«Wichtige Beziehungen überleben alle Wechsel»

Martin Günthardt ist in Höngg als Musiker und vor allem als Jugendpfarrer beliebt. Nach elf Jahren zieht es ihn an einen neuen Ort. Unter dem Titel «Mit dem ­Herzen singen!» feiert er am 7. Juli einen letzten Gottesdienst in Höngg.

Martin Günthardt vor dem Pfarrhaus bei der reformierten Kirche. (Foto: dad)

Die Zimmer im zweiten Stock des Pfarrhauses neben der reformierten Kirche sind fast leer. Eine Gitarre steht noch da, ein Fernseher ebenso.

Noch ist die Wohnung das Zuhause von Pfarrer Martin Günthardt, aber die Zeichen stehen auf Aufbruch: Günthardt, der vor elf Jahren nach Höngg kam und seit 2019 für den Kirchenkreis zehn im Amt ist, widmet sich ab Juli einer neuen Gemeinde.

Gemeinsam mit seiner Frau Jaqueline und dem Dackel Belinha zieht er nach Zollikon. Für die «Höngger Zeitung» blickt der Jugendpfarrer, wie er gerne genannt wird, zurück und nach vorne.

Martin Günthardt, über ein Jahr­zehnt waren Sie hier tätig. Gleichzeitig haben Sie auch hier im Pfarrhaus gelebt. War das sehr intensiv?

Martin Günthardt: Ich kenne das nicht anders, sei es als Pfarrer oder als Musiker. Für mich gab es immer den einen Wohn-, Übungs- und Wirkungsraum. In anderen Worten: Wohnen, Leben und Kreativsein sind eine Einheit für mich.

Das hört sich nach der perfekten Situation an. Dennoch wechseln Sie zu einer anderen Gemeinde. Weshalb wagen Sie den Neustart?

Ich spüre tief in meinem Herzen, dass ich an einem anderen Ort neu beginnen will. Mein Beruf als Pfarrer macht das möglich, das ist ein Privileg. Die Situation ist nicht neu für mich: Vor meiner Zeit in Höngg war ich zehn Jahre für den Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund in Argentinien tätig. Dort war ich Pfarrer in einer Schweizer Kolonie und habe die Gemeinde und die soziale Arbeit unterstützt. Heute, mit 52 Jahren und rund einem Jahrzehnt in Höngg, ist die Zeit reif, um nochmals neue Beziehungen aufzubauen und erneut etwas zu gestalten. Darauf freue ich mich sehr.

Wo werden Sie künftig als Pfarrer tätig sein?

Ich werde in Zollikon und Zumikon arbeiten. Es war mein Wunsch, eine kleinere Struktur und somit eine kleinere Gemeinde zu finden. Dennoch ist es auch ein urbanes Umfeld, das ist mir ebenfalls wichtig. Die Gemeinde dort hat ein reiches kulturelles Leben und ich kann weiterhin mit Menschen zusammenarbeiten. Den Schwerpunkt Jugend und junge Erwachsene behalte ich bei.

Die Musik ist ein prägendes Element in Ihrem Leben. Warum wurden Sie nicht Musiker?

Das ist mein Weg, ich wurde ein musizierender Pfarrer. Ich studierte Musik, war lange ein freischaffender Musiker, der aber vielen pädagogischen Projekten nachging. Gleichzeitig wurde ich mit der Konfirmation «kirchlich sozialisiert», wie ich es formuliere. Ich engagierte mich in vielen Jugendprojekten der Kirche. Mit 30 Jahren traf ich schliesslich die Entscheidung, künftig als Pfarrperson zu wirken. In diesem Umfeld konnte und kann ich die Musik ebenfalls einsetzen. Sie ist ein wichtiger Schlüssel zu den Menschen, egal ob beim gemeinsamen Musizieren oder im Gottesdienst.

Wie beschreiben Sie die Musik heute?

Musik wirft spirituelle Fragen auf. Ich kenne keine andere musikschaffende Person, der es anders gehen würde. Musik hat etwas Unverfügbares. Du weisst nie, ob sie dich und die Zuhörenden erreicht. Als Jazzmusiker bedeutet mir die Improvisation viel. Gerade da wird klar, ob der Funke auf das Publikum überspringt. Ähnlich verhält es sich auch mit dem Glauben, auch er liegt nicht in unserer Hand.

Wie wird Ihnen Höngg in Erinnerung bleiben?

Mir ist wichtig zu erwähnen, dass ich meinen Weggang nicht als Abschied sehe, sondern als Aufbruch. In Höngg konnte ich mit den vielen Jugendlichen und Familien in Kontakt treten. Höngg ist ein sehr lebendiges und kreatives Quartier. Davon durfte ich ein Teil werden. Das Gemeinschafts- und Dorfgefühl hier schätze ich sehr.

Sie werden also gerne für einen Besuch zurückkommen?

Natürlich! Wichtige Beziehungen überleben alle Wechsel, das habe ich auch bei meiner Rückkehr von Südamerika erlebt. Noch heute pflege ich diese Kontakte. Das erhoffe ich mir auch von Höngg. So geht das Leben weiter und ich hoffe, die Leute in Höngg freuen sich ebenfalls, wenn ich wiederkomme.

Sie werden mit einem Gottesdienst verabschiedet, den Sie selbst gestalten. Was werden Sie darin bieten?

Es ist kein Gottesdienst für mich, sondern einer, den ich zusammen mit dem Pfarrteam und liebgewonnen Menschen aus der Gemeinde gestalte, um nochmals miteinander zu feiern. Ich will darin aufzeigen, was in der Kirche alles möglich ist und wie man einen Gottesdienst gestalten kann, der möglichst viele Menschen berührt.

Danke, Martin Günthardt, wir wünschen Ihnen alles Gute.

Gottesdienst: Mit dem Herzen singen!

Sonntag, 7. Juli, 10 Uhr
Predigt: Martin Günthardt
Musik: Spirit Band, Janet Dawkins und Ralph Zöbeli
Orgel: Tamar Midelashvili Good
Mit anschliessendem Apéro riche

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