Zukunftsvisionen für den ETH Campus

Am 30. August und 2. September informierte die ETH Zürich interessierte Anwohner*innen an zwei Informationsveranstaltungen über die «bauliche Weiterentwicklung des Campus Hönggerberg» und die Zukunftsperspektiven der Hochschule.

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Seit der Gründung des ETH Campus auf dem Hönggerberg im Jahr 1959 ist dieser kontinuierlich gewachsen – und der Platzbedarf der Hochschule steigt weiterhin an, im Zentrum ebenso wie auf dem «Aussenposten» in Höngg. In den letzten Jahren stiess die ETH mit dem Ausbau der Gebäude auf dem Hönggerberg jedoch zunehmend an die Grenzen der in der geltenden Bau- und Zonenordnung noch zulässigen Gesamtmenge an Bauvolumen (der «Höngger» berichtete bereits ausführlich). Mit der Genehmigung der Teilrevision ebendieser Bau- und Zonenordnung sowie der Sonderbauvorschriften hat der Gemeinderat der Stadt Zürich nun am 11. November 2020 mit 119:0 Stimmen grünes Licht für eine Erweiterung des Ausbaus gegeben. Damit hat die Hochschule die Möglichkeit, den Campus entsprechend ihres «Masterplans 2040» weiterzuentwickeln und zu verdichten, ohne das bereits bestehende Areal wesentlich zu vergrössern. Wie die Pläne der ETH konkret aussehen, darüber informierte die Hochschule an zwei Informationsanlässen vor Ort. Projektverantwortliche der einzelnen Abteilungen sowie externe Referenten der Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) gaben dazu ihren interessierten Gästen an drei verschiedenen Posten ein Update zum aktuellen Stand der Dinge in Bezug auf die Themenschwerpunkte «Bauvorhaben», «Mobilität» und «Nachhaltigkeit».

Mehr individuelle Lösungen anbieten

Zum Thema Mobilität erläuterten Urs Nussbaum von der ETH und Oliver Tabbert von den Verkehrsbetrieben Zürich, wie die Hochschule das jetzige und ein zukünftiges Verkehrsaufkommen möglichst CO2-arm bewältigen will. Der Schlüssel zur Mobilität, so Nussbaum, sei hier nach Ansicht der Hochschule ein multimodaler Lösungsansatz. Das bedeute nicht nur einen Ausbau des öffentlichen Verkehrs, sondern auch eine Erweiterung des Angebots an individuellen Fortbewegungsmöglichkeiten, wie sie jetzt bereits bestehen. Die Rede war hierbei sowohl von Autosharing-Konzepten wie Mobility und ubeeqo, Team-Fahrzeugen im Besitz der ETH, als auch von mietbaren PubliBikes und BOND-Velos sowie dem ETH-eigenen Shuttle-Bus-Service zum Standort im Zentrum.

Elektrifizierung der Buslinien

In Bezug auf den öffentlichen Nahverkehr präsentierten die VBZ einen Doppelgelenkbus, der in Zukunft auf der Strecke zur ETH verkehren soll, um die Überlastung der Buslinien 69 und 80 zu den Hauptverkehrszeiten zu reduzieren. Der Doppelgelenkbus bietet in seinem Inneren bis zu 156 Personen Platz, ohne dass ein Gedränge entsteht.
In diesem Zusammenhang ist darüber hinaus die Elektrifizierung der Buslinien vorgesehen (der «Höngger» berichtete bereits). Bis 2030, so Tabbert, plane die VBZ, ihr Busnetz weitgehend elektrisch zu betreiben.  Dabei gehören die Linien 69 und 80 zu denjenigen, die bereits in naher Zukunft auf einen Trolleybusbetrieb umgestellt werden: Der 69er soll bis zum Jahr 2024 mit Strom betrieben werden, der 80er bis zum Jahr 2025. Dank der neueren Batterietechnologie ist es dabei möglich, bei der Umstellung von Diesel- auf Trolleybusbetrieb auf einen Teil der Fahrleitungen zu verzichten. So sind insgesamt in der Stadt Zürich bis 2030 rund 80 Prozent mehr Trolleybusse geplant – bei nur 20 Prozent mehr Leitungen.

Vision mit «Tunnelblick»

Kurz angeschnitten wurde auch das Thema des «Zukunftsbilds 2050», wie es die VBZ am 31. August der Öffentlichkeit vorgestellt hat. Mit einem Ringsystem für die Tramlinien einschliesslich drei zusätzlichen Tramtunnels wird die Vision verfolgt, die Innenstadt vom Verkehr zu entlasten. Ob und wie eine solche Idee realisiert werden kann, ist jedoch noch absolute Zukunftsmusik. Der Ansatz einer Tunnelstrecke durch den Hönggerberg soll im Rahmen der weiteren Planungen bis Ende 2022 vertieft untersucht werden.

