Esoro und das Solar-Team: Mit Sonnenenergie auf der Zielgeraden

Die in loser Reihenfolge erscheinende Serie «Höngg vor 25 Jahren» erinnert heute an das Solar-Team Höngg, welches mit seinem Solarenergie-Auto Esoro für Furore sorgte – weit über Höngg hinaus. Redaktorin Malini Gloor traf die Pioniere am Entstehungsort.

Das Solar-Team Höngg vor 25 Jahren (von links): Peter Eberhardt, Fredi Lüthi, Susi Elsener, Reini Elsener und Diego Jaggi.
Das Solar-Team Höngg heute (von links): Thomas Bähler, Peter Eberhardt, Fredi Lüthi, Susi Elsener, Reini Elsener und Diego Jaggi.
Das allererste Testchassis für das Dreiradschwerpunktkonzept entstand 1987 in der Velowerkstatt von Reini Elsener mit einfachsten Mitteln.
Diego Jaggi am Steuer des schnittigen Esoros. (zvg
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Treffpunkt ist das Restaurant Turbinenhaus Am Wasser – denn dort, beim Durchgang, war die erste «Werkstatt» des Solar-Teams Höngg. «Die Firma Apple hatte eine Garage als Arbeitsort in ihren Anfängen, bei uns hat es nur zu einem Durchgang gereicht», witzelt Diego Jaggi, 51, anspielend auf die einfachen Verhältnisse vor 25 Jahren. Nun, nach rund 15 Jahren, treffen sich die fünf Männer und eine Frau des Solar-Teams erstmals gemeinsam auf Initiative des «Hönggers» wieder und haben sich viel zu erzählen.

Das Thema Solarenergie war topaktuell

Diego Jaggi und Peter Eberhardt, «genau 64 Eindrittel alt», waren im Jahr 1986 die Zünder des Projektes. Beide arbeiteten an der ETH Hönggerberg als Physiklaboranten und kamen ins Gespräch über Solarenergie. Da ihnen das Thema unter den Nägeln brannte, kam bald die Idee auf, man könne doch ein alltagstaugliches, solarbetriebenes Elektromobil bauen. «Doch zu zweit wollten wir dieses grosse Projekt nicht in Angriff nehmen.» Da passte es gut, dass Thomas Bähler, 52, dazu stiess, der im Kontakt mit den Organisatoren der «Tour de Sol», der in der Schweiz durchgeführten Weltmeisterschaft der Solarfahrzeuge, stand. «Diego kümmerte sich um die Fahrzeugtechnik, ich um alles Elektronische, und Thomas war sozusagen das Öl im Getriebe», umschreibt Peter Eberhardt die Aufgabenverteilung. Der Ehrgeiz war geweckt, mit einem eigens gebauten Fahrzeug an der «Tour de Sol» 1987 teilzunehmen. «Eines Tages tauchte Diego in meinem Velogeschäft auf und brauchte Ware – Räder, Schrauben und alles Vorstellbare», erinnert sich Reini Elsener, 68, von Zweirad Elsener, der sein Geschäft vor drei Jahren an Lukas Staub verkaufte, der es in Velo Lukas umgetauft hat.

Erstes Automodell aus Ton im Ofen gebacken

Das erste Modell buk Diego Jaggi aus Ton im heimischen Ofen, dann folgten Berechnungen und Modelle aus Schaumstoff, Tüfteleien an allen Ecken und Enden. «Das erste Gefährt war eigentlich eher ein verschaltes Velo. Wir probierten weiter aus, und ein paar Mal flogen uns auch Teile um die Ohren, weil Elektrisches nicht so funktionierte, wie wir es gedacht hatten», so die Solar-Pioniere. All die Arbeiten führten sie in der Freizeit und in der Nacht aus: «Man kann sagen, wir waren von 18 Uhr bis morgens um drei Uhr in der Werkstatt», so Diego Jaggi. Im Laufe der Zeit kamen zum Solar-Team Höngg Fredi Lüthi, 59, und Fabian Grob, 49, dazu. «Vier Stunden vor der technischen Abnahme der «Tour de Sol» 1987 war unser Fahrzeug, das zu Beginn, in Anlehnung an die Erfinder- fi gur ‹Gaston› hiess, fertig und bereit für die erste Probefahrt», erzählen die Solarfans der ersten Stunde. Das 200 Kilogramm leichte Auto schied glorreich aus, weil die Elektronik einen Defekt erlitt. Ein Jahr und unzählige Tüfteleien später wurde aus dem Fahrzeug «Gaston» das Solar mobil «Esoro E2», was in der Ashanti-Sprache «Himmel» bedeutet. «Wir waren Pioniere» Wie fühlten sich die jungen Männer damals? «Wir fühlten uns als Pioniere und waren absolut überzogen von der Solarenergie – was wir auch heute noch sind», so Fredi Lüthi. Klar sei die Stimmung nach drei Nächten durcharbeiten in der Garage nicht mehr so «schampar» lustig gewesen, aber das sei ja normal, wenn man so intensiv zusammenarbeite. «Es gibt bis heute kein vergleichbares Solarauto, wie Esoro E2 eines war – verglichen mit dem damaligen Wissensstand», erklärt Peter Eberhardt. Auf dem Titlis wurden extra für den Esoro fünf Quadratmeter Solarzellen aufgebaut, diese erzeugten genügend Strom für 15 000 gefahrene Kilometer im Jahr! Somit war der E2 ein hunderprozentiges «Solarmobil». Das Elektroauto war in Leichtbauweise gebaut worden und hatte ein Leergewicht von unter 400 Kilogramm – davon waren 200 Kilogramm Batterien, damals noch Bleibatterien. «Zusammen mit dem extrem niedrigen Luft- und Rollwiderstand resultierte daraus ein minimaler Verbrauch von durchschnittlich 50 Wh/km, dies entspricht 0,5 Liter Benzinäquivalent pro 100 Kilometer, also einer sehr hohen Effizienz. Mit heutigen Lithium-Batterien würde dies bei gleichem Batteriegewicht durchschnittlich einer Reichweite von fast 500 Kilometer entsprechen, früher waren es mit Bleibatterien um die 120 Kilometer», erklären die Profi s. Aber sogar mit Bleibatterien gelang 1989 an der «Tour de Sol» die elektrische Erstüberquerung des Gotthards.

