Quartierleben
Zweifel keltert wieder in Höngg
Nach einem Jahr im «Exil» bei Berufskollege Landolt ist Urs Zweifel, Önologe der Höngger Weinbau- und Handelsfamilie, mit seiner Kelterei wieder zurück in Höngg. Vieles steht erst im Rohbau, doch die Presse dreht sich rund um die Uhr.
22. September 2011 — Fredy Haffner
Der Herbst hat sich, zumindest bis anhin, von seiner goldenen Seite gezeigt. Die Wümmet in den Rebbergen hat bereits begonnen. Auch in Höngg sind die Winzer von Zweifel und jene des Juchhofs an der Arbeit und lesen die prächtigen Trauben. Dieses Jahr ist für Önologe Urs Zweifel nicht nur ein besonderes, weil es vom sonnigen Frühling mit einer entsprechend frühen Rebblüte über einen Sommer mit zumindest keinen nennenswerten Hagelschäden in Höngg bis hin zum vielversprechenden Herbst ein sehr gutes Weinjahr zu sein verspricht, sondern auch, weil er eben in die neue Kelterei im Stammhaus in Höngg eingezogen ist.
Dass alles zur rechten Zeit bereit sein wird, das bereitete ihm unlängst noch schlaflose Nächte, denn bei einem Umbau, wie er derzeit noch an der Regensdorferstrasse 20 voll im Gange ist, treten erfahrungsgemäss oft genug Verzögerungen auf. Doch so weit hat es geklappt: Pünktlich zum Beginn der Wümmet wurde die neue Kelterei eingerichtet und nun lädt Traktor um Traktor hinter dem Haus in der gedeckten Anlieferung seine süsse Fracht, als Erstes die Riesling-Silvaner-Trauben, ab. Dort, wo die grossen Standen voll mit Trauben aus den Rebhängen zwischengelagert werden, wird bald schon die Abfüllanlage aufgebaut. Doch die braucht es aktuell ja noch nicht und so macht es nichts, dass hier die Bauarbeiten noch im Gange sind. Auch das Büro steht erst im Rohbau. Durch eine grosse Glasscheibe wird Tageslicht von der Regensdorferstrasse her in die rückwärtigen Räume der Kelterei fallen und dort jenes aus den Oberlichtern ergänzen.
Viel Licht zum «Mosten»
«Möglichst viel Licht in diesen Betriebsräumen war uns wichtig», erklärt Zweifel, auf der Gitterplattform stehend, die er scherzhaft die «Kommandozentrale» der Kelterei nennt. Von da aus werden die frischen Trauben in den Dosiertrichter gekippt und auf einem Förderband zur Presse gleich daneben geführt, welche diese Tage rund um die Uhr in Betrieb ist. Bald ist der Saft ausgepresst und der Trester, also die Stiel-, Haut- und Kernreste der Trauben, wird auf der einen Seite herausgefördert, während auf der anderen Seite der Most in die imposanten Stahlbehälter des Weiss- beziehungsweise Rotweinkellers gepumpt wird. Most? «Ja, Most», so erklärt der Önologe, «denn jetzt ist der Saft noch süss, erst in der Gärung wird er langsam zu Wein.» Und diese Gärung geschieht eben in den Stahlbehältern der Kellerei, in welche der «Höngger» unterdessen geführt wurde. Die Temperatur dort lässt sich individuell regulieren, im Weissweinkeller über eine Kühlung, denn was später kühl getrunken wird, verlangt bereits bei der Gärung nach tieferen Temperaturen.
Direkt neben den Gärkellern liegt der Barriquekeller, in den man mittlerweile gelangt ist. Auch er steht noch leer, von den dereinst 150 Fässern ist noch nichts zu sehen. Wein für jährlich gegen 40 000 Flaschen wird hier künftig seine charakteristische Eichenholznote erhalten. Insgesamt verarbeitet die Kelterei Zweifel rund 200 Tonnen Trauben zu Wein für ungefähr 200 000 Flaschen. Nicht ganz die Hälfte davon stammt aus den eigenen Rebbergen. Der Rest wird in Lohnkelterei beispielsweise für Wegmann oder Landolt produziert. Bei Letzterem eben noch wegen der Bauarbeiten ein Jahr mit der Kelterei zu Gast, konnte Urs Zweifel nun – nachdem Landolt die eigene Kelterei aufgegeben hat – fast die Hälfte der Produktion übernehmen. «Das ist ein Kompliment und ein schönes Zeichen dafür, wie gut wir uns in diesem Jahr gefunden haben», sagt Zweifel.
Auf dem Rückweg zum Fototermin auf der «Kommandozentrale» kommt man erneut auf das Thema Most, diesmal jenen aus Obst, das bei Zweifel seit 1984 nicht mehr verarbeitet wird. Doch Urs Zweifel hat die kleine Presse noch und bei Geering im Rütihof eine Scheune gepachtet, in der er Rebbergmaterial lagert – rund um die Scheune dort stehen viele alte Hochstämmer: «Irgendwann möchte ich wieder etwas aus Früchten wie diesen machen, einen feinen Most oder vielleicht einen Cidre.» Doch das sind Zukunftsideen. Nun gilt sein Augenmerk dem Weinjahr 2011, dessen Wümmet noch bis Ende Oktober andauert, damit – hoffentlich – noch möglichst viele Sonnenstunden ausgenutzt werden können. Ende Jahr, wenn längst aller Most ruhig vor sich hin zu Wein gärt, soll auch der Umbau in den Betriebsräumen an der Regensdorferstrasse fertig sein und die Abfüllanlage bereit stehen, um einen guten 2011er in Flaschen zu füllen.
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