Zwei Fachgebiete, die sich sinnvoll ergänzen

Reine Drogeriegeschäfte werden immer seltener, dafür schliessen sich Apotheken und Drogerien öfter zusammen. Doch was unterscheidet die beiden eigentlich?

Dr. Moritz Jüttner, Apotheker und Edith Zurfluh, Drogistin, gemeinsam in der Limmatapotheke Höngg

Erst vor Kurzem erhielt das Team der Limmat Apotheke in Höngg Zuwachs von vier Drogistinnen, die zuvor in der Hönggermarkt Apotheke & Drogerie angestellt gewesen waren, welche diesen Herbst ihren Betrieb einstellen musste. Obwohl es in Höngg noch eine reine Drogerie gibt – die Centrum Drogerie an der Regensdorferstrasse – liegt die Kombination Apotheke und Drogerie im Trend. Dies nicht nur, weil sie Sinn macht, sondern auch aus weniger erfreulichen Gründen: Viele Produkte, die früher nur oder vor allem in Drogerien erhältlich waren, werden heute von Grossisten oder im Onlinehandel angeboten. Der Druck auf den Detailhandel macht also auch vor dieser Branche nicht Halt. Doch was unterscheidet denn nun eigentlich Apotheken von Drogerien?

Von der Babynahrung bis zum Schädlingsbekämpfer

Zur Herkunft und Geschichte der Apotheken erschien in dieser Serie bereits ein ausführlicher Bericht (siehe «Höngger» vom 28. März). Zum Thema Drogerien hat das Internet hingegen ungewöhnlich wenig zu sagen. Immerhin ist auf Wikipedia nachzulesen, dass der Name «Drogerie» nicht etwa vom deutschen Wort «Droge» stammt, sondern sich vom niederländischen Wort «droog» ableitet, das «trocken» bedeutet und im Mittelalter für getrocknete Gewürze oder Heilmittel verwendet wurde. Damals existierten bereits Arzneimittelhandlungen und Apotheker, welchen der Verkauf von Heil- und Giftkräutern lange Zeit vorbehalten war. In Deutschland und Österreich wurde es den sogenannten Drogerien Ende des 19. Jahrhunderts gestattet, ebenfalls Kräuter als Arzneimittel zu verkaufen. In der Schweiz, so ist im Historischen Lexikon der Schweiz nachzulesen, erstarkten die Drogeriegeschäfte vor allem im 20 Jahrhundert. In einzelnen Kantonen legitimierte der Einigungsvertrag der Berufsgruppen mit der Interkantonalen Kontrollstelle für Heilmittel, der Vorgängerin der Swissmedic, ab 1948 den Verkauf klassierter Heilmittel. Drogisten fertigten auf Wunsch selber Zahncrème und -pulver, Putzmittel, Kräutermischungen und sogar Franzbranntwein an. Artikel der Körperhygiene und Präservative waren lange Zeit nur in diesen Geschäften zu finden. Mit dem Aufkommen der Fotografie erweiterten die Drogerien ihr Sortiment um Chemikalien, die zur Entwicklung der Bilder benötigt wurden. Zu Beginn der Automobilzeit sei sogar Treibstoff im Angebot gewesen, weiss Wikipedia. Heute sind viele dieser Produkte aus den Drogerien verschwunden. Das Angebot ist dennoch sehr breit geblieben, ein Umstand, der sich auch in der Ausbildung widerspiegelt: «Drogist*innen erhalten während ihrer vierjährigen Lehre Einblick in viele verschiedene Lebens- und Gesundheitsbereiche», erzählt Edith Zurfluh, ehemalige Drogistin der Hönggermarkt Apotheke & Drogerie und eine der vier neuen Angestellten der Limmat Apotheke. So werden sie in Naturheilkunde und Anatomie ausgebildet, setzen sich mit Gesundheits- und Ernährungsfragen, Schönheitspflege und Mutter-Kind-Thematiken auseinander. Ein Pflichtfach heisst «Haus und Garten»: Hier lernen die Auszubildenden alles über technische Utensilien, die in einer Drogerie eben auch angeboten werden, wie zum Beispiel Schädlingsbekämpfungsmittel. Da aber auch Heilmittel verkauft werden dürfen, sind die Auflagen, um eine Drogerie zu führen, in der Schweiz strenger als im Ausland. Nur wer nach der Ausbildung zum Drogist EFZ ein zweijähriges Studium zum Drogist HF abschliesst, darf ein eigenes Geschäft führen.

