Wie wohnen?

Das Zuhause soll der Ort sein, an dem man sich wohl fühlen und zurückziehen kann. Menschen mit einer Beeinträchtigung können aber oftmals gar nicht entscheiden, wo und unter welchen Umständen sie wohnen.

Menschen mit Behinderungen haben verschiedene Wohnmöglichkeiten. Menschen, die jederzeit umfassende Hilfe und Pflege brauchen, wohnen oftmals in einer Institution. Durch den vorgegebenen Heimalltag ist hierbei die Fremdbestimmung hoch, es gibt jedoch immer mehr Institutionen, die ihren Bewohner*innen dank neuer Wohnmodelle mehr Selbstbestimmung ermöglichen. Gewisse Institutionen führen beispielsweise Aussenwohngruppen, die mehr Privatsphäre bieten und in denen die Bewohner*innen selbstbestimmter leben können. Dabei ist die Unterstützung bei Pflege, Betreuung und im Haushalt auf die Person abgestimmt. Eine weitere Option ist eine betreute oder begleitete Wohngemeinschaft. Menschen, die nicht selbstständig leben können, werden dabei nach individuellen Bedürfnissen begleitet. Die Begleitung erfolgt in diesem Fall gewöhnlich in der eigenen Wohnung.
Für junge Erwachsene mit kognitiven Beeinträchtigungen gibt es das Angebot einer Wohnschule, die eine zwei- bis vierjährige Ausbildung zum selbstständigen Wohnen beinhaltet. Dabei wird die Haushaltsführung, Administratives und soziales Zusammenleben gelehrt, die Auszubildenden arbeiten ausserhalb der Wohnschule Teilzeit. Sprungbrettwohnungen sind für selbstständige Menschen, die planen, in einer eigenen Wohnung zu leben. Dabei kann das selbstständige Wohnen für ein paar Monate in Ruhe ausprobiert werden. Für Personen, die den Alltag selber managen können und alleine wohnen wollen, bietet sich eine eigene Wohnung mit Assistenz an.
Auch in Höngg gibt es verschiedene Angebote für Menschen mit einer Beeinträchtigung. Zum einen gibt es das Wohnzentrum Frankental, eine Institution, die auch Tagesaufenthalter aufnimmt. Zusätzlich gibt es die Wohngruppe «Daheim», in der betreutes Wohnen angeboten wird.

Fremdbestimmt wohnen

Obwohl also viele verschiedene Wohnformen vorhanden sind, gibt es für Menschen mit einer Behinderung viele Hindernisse für selbstbestimmtes Wohnen. Zum einen fehlt oftmals das Beratungsangebot, die Menschen kennen die verschiedenen Möglichkeiten also gar nicht. Zudem sind die nötigen Unterstützungsleistungen und finanziellen Absicherungen nicht immer vorhanden: Für viele Betroffene ist es finanziell kaum möglich, in einer eigenen Wohnung zu leben. Um dies zu verhindern, gibt es Assistenzleistungen: Finanzielle Leistungen für Versicherte, die Hilflosen-Entschädigung erhalten. Damit können sie für regelmässig benötigte Hilfeleistungen Assistenzpersonen einstellen, damit sie zu Hause leben können. Wegen der strengen Aufnahmebedingungen sind jedoch viele Menschen von diesem System ausgeschlossen. Auch wenn die finanziellen Mittel vorhanden sind, ist es teilweise schwierig, eine Wohnung zu finden, die hindernisfrei ist.
Die Schweiz muss also noch viel tun, was die Selbstbestimmung von Menschen mit einer Behinderung angeht. Dass sie den Weg gehen will, wurde schon mit dem Unterzeichnen der UNO-Behindertenrechtskonvention entschieden. Diese verlangt, dass «Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben, und nicht verpflichtet sind, in besonderen Wohnformen zu leben.» Diese Leitidee der Selbstbestimmung steht stark in Zusammenhang mit der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung. Diese fordert, dass Menschen mit Behinderung das eigene Leben und Wohnen nach ihren Wünschen gestalten dürfen.

Subjekte und nicht Objekte finanzieren

Um diese Prinzipien der Selbstbestimmung anzugehen, wurde im Zürcher Kantonsrat im Juni 2018 eine Motion eingereicht. Diese sieht vor, das heutige System der Assistenzleistungen zu ändern: Von einer Objekt- soll zu einer Subjektfinanzierung gewechselt werden. Der Kanton finanziert demnach nicht mehr in erster Linie die Institutionen (Objekte), sondern jeder Mensch (Subjekt) erhält die Kosten für den persönlichen behinderungsbedingten Betreuungs- und Pflegebedarf vergütet. Damit sollen behinderte Menschen die Wahlfreiheit erhalten, wie sie ihre Betreuung organisieren wollen. Die Motion wurde von allen Fraktionen ausser der Fraktion der Schweizerischen Volkspartei angenommen, der Kantonsrat übergab damit den Auftrag an die Regierung, einen Gesetzesentwurf zu erarbeiten. Nun liegt es an ihr, behinderten Menschen selbstbestimmteres Wohnen zu ermöglichen.

Diese Fokusreihe zum Thema «Menschen mit Behinderung» entstand mit freundlicher Unterstützung der Luise Beerli Stiftung. Die Stiftung unterstützt vorwiegend in der Stadt Zürich domizilierte Institutionen, die sich für betagte oder behinderte Menschen einsetzen. Sie hat keinen Einfluss auf Inhalt und Form der Artikel genommen.

 

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