Wo Pathos willkommen ist

Der Musikverein Höngg zeigt in seinen Konzerten regelmässig alle Facetten der Blasmusik. Besonders eindrücklich klingt es jeweils, wenn er im Toniareal auftritt.

Dirigent Bernhard Meier gibt vollen Körpereinsatz.
Vom Musikverein Höngg sollte man sich unbedingt einmal auf eine Reise mitnehmen lassen.
Musikverein Höngg. (Foto: Fabienne Nörr-Eigensatz)
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Bereits zum zweiten Mal hiess es für den Musikverein «go west», als er vergangenes Wochenende zum traditionellen Märzkonzert ins Toniareal lud. Auch musikalisch ging es tendenziell in Richtung Westen, auch wenn ab und zu ein kleiner Schlenker gemacht wurde und man am Ende im Osten landete, wie das so ist, bei einer Kugel. Wer beim Ausdruck Blasorchester nur stramme Märsche hört, liegt an diesen Anlässen völlig falsch. Die Stücke sind oft episch, reine Filmmusik, die einen vom ersten Klang an auf Reisen schickt. Erster Halt: Pennsylvania, USA. Mit Rossano Galante geht es zu den Red Rock Mountains, die in der Abenddämmerung glühen. Am nächsten Morgen wächst die Sonne bis zu den Gipfeln hoch, und das ganze Massiv wird in seiner beeindruckenden Grösse sichtbar. Nein, es ist wirklich nicht möglich, diese Musik zu beschreiben, ohne pathetisch zu werden. Doch das ist auch das Schöne: Pathos hat hier Platz und die Musiker*innen werden ihm immer gerecht.

Von Inkas und Armenischen Pflaumen

Durch den Abend führte dieses Mal Frédéric Voisard. Mit bildhafter Sprache erklärte er die nächste Etappe, das nächste Stück von Satoshi Yagisawa. Das beginnt ganz anders als erwartet: Statt sanfter Morgendämmerung auf dem Machu Picchu wird das Publikum von einem heftigen Einstieg überrascht, als wären die Spanier bereits dabei, die Goldschätze wegzutragen. Die Perkussionisten werden nervös, die Tubas und Fagotte kündigen Unheil an in der «City in the Sky». Eine dramatische Geschichte. Ganz anders der Abstecher an die Ostküste Nordamerikas, wo die «Songs from the Catskills» mit irisch-schottischen Einflüssen die Arbeit in den Steinbrüchen und die Rivalitäten zwischen Iren und Italiener früherer Zeiten in einer recht fröhlichen Art beschreiben. Selbst das Klagelied klingt wie eine Tom-&-Jerry-Episode. Das ist nicht despektierlich gemeint!
Mit einem Klassiker der sinfonischen Blasmusik – den «Armenian Dances 1» von Alfred Reed – «tanzt» das Orchester trippelnd und trappelnd durch die armenische Steppe. Gomidas Vartabed (1869-1935) sammelte und verarbeitete für diese Kompositionen armenische Volksweisheiten. Es endet in heiterem Gelächter und bildet einen fulminanten Abschluss der ersten Konzerthälfte.

Multifunktionales Orchester

Kein Musikverein-Konzert ohne Überraschungseinlage. Manchmal klatschen sie, manchmal summen sie, die Musiker*innen des Blasorchesters sind vielseitig begabt. «The Wall» von Otto M. Schwarz spielt an der Grenze zum römischen Reich 300 Jahre nach Christus und bezeichnet wohl den Anfang vom Untergang desselben. Neben Überfällen und Scharmützel wird in solchen Grenzgebieten auch viel «geschwätzt», was die Mitglieder des Orchesters mit heiterem Durcheinandergerede herrlich umsetzen. Auch diese humorvollen Einlagen machen die Konzerte zu etwas Besonderem. Bernhard Meier zeigt gewohnten Körpereinsatz im Titelsong «The Exodus Song» des Kriegsdramas «This Land is Mine» und viel zu schnell kündigt Frédéric Voisard das letzte Stück an: «Miss Saigon» von Claude-Michel Schönberg, arrangiert von Johan de Meij. Wenn schon, dann in Schönheit sterben, wird sich der Musikverein gesagt haben und führt das Publikum durch eine Achterbahn der Gefühle, inklusive Kriegswehen, unmöglicher Liebe und unglücklichem Ende. Doch das gilt nur für die Protagonistin der Geschichte. Das Publikum verlässt sichtlich beglückt den Saal.

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