Alternativen aufzeigen

Der Schwerpunkt des Berufes liege klar auf der Beratung der Kund*innen, sagt Zurfluh. Dadurch, dass sowohl Ausbildung als auch Sortiment sehr breit seien, betrachte man ein Problem ganzheitlich und achte darauf, verschiedene Alternativen aufzuzeigen. «Wenn jemand eine Erkältung hat, können wir ihm oder ihr neben einem Nasenspray auch einen Inhalator oder verschiedene Tees und Ernährungsergänzungen anbieten, die die Krankheitssymptome ebenfalls mildern oder die Person bei der Selbstheilung unterstützen», erklärt die Drogistin. Was ganz klar den Apotheken vorbehalten sei, ist die Abgabe von rezeptpflichtigen Medikamenten.

Seit Januar 2019 werden die Heilmittel in der Schweiz in die Abgabekategorien A – Einmalige Abgabe auf ärztliche oder tierärztliche Verschreibung, B – Abgabe auf ärztliche oder tierärztliche Verschreibung; Apothekerinnen und Apotheker können bestimmte Arzneimittel der Abgabekategorie B ohne ärztliche Verschreibung abgeben, D – Abgabe nach Fachberatung durch medizinische Fachpersonen und E – Abgabe ohne Fachberatung eingeteilt. Die frühere Kategorie C wurde aufgelöst. Für die Drogerien bedeutet dies einerseits, dass sie auf Produkte zurückgreifen können, die früher den Apotheken vorbehalten waren, wie NeoCitran-Pulver und Zyrtec-Tabletten. Andererseits wurden rund 90 Produkte, darunter gewisse Bronchialpastillen, diverse Teesorten und Sportsalben, neu der Kategorie E zugeordnet und damit auch für den Grosshandel, also Migros und Coop, freigegeben.

Als Apotheke seien sie von dieser Umverteilung weniger betroffen gewesen, meint Dr. Moritz Jüttner, Apotheker und Geschäftsführer der Limmat Apotheke. Gravierender sei damals die politische Entscheidung gewesen, dass Ärzte selber Medikamente abgeben dürfen, allgemein bekannt als Selbstdispensation, meint Jüttner. Eine klassische Apotheke führt verschreibungspflichtige und nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel im Angebot. In bestimmten Fällen darf sie nach einem Beratungsgespräch und der Dokumentation der Abgabe auch rezeptpflichtige Medikamente ohne vorhandenes Rezept abgeben. Nach einer dreijährigen Grundausbildung mit Bachelorabschluss an einer Universität, folgt ein 1,5 bis 2-jähriges Masterstudium in Pharmazie mit anschliessender eidgenössischer Prüfung zur eidg. dipl. Apothekerin beziehungsweise zum eidg. dipl. Apotheker. Im Rahmen dieses Masterstudiengangs wird ein Praktikum absolviert. Wer in die Industrie oder Forschung gehen möchte, muss sich nach dem Bachelor für einen entsprechend anderen Mastergang entscheiden. «In unserer Ausbildung steht klar das Arzneimittel im Mittelpunkt», erklärt Jüttner, der selber noch nach einem anderen System studiert hat. «Die Themen reichen von der Suche nach neuen Arzneistoffen, über die Aufnahme und den Transport im Körper, die Wirkungsweise bis zur Herstellung und Anwendung am Patienten». Heute sei es ausserdem möglich, in der Apotheke Messungen wie Bestimmungen von Entzündungswerten oder andere Analysen zu machen, um innert sehr kurzer Zeit festzustellen, wo das Problem liegen könnte. Auch andere Dienstleistungen wie Impfungen können von Apotheken angeboten werden. Damit leisten sie einen Beitrag zur Senkung der Gesundheitskosten und Entlastung der Hausärzte und Spitäler.

Von Schönheitsprodukten und Haushaltshilfsmitteln hätten die Apotheker*innen hingegen weniger Ahnung, dies sei eben das Fachgebiet der Drogerien. Heute gebe es eigentlich sehr viele Schnittmengen zwischen Apotheken und Drogerien. Fühlten sich die studierten Pharmazeut*innen den Drogist*innen zu alten Zeiten vielleicht noch überlegen, begegne man sich heute zumindest in der Limmat Apotheke auf Augenhöhe und schätze die jeweils andere Berufsgruppe für ihre Fachkenntnisse, bestätigen sowohl Zurfluh als auch Jüttner. Obwohl die meisten Kund*innen durchaus wüssten, für welche Bedürfnisse sie sich an die Drogerie oder Apotheke wenden müssen, mache eine Kombination der beiden Branchen Sinn und werde sich wohl auch in Zukunft durchsetzen, meint Jüttner.

Diese Serie wird finanziell, ohne redaktionell eingeschränkt zu sein, durch die vier Höngger Rotpunkt Apotheken und Drogerien unterstützt. Alle Artikel online unter www.hoengger.ch/archiv/dossiers/ «Apotheken»

0 Kommentare


Themen entdecken