Wie lebendig sind die Höngger Vereine?

Treffen sich drei Schweizer, so gründen sie einen Verein. Die Anzahl Höngger Vereine lässt den Ursprung dieses Witzes hier vermuten. Egal welche Vorliebe man hat, in Höngg findet man in mehr als 60 Vereinen praktisch sicher Gleichgesinnte. Doch nicht allen laufen die Mitglieder nach.

Höngg in der Adventszeit im ersten Schnee. Wo wird die Geselligkeit dieser Tage noch in Vereinen gepflegt?

Einen Verein zu gründen ist das eine – ihn am Leben zu erhalten das andere. Vor und nach der Terminabsprache der Vereine Anfang Jahr − unter Führung des Quartiervereins Höngg (QVH) − ist jeweils Zeit, sich gegenseitig auszutauschen. Und da hört man immer wieder dieselben Klagen: Die Mitgliederzahlen sind unbefriedigend, selbst traditionelle Anlässe mussten schon mangels Aktiven abgesagt werden. Der «Höngger» wollte wissen, ob es wirklich so schlecht um das Vereinswesen steht und was die Vereine unternehmen, um ihre Aktivitäten oder gar ihre Existenz bekannt zu machen. Kontaktiert wurden alle 50 dem «Höngger» bekannten Vereine mit der Frage: «Wie haben sich Ihre Mitgliederzahlen seit 1990 entwickelt?». 33 Vereine antworteten.

Schwund oder Zuwachs?

Die Umfrage ergab ein heterogenes Bild. Während die einen innerhalb zwanzig Jahren teils massive Abgänge hinnehmen mussten, legten andere, allen voran jüngere Vereine, kräftig zu. Angesprochen auf mögliche Erklärungen für diesen Mitgliederschwund und was man dagegen unternimmt, nannte Christoph Müller vom Cevi Zürich 10, stellvertretend für viele Vereine, die vielen Konkurrenzangebote und einen allgemeinen Motivationsmangel, in einem Verein aktiv zu sein. Der Cevi will dagegen mit vermehrter Präsenz im Quartier und Hilfestellungen an Anlässen ankämpfen. Auch Heidi Morger vom Samariterverein Höngg macht das grosse Freizeitangebot verantwortlich. Zudem, so Morger, seien die jüngeren Mütter – und genau diese fehlen dem Verein – meist berufstätig und hätten keine Zeit mehr, um abends noch an einer Übung teilzunehmen. «Das Vereinsleben ist nicht mehr attraktiv, man möchte sich nicht mehr ‹binden›», konstatiert die Samariterin und fügt an: «Ja, und wir sind alle alt und stricken während dem Postendienst! Das ist wohl so ein altes Bild vom Samariterverein.» Um neue Aktive zu werben, wurden zum Beispiel Kursprogramme verteilt oder am Meierhofplatz öffentlich Reanimationsübungen geübt. Guido Osio vom Schachclub fasst das Problem mit «Fehlender Nachwuchs und Überalterung der Mitglieder» zusammen. Andere kleinere Schachklubs würden mit denselben Probleme kämpfen und einige hätten sich deshalb zusammengeschlossen: «Die grossen Schachclubs mit mehr als 120 Mitgliedern kennen keinen Mitgliederschwund, sie können auch geeignetes Personal für Grossanlässe zur Verfügung stellen und so auch Gönner und Sponsoren einbinden.» Derweil betreiben die Höngger am Wümmetfäscht einen Stand, an dem sie mit Interessierten Schnellschach spielen. Weiter betreuen sie die Jugendschachkurse an der ETH Hönggerberg und organisieren jährlich das öffentliche «Grünwald-Open». «Eine gute Quelle ist jeweils der Grundkurs, den wir zirka alle zwei Jahre durchführen», sagt Susanne Ruppen vom Natur- und Vogelschutzverein Höngg (NVV), dessen Zahlen trotz vielen öffentlichen Aktivitäten ebenfalls nach unten zeigen. «Eigentlich sollte man jedes Jahr mit einer Standaktion Mitglieder werben», fügt die Präsidentin an. Doch man wolle die begrenzten Ressourcen in erster Linie für aktiv betriebenen Naturschutz einsetzen. Der 1923 gegründete Radfahrerverein, der im Schweizer Radsport einen traditionsreichen Namen hat, nennt «Infrastrukturgründe» für sein geschrumpftes Fahrerfeld: «Velorennfahren ist ein schweres Pflaster in der Stadt Zürich», schreibt Dr. Guido Bergmaier. «Die Verkehrsverhältnisse und das Training jede Woche bei jedem Wetter sind für junge Menschen und Schüler heutzutage einfach zu hart.» Einen grösseren Mitgliederschwund musste der Verein vor zehn Jahren verzeichnen, als die Beiträge für den Schweizerischen Verband rasant erhöht wurden. Leicht steigende Zahlen meldet der Verschönerungsverein Höngg, doch auch hier schreibt Eva Oswald: «Unser Mitgliederbestand kann nur dank den vielen persönlichen Kontakten des Vorstandes und dem aktiven Werben für Neumitglieder am Neuzuzüger-Anlass und Wümmetfäscht gehalten werden. Wie in so vielen anderen Vereinen sterben uns die alten und treuen Mitglieder langsam, aber sicher weg.»

