Wo Gotte und Götti beschenkt werden

Bereits zum elften Mal trafen sich Patinnen und Paten von Rebstöcken im Höngger Chillesteig zur gemütlichen Weindegustation im Rebberg.

Mit dieser Aussicht über die Stadt müssen die Reben im Chillesteig ja gedeihen.
Winzer Lorenz Kern erklärt die Fotosynthese.
Betriebsleiter Donat Streuli schenkt aus.
1/3

Es ist schon etwas ganz Besonderes, den neuen Jahrgang unter der mit Reblaub bewachsenen Pergola dort zu geniessen, wo er gewachsen ist. Entsprechend beliebt ist der vom städtischen Gutsbetrieb Juchhof jährlich durchgeführte Anlass. Nachdem 2009 zum 10-Jahre-Jubiläum Degustation und Weingant auf dem Juchhof selber durchgeführt worden waren, trafen sich letzte Woche Gotten und Göttis von Rebstöcken wieder bei ihren Patenkindern im Rebberg. Betriebsleiter Donat Streuli und Winzer Lorenz Kern liessen es sich nicht nehmen, die insgesamt 175 Gäste an drei Abenden persönlich herumzuführen, Fragen zu beantworten und natürlich die jüngsten Rebensäfte vorzustellen.

Wie der Zucker in die Traube kommt

Während eines kleinen Rundgangs erläuterte Lorenz Kern mit einfachen Worten, wie der Zucker in die Rebe kommt: Fotosynthese ist das Geheimnis. Dabei ist es wichtig, dass möglichst viele und grosse Blätter gebildet werden. Da nach 40 Tagen aber die Assimilationskraft abnimmt, wird rund um die Beeren jeweils kräftig ausgelaubt. Das ist zwar aufwändig, doch reifen die Beeren dann besser, trocknen nach Regenschauern schneller und sind im Herbst einfacher zu lesen. Zwar wird heute vieles mit Maschinen bewerkstelligt, der «Finish» erfolgt aber immer noch häufig in Handarbeit. Rund 50 Prozent der Energie investiert die Pflanze ins Wachstum, die andere Hälfte lässt die Beeren reifen. Ab zirka Mitte August, wenn das Wachstum abgeschlossen ist, wird dieser Teil der Energie in die Wurzeln eingelagert als Reserve für den «Neustart» im nächsten Frühjahr. «Der Chillesteig ist dank optimaler Sonneneinstrahlung Zürichs wärmster Ort», freut sich Donat Streuli, «kein Wunder gedeihen hier die rund 20’000 Rebstöcke besonders gut und geben pro Stock rund einen Liter Wein.» Mit rund acht Hektaren hat Höngg am meisten Rebfläche aller Stadtzürcher Quartiere. Bewirtschaftet werden je drei Hektaren von der Familie Wegmann im Frankental und vom Juchhof und zwei Hektaren von der Firma Zweifel, welche auch für Kelterung und Ausbau verantwortlich zeichnet.

Hagel zeigt auch im Folgejahr noch Wirkung

Wegen des Hagels im Mai und dem laufenden Ersatz der seit 1969/70 gepflanzten Reben fiel der Ertrag 2009 um 70 Prozent geringer aus als üblich. Der nach dem Hagel notwendige, spezielle Schnitt wird auch bei der Ernte 2010 noch für 30 bis 40 Prozent weniger Ertrag sorgen. Da der Hagel damals nur sehr punktuell niederging, war erstaunlicherweise der Rebberg Klingen davon praktisch nicht betroffen. Nun, was rar ist, ist bekanntlich noch begehrenswerter: Auge, Nase und Gaumen prüften kritisch, was den Weg von der Rebe am Chillesteig übers Fass in die Flasche und dann ins Glas gefunden hatte. Und mit Wohlwollen wurde das Präsentierte nicht ausgespien, sondern sichtlich genossen und leidenschaftlich kommentiert. Lorenz Kern war in seinem Element und stellte die Gewächse jeweils kurz vor: den etwas weniger spritzigen, dafür kräftigen und im Gaumen volleren Räuschling und den blumigen Riesling-Silvaner mit typischer Muskatnote und etwas mehr Säure. Vom Pinot Gris schwärmte er: «Das ist einer der schönsten Pinot Gris, die wir je gemacht haben.» Mit 99 Öchslegraden ist das dank sonnenreichem Herbst kein Wunder. Der Clevner ist wegen des Hagels nicht typisch, schön rot und kräftig und weist mit 13,5 einen eher hohen Alkoholprozentgehalt auf. Da er erst vor drei Monaten abgefüllt worden war, zeigte er sich bei der Degustation noch nicht ganz harmonisch. Und wie das so ist bei Familienfeiern, man sitzt beisammen, tauscht sich aus, trinkt noch ein Glas Wein und freut sich über das Gotten- beziehungsweise Götti-Geschenk, eine Flasche Wein vom Chillesteig von jedem Patenkind, die einen beim Öffnen in hoffentlich wiederum illustrer Runde an ebendiesen stimmungsvollen Abend in den Reben hoch über Zürich erinnern wird.

Infos zu Patenschaften und Weinen zu beziehen beim Gutsbetrieb Juchhof, Bernerstrasse 301, 8048 Zürich, www.stadt-zuerich.ch/juchhof. Weine bei Zweifel Weine, Regensdorferstrasse 20.