgegenständen oder die Suche nach Hilfe für bestimmte Tätigkeiten, wurden daher eher stiefmütterlich behandelt.

Positives Feedback

Doch wie beurteilen die Nutzer*innen die App? Kann sie tatsächlich dazu beitragen, das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Nachbarschaft zu stärken? Mittels einer Onlinebefragung, an der insgesamt 53 Personen teilnahmen,  sowie qualitativen Interviews mit einzelnen Nutzer*innen und einem Gruppengespräch mit Quartierorganisationen versuchten die Forschenden, sich dieser Frage anzunähern.

Und erhielten in den meisten Fällen ein positives Feedback:  «So stimmten 93 Prozent der Befragten zu, dass die App insgesamt eine Bereicherung für das Quartier darstellt. Die Mehrheit betrachtet die App als eine gute Möglichkeit, sich mit anderen Menschen im Rütihof auszutauschen und glaubt, dass die App das Gemeinschaftsgefühl im Quartier stärkt (70 Prozent Zustimmung)», so die Aussagen des Schlussberichts.

Auch die Information über das lokale Geschehen ist ein wichtiger Faktor, der zur positiven Beurteilung beiträgt.  Gleichzeitig wurde in der Onlinebefragung auch untersucht, ob sich für die Beteiligten durch die Nutzung neue Bekanntschaften ergaben: Dies bejahten 36 Prozent der Befragten. Und noch ein positiver Aspekt kristallisierte sich aus den Befragungen heraus: Die App bietet den Quartierbewohner*innen zusätzlich zu den analogen Treffpunkten und Informationsquellen eine weitere Möglichkeit zur Teilhabe am sozialen Leben im Quartier – als Ergänzung zu den bestehenden Möglichkeiten.

Was sich aus der Befragung jedoch auch ergeben hat, ist das Bedürfnis der Befragten nach noch mehr Aktivität und Leben auf der App. Dies würde einen grösseren Kreis von Nutzer*innen bedingen. Das Angebot müsste noch besser bekannt gemacht werden, schlagen die Befragten vor, an Anlässen, neuralgischen Punkten im Quartier.

Und noch etwas sei schwierig, stellten die Nutzer*innen im Verlauf des Jahres fest: Es ist nicht einfach, online eine Community zu erstellen, wenn sie nicht zuvor schon offline existiert hat. Die App kann demnach bereits bestehende, lose reelle Kontakte festigen – um gänzlich neue Gemeinschaften zu erstellen, ist ein Kennenlernen im analogen Raum nach wie vor wichtig.

Wie kann es weitergehen?

Die Nutzung der App und ihr Beitrag zur Community ist also in den Augen ihrer User*innen nicht nur sinnvoll, sondern durchaus auch noch ausbaufähig. Allerdings ist die Weiterfinanzierung der ans Forschungsprojekt geknüpften Lizenz noch unklar.

Während einzelne ortsansässige Genossenschaften für ihre Mitglieder unabhängig vom Forschungsprojekt die App bereits zur Verfügung stellen, fehlt für das Gesamtquartier momentan eine langfristige Lösung. Zwar hat sich der Verein Rütivents nach Abschluss des Forschungsprojekts dazu bereit erklärt, die Trägerschaft für den Betrieb der App zu übernehmen und weitere Anstrengungen zu unternehmen, um die App weiter bekannt zu machen.

Doch für den wichtigen Faktor «Finanzierung» ist der Verein auf Unterstützung angewiesen. Ein bereits bei der Stadt gestellter Antrag auf Unterstützung wurde von dieser abgelehnt. Weitere Abklärungen sind im Gange.

0 Kommentare


Themen entdecken