Wohin steuern die Printmedien?

In einem hochkarätig besetzten Podium diskutierten Fachleute aus Medienbranche und Politik am 14. Mai im Höngger Kirchgemeindehaus über aktuelle Herausforderungen und mögliche Zukunftsszenarien für die Printmedien im Allgemeinen und Quartierzeitungen im Besonderen.

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Die Podiumsgäste diskutierten engagiert über die Zukunft der Printmedien, Patentlösungen gab es aber keine.
Das Thema «Zukunft der lokalen Printmedien» stiess auf reges Interesse.
Hatte die acht Diskussionsteilnehmer*innen gut im Griff: Röbi Koller.
Quartierzeitungen erfüllen noch immer ein Informationsbedürfnis, meinte Andreas Häuptli.
Staatliche Finanzierung ist für Diego Yanez durchaus diskussionswürdig.
Alt-Stadtrat Andres Türler betonte die Wichtigkeit der Quartierzeitungen.
Esther Girsberger hat noch die goldenen Jahre der Printmedien erlebt.
Verlagsleiter Fredy Haffner blickt motiviert in die Zukunft des «Hönggers».
Die Printmedien sollen sich von den Inseraten befreien, riet Felix E. Müller.
Via Social Media liesse sich heute viel gezielter Werbung machen, sagte Edith Hollenstein.
Das Interesse an Zeitungen sei weiterhin ungebrochen hoch, so Roger Lang.
Der Stiftungsrat «Quartierzeitung Höngg» unterstützte den Anlass tatkräftig hinter der Bar.
Auch nach dem Podiumsgespräch wurde angeregt weiterdiskutiert.
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Ungewohnt hatte sich die letzte Ausgabe des Hönggers präsentiert: lauter graue Flecken, anstelle von Inseraten, keine Veranstaltungshinweise, keine Publikationen von Kirchen, Vereinen und Parteien. Nur ein Thema im ganzen Blatt: «Zukunft und Relevanz von Lokalzeitungen». Mit dieser unangekündigten und provokanten Sonderausgabe wollte das Team des «Hönggers» auf das Problem rückläufiger Inserateeinnahmen und damit wachsender finanzieller Nöte bei den Print- und insbesondere den Lokalmedien aufmerksam machen.
Und genau darüber wollte Verlagsleiter Fredy Haffner auch mit dem illuster besetzten Podium diskutieren, das er an diesem Dienstagabend in das reformierte Kirchgemeindehaus Höngg eingeladen hatte. Unter der Moderation von Röbi Koller unterhielten sich hier Alt-Stadtrat Andres Türler, Andreas Häuptli, Geschäftsführer des Verlegerverbandes Schweizer Medien, Diego Yanez, Direktor der Schweizer Journalistenschule MAZ, Edith Hollenstein, Redaktionsleiterin von persoenlich.com, dem Online-Fachmagazin der Schweizer Medien- und Kommunikationsbranche, Esther Girsberger, Publizistin und ehemalige Chefredaktorin des Tages-Anzeigers, Felix E. Müller, ehemaliger Chefredaktpr der NZZ am Sonntag sowie Roger Lang, Senior Product Consultant der WEMF AG gemeinsam mit ihm über die Lage und Zukunft der Printmedien.

Leser*innen schätzen lokale Medien…

Lokalmedien wie der Höngger, darin war sich das Podium schnell einig, sind auch in der heutigen Zeit ein wichtiges Instrument der Informationsbeschaffung für die Quartierbevölkerung und werden als solches nach wie vor von den Leser*innen geschätzt. «Dank den Lokalmedien», so formulierte Andres Türler seinen Bezug zu Quartierzeitungen, «weiss man, wo man lebt und wie man lebt.» Ein solches Bild ergibt sich auch, wenn man die Studien der WEMF AG für Werbemedienforschung konsultiert, wie Roger Lang, der Senior Product Consultant des Unternehmens, darlegte. Die Gesamtleserschaft der Presseerzeugnisse hat demnach in den letzten Jahren keine oder kaum Verluste zu verzeichnen, was bedeutet, dass das Interesse an Zeitungen – wohlgemerkt in gedruckter wie auch in digitaler Form – nach wie vor ungebrochen hoch ist. Auch und gerade die Quartierzeitungen, so die Erfahrung der Marktforschung, sind in ihren Leserzahlen stabil und erfüllen das Informationsbedürfnis.

…aber wer finanziert sie?

