Alter
Zu Hause wohnen im Alter
Treppensteigen, Haarewaschen oder die Toilette benutzen – vieles kann im Alter in den eigenen vier Wänden zur Hürde werden. Altersgerechtes Wohnen wird immer wichtiger, da ältere Menschen ihre Selbstständigkeit möglichst lange bewahren wollen. Wie man sicher wohnt und sich das Leben mit kleinen Tricks einfacher gestaltet, erfahren Sie hier.
9. Juni 2024 — Aline Fuhrer
Mitten im Quartier und in einem grossen Haus, mit einem noch grösseren Garten, lebt eine 88-jährige Hönggerin. Ihren Namen möchte sie aus persönlichen Gründen nicht öffentlich nennen, doch das Thema des altersgerechten Wohnens ist ihr sehr wichtig. Die Dame strotzt vor Lebensfreude und Energie und die braucht sie, um in dem Anwesen leben zu können. Den ganzen Haushalt meistert sie nach wie vor mit links. Ihr Tipp? Fit bleiben!
«Man muss weitermachen»
Zwei Mal in der Woche macht die Rentnerin Sport – am Dienstag geht sie ins Aquafit und am Freitag ins Turnen. Aber auch mental hält sie sich fit, nämlich mit Memory und Kreuzworträtseln. «Im Alter muss man weitermachen, sich nicht zurückziehen und die Kontakte pflegen», sagt sie. «Es läuft zwar alles ein wenig langsamer und man braucht mehr Pausen dazwischen, aber aufhören sollte man nicht.»
Die Selbstständigkeit ist der Hausherrin dabei sehr wichtig. «Ich hätte Mühe, in ein Altersheim zu wechseln, da dort vieles vorgegeben ist», sagt sie. Lieber würde sie in Zukunft Hilfe zu Hause beanspruchen, beispielsweise durch die Spitex. Sie will den Alltag selber gestalten und entscheiden, wann sie was macht.
«In einem Haus gibt es immer etwas zu tun, da wird mir nie langweilig», sagt sie. Das Haushalten teilt sie sich selbst ein, zwischendurch legt sie sich gerne auch mal hin. Beim Jäten nimmt sie den Hocker zu Hilfe. Ein bisschen Unterstützung im Haushalt und Garten schadet allerdings nicht. So schaut jede zweite Woche eine Putzfrau bei ihr vorbei, und auch ein Gärtner hilft ihr im Grünen. Angehörige unterstützen sie ebenso.
Sicherheit rund um die Uhr
Sehr wichtig sei das Armband mit dem roten Knopf, das die 88-Jährige am rechten Handgelenk trägt – nämlich ein Rotkreuz-Notruf. Sollte etwas passieren, etwa ein Sturz, drückt man auf den Knopf und eine Sprecherin des Roten Kreuzes nimmt Kontakt auf. Sie mobilisiert dann Freiwillige, meistens sind das die Nachbarn, Angehörige oder Freunde, die in der Nähe wohnen, und die der betroffenen Person zu Hilfe eilen können. In einem medizinischen Notfall rücken Mitglieder von einem professionellen Rettungsdienst aus. Die Zentrale des Roten Kreuzes ist rund um die Uhr erreichbar.
Die Umgebung muss sich dem Menschen anpassen
Altersgerecht wohnen – damit kennt sich auch Othmar Immoos, Leiter Betreuung und Pflege des Gesundheitszentrums für das Alter Sydefädeli, bestens aus. Das Zentrum hat sich auf Wohneinheiten spezialisiert, in denen die älteren Leute grösstenteils selbstständig leben.
Dem Gesundheitszentrum liegt es am Herzen, dass die betagten Personen ihr Leben so selbstbestimmt wie möglich gestalten können. Es gilt: «Die Umgebung muss sich der Person anpassen, und nicht umgekehrt.» Das Zentrum versuche daher, den Bewohnenden einen möglichst individuellen Alltag zu ermöglichen. Was der Körper im Alter nicht mehr zu stemmen vermag – beispielsweise Waschen oder Kochen –, übernimmt das Gesundheitszentrum.
«Wir Jungen können uns gar nicht vorstellen, was es heisst, eine Wohnung zu putzen. Für uns ist das innerhalb einer Stunde erledigt, für eine ältere Person kann das aber ein ganzes Wochenprogramm bedeuten», sagt Immoos. Die Wohnungen können die Betagten nach eigenem Geschmack einrichten. Gewisse Stolpersteine sollten in den eigenen vier Wänden aber vermieden werden – dazu gehören laut Immoos vor allem Teppichecken. Gutes Schuhwerk, sprich geschlossene Finken, sei ebenfalls unabdingbar.
Das Badezimmer hat viele Festhaltmöglichkeiten und der Duschbereich kann stufenlos betreten werden. Um Stürze zu vermeiden, spiele die Ernährung eine ganz wichtige Rolle. Insbesondere im Sommer sei es sehr wichtig, viel zu trinken. Das Risiko für Stürze und andere Zwischenfälle, die auf zu wenig Flüssigkeit zurückzuführen sind, steige stark.