Immer klares Ziel vor Augen

Diego Jaggi sagt, dass ihnen immer ein klares Ziel vor Augen stand, und sie dieses mit vier «Tour de Sol»-Weltmeistertiteln – 1988, 1989, 1990 und 1991 –, sowie dem Sieg an der Alpinen Solarmobilmeisterschaft 1991 und dem Migros-Preis für das alltagstauglichste Elektroleichtmobil 1989 auch erreicht hätten. Und dies ist nur ein Auszug aus der Erfolgsliste. Einig sind sich die Autobauer auch darin, dass ohne Sponsoren der ersten Stunde 1978 wie etwa die Firma Zweifel Chips oder die Altstadtversicherung, welche dank dem Höngger Anton Kilias von 1988 bis 1991 Hauptsponsor war, das Projekt nicht hätte durchgeführt werden können. «Auch die Berichterstattung im damaligen ‹Höngger› hat den Weg zu den Sponsoren geebnet», weiss Diego Jaggi. Die Solar-Team-Höngg-Zeit dauerte von 1986 bis 1991, Standorte waren nach dem Turbinenhaus 1988 Gsteigstrasse für Steigfähigkeits- und Bremstests gebraucht, und auch der Pausenplatz des Bläsischulhauses war vor dem Esoro-Team nicht sicher. «Eine witzige Episode geschah an der «Tour de Sol» 1990: Das ‹Blick›-Team vermutete infolge der grossen Überlegenheit des Esoro E2 eine geheime Energiequelle und bestand darauf, dass die Rennleitung unser Fahrzeug eine ganze Etappe lang nicht aus den Augen liess, da heimliche Batteriewechsel vermutet wurden. Wir wussten nichts davon und wunderten uns, dass immer dasselbe Rennleitungsfahrzeug hinter uns fuhr, selbst bei waghalsigen Überholmanövern und als wir bereits die vor uns gestarteten Rennsolarmobile überholten. Dann verfuhren wir uns, merkten aber lange nichts, da das Rennleitungsfahrzeug uns weiter folgte. In einem Waldstück, das definitiv nicht auf der Karte war, drehten wir um und gewannen trotz diesem Umweg die Tagesetappe. Erst im Ziel erfuhren wir von den begeisterten Rennkommissären, was los war und dass sie schon annehmen mussten, der Verdacht des heimlichen Batteriewechsels stimme, als wir von der Rennstrecke Richtung Wald fuhren», erzählen die Tüftler unter Gelächter.

Die Stimmung heute: eine wahre Zeitreise

Und, wie fühlen sie sich nach dem Gespräch? «Ich empfinde es als regelrechte Zeitreise. Die Esoro-Zeit war eines meiner privaten Lebens-Highlights», so Peter Eberhardt. Fredi Lüthi empfindet es, als ob man über all die Jahre immer zusammen Kontakt gehabt habe – was nicht der Fall war: «Die Stimmung von früher war sofort wieder da.» Reini Elsener findet ebenfalls, dass «diese Zeit gerade wieder lebendig» wurde. «Unglaublich, dass man heute, bereits 25 Jahre danach, erst am Übergang in die Industrialisierungsphase steht», wundert sich Die go Jaggi. Wichtig ist ihm zu sagen, dass dank der «Tour de Sol», welche die ganze Solarfahrzeug-Bewegung massiv unterstützte, nicht nur die Firma Esoro AG gegründet wurde, sondern auch die Brusa AG: «Sie entwickelten schon damals Elektroantriebe und heute beliefern sie auch die Autoindustrie. Auch die Firma Kyburz, welche den dreirädrigen Elektroroller für die Post produziert, den alle kennen, ist daraus hervorgegangen. Ohne die ‹Tour de Sol› gäbe es heute wohl nichts Derartiges in der Schweiz.»

Esoro heute
Diego Jaggi ist Geschäftsführer und Teilhaber der Firma Esoro AG, welche 1990 gegründet wurde: «Wir sind ein Team von 14 Mitarbeitern, die Mehrheit Ingenieure der ETH oder von Fachhochschulen. Wir realisieren innovative Auftragsund Produktentwicklungen, mehrheitlich im Bereich Mobilität, Leichtbau – etwa die Entwicklung der aktuellen Smart-Heckklappe – und alternative Antriebe, also Elektro-, Hybrid- und Brennstoffzellenantriebe. Zu unseren langjährigen Kunden gehören nebst anderen Automobilherstellern vor allem auch Mercedes, Kunden aus dem Medizinalbereich und weitere Industriekunden. Ausserdem realisieren wir seit 15 Jahren die Conceptcars für Rinspeed, die alljährlich am Automobilsalon Genf zu sehen sind.» Infos: www.esoro.ch