Was jedoch Sorgen bereitet, so erläuterte Häuptli, sind die drastischen Einbussen in den Werbeeinahmen durch Inserate – ein Problem, mit dem sich natürlich nicht nur die Quartierzeitungen, sondern auch die grossen Tageszeitungen konfrontiert sehen. Vorbei ist der «Höhepunkt der Printmedien» um den Jahrtausendwechsel, an den sich etwa Felix E. Müller und Esther Girsberger, ihres Zeichens ehemalige Chefredaktor*innen von NZZ am Sonntag und Tages-Anzeiger erinnerten: Damals mussten die Tageszeitungen Inserenten ablehnen, weil in der Druckversion schlicht kein Platz für weitere Inserate war und der dem Tages-Anzeiger beigelegte Stellenanzeiger war noch fast so voluminös wie die Zeitung selbst. Heute hat sich die Werbung auf das Internet verlagert, doch der strukturelle Wandel ist für die Printmedien nicht einfach zu bewältigen. Denn Onlinewerbung ist im Vergleich zum gedruckten Inserat sehr viel günstiger. Dazu kommt, wie Edith Hollenstein von persoenlich.com vorrechnete, dass die digitale Werbung mittlerweile weniger über Homepages, als vielmehr über Social-Media-Kanäle global agierender Unternehmen wie Instagram, Facebook oder Snapchat funktioniert, mit denen lokale Akteure nicht mithalten können. Mit dem gleichen Geld, mit dem sich in einer Lokalzeitung ein kleines Inserat schalten lässt, können auf Social-Media-Kanälen ungleich mehr Menschen direkt zielgruppenorientiert erreicht werden.

Quo vadis, Printmedium?

Wie also lässt sich dieses Dilemma lösen? Muss eine Lokalzeitung überhaupt noch in gedruckter Form weitergeführt werden oder reicht eine Online-Version aus? Und wie liesse sich diese finanzieren? Zu diesen Fragen konnte das Podium naturgemäss nur Inputs vermitteln und keine abschliessenden Antworten geben. «Sie müssen sich von den Inseraten befreien», riet Müller dem «Höngger». Doch was sind die Alternativen? Wären die Höngger*innen etwa bereit, ihre Zeitung durch Abonnemente zu finanzieren – Abonnemente, die, wie Haffner verdeutlichte, preislich einiges über dem Betrag liegen müssten, den die Leser*innen momentan für ihre Quartierzeitung zu spenden bereit sind?
Oder liegt der Schlüssel zur Lösung des Problems, wie ein Votum aus der Zuhörerschaft forderte, in einer «contentbasierten» Finanzierung, also einer selektiven Bezahlung durch den Konsumenten, der online nur noch für die Inhalte bezahlt, die ihn auch wirklich interessieren? Zumindest den jüngeren Medienkonsument*innen, denen eine Zeitung in Papierform nicht mehr so wichtig ist wie der älteren Generation, könnte dieser Ansatz – analog der Mediennutzung bei Netflix oder Spotify – entgegenkommen.
Auch die staatliche Finanzierung von Printmedien wurde diskutiert – eine Idee, die nicht nur Haffner, sondern auch Diego Yanez, der Direktor der Journalistenschule MAZ, durchaus befürworteten. Zwar seien die Widerstände seitens der Verlage gegen eine Subventionierung gross, weil um die Unabhängigkeit der Medien gefürchtet werde, doch, so bekräftigte Yanez, «alle Zeitungen finanziell an die Wand zu fahren, um ideologisch rein zu bleiben, erscheint mir auch nicht gerade sinnvoll.» Im Übrigen könne eine journalistische Unabhängigkeit auch mit staatlicher Unterstützung gewährleistet bleiben, wie die SRG beweise.

Die Zukunft ist offen

Es bleiben nach der Diskussion viele Fragen offen. Doch möglicherweise hat der Abend dazu beigetragen, eine intensivere Auseinandersetzung über die Zukunft und Relevanz von Printmedien anzufachen. Und wer weiss, vielleicht ist für eine Quartierzeitung wie den «Höngger» doch noch eine Umkehr in Sicht: Momentan würde, dieser Auffassung waren Häuptli und Lang als Marktexperten gleichermassen, die Bedeutung der Printmedien – und insbesondere der Lokalmedien – von den Inserent*innen schlichtweg unterschätzt. Denn der «hyperlokale» Journalismus, wie Häuptli ihn nannte, die Fokussierung der Berichterstattung auf das Geschehen direkt vor der Haustür, könnte vielleicht gerade in Zeiten der Globalisierung und der generellen Übersättigung an Informationen, deren Relevanz für das eigene Leben oftmals gering sind, in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Sobald die Inserent*innen dies erkennen, könnten auch die Werbeeinahmen wieder steigen.

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