«Wir wollen ein Zuhause sein»
Personen, die sich für ein Heim interessieren, wird zuerst eine Beratung von der Stadt Zürich angeboten. Je nach individuellen Bedürfnissen wird dann das passende Zentrum ausgewählt. Die verschiedenen Gesundheitszentren der Stadt Zürich haben unterschiedliche Schwerpunkte. So bietet das benachbarte Gesundheitszentrum für das Alter Trotte auch einen Wohnbereich für Menschen mit Demenz. «Die Gebrechlichkeit im Alter ist ein ernst zu nehmendes Thema. Und auch die Konzentration lässt nach – man vergisst häufiger Sachen, wie etwa die Medikamenteneinnahme», sagt Immoos.
Wie kann man die Selbstständigkeit im Alter denn trotzdem bewahren? «Training, Training, Training», betont Immoos. «Wir haben ganz viele Leute, die beispielsweise absichtlich die Treppen anstelle des Lifts benutzen.» Und auch die hausinterne Aktivierungstherapie fördert das Gedächtnis mit Spielen oder mit dem Diskutieren von Zeitungsbeiträgen. Heute kämen die Menschen in einem höheren Alter als früher ins Altersheim, zum Teil erst mit über 90 Jahren.
Ein Faktor hierfür könne auch die Einsamkeit sein. «Wir versuchen, für die Leute ein Zuhause zu sein. Und somit dürfen die Leute auch bei uns sterben, dafür müssen sie nicht den Ort wechseln», sagt Immoos. In erster Linie zähle für Immoos die Zufriedenheit der Person. Besonders auch bei Bewohnenden, die bereits eine beginnende geistige Einschränkung haben, sei diese «emotionelle» Zufriedenheit sehr wichtig. «Ich erlebe die alten Leute im Sydefädeli als eine kunterbunte Gemeinschaft.
Hier gibt es die unterschiedlichsten Charaktere. Aber bei uns darf man so sein, wie man ist», sagt Immoos.
Von Rollatoren, Duschbrettern und Nachtstühlen
Um sich das Leben einfacher zu gestalten, kann man sich auch Hilfsmittel besorgen, sogenannte Krankenmobilien. In Höngg gibt es ein Krankenmobilienmagazin, das ein wenig versteckt neben der Pestalozzi-Bibliothek an der Ackersteinstrasse 190 liegt. Es ist für jedes Bedürfnis gut ausgestattet. Verwalterin Monika Schmidiger ist seit rund zehn Jahren dabei und bietet Beratungsgespräche.
«Vielfach erreichen mich die Kunden zuerst per Telefon und schildern mir ihr Problem. Die meisten kommen dann persönlich vorbei, um etwas genauer unter die Lupe zu nehmen», sagt Schmidiger. Die Objekte kann man unbeschränkt lange ausleihen, man kann sie bei hoher Nutzung auch abkaufen. Ein Teil der Miete wird dabei angerechnet. Ein Depot existiert nur bei Rollstühlen. «Wir vermieten unsere Objekte wesentlich günstiger als ein Fachgeschäft», sagt Schmidiger.
«Durch den Service und die Reparaturen heben wir uns jedoch von den Online-Shops ab.» Die Mindestmietdauer liegt bei zwei Wochen. Am meisten nachgefragt werden Duschbretter, WC-Aufsätze, Rollstühle, Rollatoren und Nachtstühle. Der Grossteil der Kundschaft ist über siebzig Jahre alt. Aber auch Leute mit Behinderungen durch Unfälle schauen gerne vorbei.
«Viele alte Personen haben Mühe mit Treppensteigen. Und auch eine neue Wohnung zu finden, die den Bedürfnissen des Alters entspricht, ist nicht einfach», sagt Schmidiger. Besonders, wenn ein Gerät wie ein Rollator ins Spiel kommt, wird es in den eigenen vier Wänden raumplanerisch schwierig. Da wird beispielsweise auch ein Lift plötzlich wichtig. «Es gibt aber auch Menschen, die nicht flexibel sind und Mühe haben, die Wohnung hindernisfrei umzugestalten», sagt Schmidiger. In vielen Fällen seien die Wohnungseinheiten mit zu vielen Sachen und Gegenständen überladen.
Alte Menschen hätten tendenziell Mühe damit, diese Objekte umzustellen und beispielsweise freien Weg für einen Rollator zu schaffen. Sich an die neuen Lebensumstellungen anpassen zu können, sei enorm wichtig. «Ich selber habe durch meine Arbeit beim Krankenmobilienmagazin gelernt, dass es essenziell ist, in die Zukunft zu schauen. Vorsorgen ist das A und O», sagt Schmidiger.
Anlaufstellen
Krankenmobilienmagazin Kreis 10
Ackersteinstrasse 190
8049 Zürich
044 341 51 20
Gesundheitszentrum für das Alter Sydefädeli
Hönggerstrasse 119, 8037 Zürich
044 414 07 07
Schweizerisches Rotes Kreuz
SRK Kanton Zürich
Drahtzugstrasse 18, 8008 Zürich
044 388 25 35
Im Fokus: Wertvolle Jahre
Der «Höngger» veröffentlicht auch in diesem Jahr verschiedene Artikel, die sich der Lebensrealität von Betagten und Menschen mit Behinderung widmen. Diese Reihe entsteht mit freundlicher Unterstützung der Luise Beerli Stiftung, die sich für solche Menschen stark macht.
0 Kommentare