Widerstand und Zustimmung 

Der geplante Abbau von 219 Parkplätzen der Blauen Zone zugunsten der Velovorzugsroute sorgt für Diskussionen. Drei Stimmen aus dem Quartier bilden die aktuelle Kontroverse ab.

Diese Parkplätze an der Riedhofstrasse könnten der bereits markierten Velovorzugsroute weichen. (Foto: dad)

Die Stadt Zürich stellte Mitte Juni ihre Pläne für die neue Velovorzugsroute in Höngg vor. Diese soll auf 3,8 Kilometern von der Stadtgrenze über die Riedhofstrasse in die Ackersteinstrasse bis ans Ende von Im Sydefädeli führen. Die Pläne sind das Resultat der Volksinitiative «Sichere Velorouten für Zürich», die vor anderthalb Jahren mit mehr als 70 Prozent der Stimmen angenommen wurde. Für die Umsetzung müssen die Verkehrsvorschriften geändert werden: 219 Parkplätze der Blauen Zone sollen aufgehoben werden. Bei der Riedhofstrasse werden sämtliche 107 Parkplätze gestrichen, in der Ackersteinstrasse würden 80 von 114 Plätzen wegfallen. Im Sydefädeli wiederum sollen alle 32 Parkplätze verschwinden (die Höngger Zeitung berichtete). Gegen diesen Abbau regt sich Widerstand.

Die Einsprache konnte innerhalb der Auflagefrist erhoben werden. Nach Informationen der Höngger Zeitung unterstützten der Gewerbeverband der Stadt Zürich, der Hauseigentümerverband Zürich sowie zwei Vertreter der SVP Zürich Kreis 10, Kantonsrat Christoph Marty und Gemeinderat Johann Widmer, die Anwohner*innen, welche im eigenen Namen für ihre Parkplätze einstehen wollen. Die genannten Verbände haben einen Rechtsanwalt beauftragt, um die Einsprachen zu koordinieren. Ebenfalls übernehmen beide Verbände die Kosten.

Es wird sich zeigen, welche Konsequenzen diese Unterstützung bringen wird. Die Redaktion der Höngger Zeitung erhielt bislang einige Zuschriften. Drei Stimmen aus dem Quartier bilden die aktuelle Kontroverse ab.

Die Parkplätze werden gebraucht

Heiner Kubny, der an der Ackersteinstrasse lebt, sieht die Pläne der Stadt Zürich für die Velovorzugsroute kritisch. «Unsere Strasse hat viele ältere Häuser ohne Garagen. Viele Bewohner*innen dieser Strasse dürften Probleme erhalten, wenn sie ihre Fahrzeuge nicht mehr parkieren können», so Kubny. Er stellt zudem die Frage, wo denn zukünftig die die Besucher*innen oder Handwerker*innen parkieren sollen. Auch die gesamte Route überzeugt ihn nicht. «Der Beginn am Westende der Riedhofstrasse finde ich suboptimal und dürfte nur von Anwohnenden dieser Strasse benützt werden. Welcher Velofahrer fährt vom Frankental zuerst die rund 700 Meter den Berg hoch, um dann die Veloroute zu erreichen?» Die Radfahrer*innen würden sich eher für die Limmattalstrasse, die Winzerstrasse oder Am Wasser entscheiden. Radfahrer*innen vom Grünwald herkommend, dürften aus Sicht von Kubny die Regensdorferstrasse bevorzugen. «Die Route über den Meierhofplatz ist zudem verkehrstechnisch ungünstig, da dort schon heute zu viel Durchgangsverkehr herrscht.»

Kubny hält fest, dass er nicht per se gegen eine Velovorzugsroute ist, er achte das Abstimmungsergebnis. «Es war damals aber nicht ersichtlich, welche Auswirkungen das Resultat für einen grossen Teil der Bevölkerung haben wird.» Es könne nicht sein, dass zugunsten einer Gruppe von Verkehrsteilnehmenden eine andere massiv benachteiligt werde, so Kubny. 

