Zunahme der Kindsmisshandlungen

Die Kinderschutzgruppe und Opferberatungsstelle des Universitäts-Kinderspitals Zürich verzeichnete 2023 erneut eine Zunahme der gemeldeten Verdachtsfälle von Kindsmisshandlungen.

Das Kinderspital Zürich. (Foto: Gabriela Acklin)

Die Kinderschutzgruppe und Opferberatungsstelle des Universitäts-Kinderspitals Zürich hat die Statistiken des Jahres 2023 veröffentlicht. Die Zahl der Verdachtsfälle stieg im Vergleich zum Vorjahr von 647 auf 679 an. Gemäss Medienmitteilung ist dies das fünfte Jahr in Folge mit einer Zunahme der Fälle.

In 518 Fällen konnte eine sichere Misshandlung festgestellt werden. In 123 Fällen konnte der Verdacht nicht bestätigt, aber auch nicht ausgeräumt werden. In solchen Fällen werden die Kinder und deren Familien entweder engmaschig nachkontrolliert oder mit weiterbetreuenden Stellen (Kinderärztinnen, Mütter- und Väterberatung, Kinder- und Jugendhilfezentren etc.) vernetzt. Bei 38 der gemeldeten Kinder stellte sich heraus, dass keine Misshandlung vorlag, sondern zum Beispiel ein Unfall zu einer Verletzung führte.

Mehr Fälle von Vernachlässigung

In der Erfassung von Kinderschutzfällen werden 5 Kategorien unterschieden: körperliche und psychische Misshandlung, sexueller Missbrauch, Vernachlässigung und Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom. Dabei können in einem Fall mehrere Misshandlungsformen vorliegen.

Nachdem im Jahr 2022 eine Zunahme der körperlichen Misshandlung registriert wurde, haben diese Fälle im 2023 wieder leicht abgenommen. Die Zahl der psychischen Misshandlungen und des sexuellen Missbrauchs ist im letzten Jahr in etwa gleich geblieben. Die Zahl der vernachlässigten Kinder ist 2023 erneut angestiegen und macht neu einen Viertel aller gemeldeten Verdachtsfälle aus. Als Vergleich: 2017 wurden nur 11% der gemeldeten Fälle als Vernachlässigung erfasst. Seither kam es jährlich zu einer Zunahme der Fallzahlen in dieser Kategorie.

Vernachlässigung ist weltweit eine der häufigsten Misshandlungsformen bei Kindern. Von Kindesvernachlässigung wird gesprochen, wenn die Grundbedürfnisse eines Kindes nicht ausreichend erfüllt werden. Die Eltern oder andere Betreuungspersonen unterlassen in diesen Fällen andauernd oder wiederholt fürsorgliche Handlungen, die für eine gesunde körperliche und psychische Entwicklung des Kindes notwendig wären.

Dies kann zu gravierenden Folgen, wie beispielsweise psychischen Problemen und im Extremfall zum Tod eines Kindes führen. Es wird zwischen verschiedenen Formen der Vernachlässigung unterschieden: Körperliche, emotionale, erzieherische Vernachlässigung oder Vernachlässigung der gesundheitlichen Fürsorge. Auch ein Kind, welches mangelhaft beaufsichtigt wird oder oft alleine ist, wird vernachlässigt.

Zur Vernachlässigung kommt es, wenn Eltern die Bedürfnisse ihres Kindes nicht erkennen, überfordert oder zu stark mit sich selbst beschäftigt sind. Das Risiko einer Vernachlässigung ist erhöht in Familien mit ungenügendem Einkommen. Elterlicher Alkohol- und Drogenkonsum sowie psychische Erkrankungen der Eltern sind weitere Risikofaktoren.

Erhöhte Sensibilität

Gründe, weshalb die Fallzahlen an Vernachlässigung über die letzten Jahre deutlich zugenommen haben, können eine erhöhte Sensibilität für diese Misshandlungsform sein, eine reale Zunahme der Fälle oder eine Kombination aus beidem. Wichtig ist, dass auch zukünftig auf die subtileren Anzeichen dieser Misshandlungsform geachtet wird – sei es bei der Kinderärztin, beim Kinderarzt, in der Schule oder in der Nachbarschaft.

Die Kinderschutzgruppe und Opferberatungsstelle des Universitäts-Kinderspitals Zürich berät auch Fach- und Bezugspersonen, die einen Verdacht auf eine Gefährdung oder Misshandlung bei einem Kind äussern. Zudem soll gewaltfreie Erziehung zukünftig im Zivilgesetzbuch (ZGB) implementiert werden – der Bundesrat hat im August 2023 die Vernehmlassung für die Gesetzesrevision eröffnet.

Quelle: Medienmitteilung Kinderspital Zürich

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