Angebote der Zeit und den Bedürfnissen anpassen

Pragmatisch betrachtet Edith Erni vom Frauenverein die steigenden Zahlen: «Wir haben unsere Angebote der Zeit und den offensichtlichen Bedürfnissen angepasst.» So betreibt der Verein an verschiedenen Orten Mittagstische für Schulkinder oder organisierte erfolgreich den ersten «Bring-und-Hol-Tag» im Quartierzentrum. Doch man hat auch zu einem kleinen «Trick» gegriffen: Wer immer die Dienstleistungen des Frauenvereins beansprucht − in der Gebühr für die Babysittervermittlung oder den Mittagstisch beispielsweise ist die Mitgliedschaft gleich inbegriffen. «Dies hat uns viele jüngere Leute und auch Familien als Mitglieder gebracht. Natürlich hoffen wir, dass die Leute bleiben, auch wenn sie unsere Dienstleistungen für die Kinder nicht mehr benötigen», erklärt Erni die innovative Strategie. Das Wohnzentrum Frankental erklärt sich seine positiven Zahlen mit den vielen Mitgliederanlässen, die immer sehr gut besucht werden. Auch seien die Vorstands- und Betriebskommissionsmitglieder sehr aktiv und da viele von ihnen in Höngg sehr gut verankert sind, bringe dies auch viele neue Mitglieder.

Junge haben Zulauf

Über schnell steigende Mitgliederzahlen freuen sich aber vorab junge Vereine wie der im Jahr 2000 gestartete Verein der Bierfreunde. Roger Böni will dies jedoch nicht überbewerten: «Nach der Startphase blieben die Zahlen grösstenteils stabil.» Aktuell pflegt der Verein mehr den persönlichen Austausch mittels verschiedenen Anlässen und Ausflügen. Man sei aber am Analysieren der Situation und werde sich möglicherweise wieder mit öffentlichen Veranstaltungen wie dem Bier-Festival zurückmelden. Präsenz ist die beste Werbung, das sieht auch Paolo Liistro vom Eltern- und Freizeitclub Rütihof so: «Der wachsende Bekanntheitsgrad ist durch die verstärkte Bindung der Kinder an die verschiedenen Anlässe wie den Bau der Rütihütten zu erklären. Auch die gute Zusammenarbeit mit dem Quartiertreff Rütihof unterstützt dies.» Ein gar überregionales Einzugsgebiet hat der Jazz Circle Höngg, dessen Anlässe in der Gartenschüür des Restaurants Grünwald regelmässig voll besetzt sind, wie Miroslav Steiner sagt: «Über unsere Tätigkeit wird nicht nur in Jazzkreisen gesprochen, was die beste Werbung ist.» Der Verein gibt ein Jahresprogramm heraus, das in Läden aufgelegt wird, die sich an den Druckkosten beteiligen und somit den Jazz Circle unterstützen. Ein Fazit aus allen Angaben ist schwer zu ziehen. Tatsache bleibt sicher, dass dem traditionellen Vereinswesen das grosse Freizeitangebot zu schaffen macht – und dass nur attraktive Vereine, die öffentlich in Erscheinung treten, eine Zukunft haben.

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