Das Areal verdichten

Die geplanten Bauvorhaben der nächsten Jahre wurden von Ulrich Weidmann, Daniel Bucheli, Katja Kalkstein und Moritz Marti präsentiert. Diese beinhalten sowohl Neubauten wie auch Sanierungen und Teilersatzneubauten. Wie Kalkstein erklärte, soll der Ausbau innerhalb des bestehenden Hönggerbergrings erfolgen, eine Ausweitung des Areals der Hochschule ist nicht geplant – mit Ausnahme zweier sogenannter «Portalbauten». Diese zwei Bauten, das «Nord-» und «Südportal», gegen Affoltern und Höngg ausgerichtet, sollen eine maximale Höhe von 50 bis 80 Metern im Norden sowie 30 bis 50 Metern im Süden erreichen. Insgesamt ermöglicht der Masterplan vier neue Hochbauten entlang der Wolfang-Pauli-Strasse.
Das grösste Bauvorhaben ist der Neubau «HPQ» des Departements für Physik. Das Baugesuch für dieses Gebäude ist bereits eingereicht, geplanter Start des Bauvorhabens ist im kommenden Jahr, bis 2028 soll das Physikgebäude bezugsbereit sein – Kostenpunkt rund 300 Millionen Franken. Neben Büroräumlichkeiten wird das Gebäude vor allem Raum für hochsensible Labors bieten – ein Grund dafür, dass der unterirdische Teil des Gebäudes rund doppelt so gross werden wird wie der oberirdische.
Für das Jahr 2024 ist zudem der Bau des «ETH Centre for Students and Entrepreneurs» geplant – ein «kreativer und innovativer Hotspot» für Studierende und Startups. Hier sollen nicht nur Büroräumlichkeiten und Sitzungszimmer zur Verfügung stehen, sondern auch eine grosse Cafeteria und Sozialzonen zum Austausch.

Grünflächen erhalten und aufwerten

Durch die Verdichtung und die vereinzelten Hochpunkte, so die Projektverantwortlichen, bleibe trotz Erweiterung mehr Platz für Grün- und Freiräume auf dem Campus. Die Wolfgang-Pauli-Strasse, entlang derer die neuen Hochbauten entstehen sollen, soll nach den Plänen der Hochschule zu einem «Boulevard» aufgewertet werden, der durch den Ausbau der Parkanlagen und Gärten sowie der Neugestaltung der Piazza auch für externe Besucher*innen und Quartierbewohner*innen an Attraktivität gewinnen soll.

Überschwemmungen verhindern durch Retentionsseen

In Bezug auf die Nachhaltigkeit waren bei der Präsentation unter anderem die geplanten Retentionsmöglichkeiten von Interesse, die bei Starkregenereignissen ermöglichen, grosse Wassermengen auf dem Hönggerberg zurückzubehalten, um Überschwemmungen beidseits des Hönggerbergs, in Höngg und Affoltern, zu verhindern. Hierzu sind verschiedene Konzepte geplant: unterirdische Retentionsbecken, quasi riesige, leere Schwimmbecken, die im Notfall gefüllt werden können, Wassertanks, die ebenfalls Regenwasser aufnehmen können, sowie Teiche und Gartenanlagen. So sollen ein geplanter neuer Teich beim Physikneubau sowie neugestaltete Wassergärten entlang der Wolfgang-Pauli-Strasse nicht nur die optische Aufwertung des Areals bewirken, sondern auch dazu dienen, die Wassermengen zu regulieren sowie die Biodiversität auf dem Standort Hönggerberg zu erhöhen. Einen positiven Effekt sollen die Teichanlagen ausserdem auf das Lokalklima haben und an heissen Sommertagen die Temperaturen auf dem Campus auf ein erträgliches Mass senken.  

Senkung der Emissionen durch Anergiesystem

Nachhaltigkeit ist natürlich auch bei der Energieversorgung ein entscheidendes Thema, wie Wolfgang Seifert, Energiebeauftragter der Hochschule, seinen Gästen erklärte. Hier arbeitet die ETH bereits seit 2006 an einer nachhaltigen Versorgung mittels eines Anergienetzes. Rund 400 Erdsonden sorgen mittlerweile für Wärme beziehungsweise für Kälte im Sommer. Ziel ist, die Anzahl Erdsonden in absehbarer Zeit auf 800 zu verdoppeln. Damit sollen die durch Heizen entstehenden CO2-Emissionen bis zum Jahr 2040 im Vergleich zu 2006 um mindestens 80 Prozent gesenkt werden – wenn nicht sogar noch mehr. Bisher konnten sie durch das Anergiesystem um rund 50 Prozent reduziert werden.

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