Das Sankt-Florian-Prinzip

Eine andere Sichtweise vertritt Christian Goldhahn, der an der Riedhofstrasse wohnt. Er ist passionierter Velofahrer und die geplante Velovorzugsroute ist schon heute seine bevorzugte Strecke, wenn er sich zum Meierhofplatz und in die Innenstadt begeben will. «Diese Route bietet sich in meinen Augen aufgrund mehrerer Aspekte an. Die kleinen Quartierstrassen sind weniger befahren und man muss auf dieser Route nicht auf Tramschienen oder Busse achten», sagt Goldhahn. Zumal kommen die Riedhofstrasse und Im Sydefädeli ganz ohne Steigung aus, bei der Ackersteinstrasse sei diese moderat. «Dadurch ist diese Route in meinen Augen der natürliche und auch schnellste Weg für Velofahrer*innen von Höngg in die Stadt und zurück.» Die Pläne der Stadt würden diese Strecke noch sicherer machen. «Durch den Abbau von Parkplätzen können die sogenannten Dooring-Unfälle vermieden werden, die sieben Prozent der Unfälle zwischen Velos und Personenwagen ausmachen», sagt Goldhahn. Von einem «Dooring»-Unfall spricht man, wenn Radfahrende von einer geöffneten Tür eines Fahrzeugs erfasst werden.

Die aktuelle Kritik am Parkplatzabbau folgt in Goldhahns Augen einem Muster, das in vielen Debatten häufig anzutreffen sei. «Man realisiert, dass Veränderungen zeitgemäss werden, stimmt diesen auch zu, allerdings möchte man persönlich nichts von dieser Veränderung merken und schon gar nicht seine eigene Art zu leben hinterfragen.» Ein Muster, dass auch den Namen Sankt-Florian-Prinzip trägt, wie er anfügt. «Es ist wichtig, diese Kritik einzuordnen und sie den tatsächlichen Begebenheiten gegenüberzustellen», erklärt Goldhahn weiter. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass eine «laute Minderheit» die Mehrheitsmeinung vertritt.

Ein Kompromiss

Wenn es um die Ackersteinstrasse und Im Sydefädeli geht, könnte der Abbau von insgesamt 112 Parkplätzen zumindest teilweise verhindert werden. Dieser Ansicht ist Joachim Schultheiss, Anwohner der Strasse. Aktuell macht er sich für einen möglichen Kompromiss stark. «Eines ist klar, der Wandel lässt sich nicht mehr aufhalten und die Velorouten werden kommen. Dennoch ist der Abbau der Parkplätze für viele Anwohnende gravierend», sagt Schultheiss. Er schlägt daher vor, die bergseitigen Parkplätze an der Ackersteinstrasse aufzuheben, hingegen jene auf der anderen Seite zu belassen.

Und nicht nur das: «Mit einer Verschiebung der Markierung der talseitigen Parkplätze um einen halben Meter würde zusätzlich Platz für die Velovorzugsroute geschaffen werden.» Die Trottoirbreite würde nicht beeinträchtigt werden, da im Bereich der Bäume diese bereits eingeschränkt sei. «Dadurch hätte die Strasse eine neue durchgehende Breite von 5,5 Metern und das erfüllt die Vorgaben für die Velovorzugsroute», so Schultheiss. Mit dieser Lösung würden die meisten blauen Parkplätze an der Ackersteinstrasse erhalten bleiben, ist er sich sicher.Schultheiss stellte seine Lösung bereits an einem Treffen mit seinen Nachbar*innen vor, die Resonanz war durchwegs positiv. Auch hat er seinen Vorschlag dem Hauseigentümerverband Zürich vorgelegt. «Ich hoffe, dass wir alle gemeinsam eine verträgliche Lösung für die Velovorzugsroute und den Erhalt von Parkplätzen finden werden», sagt Schultheiss. Damit spricht er vielen Höngger*innen aus der Seele.

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