Quartierleben
«Wer isch dä Fisch?»
Anfangs 2009 berichtete der Höngger über einen Quartierbewohner, der anonym bleiben wollte und stilisierte Hechte sprühte – aber nur auf legale Weise. Nach sechs Jahren lüftet Miles Koeder, wie er sich nennt, das Geheimnis um seine Person: Michael Glauser erzählt von seiner Hecht-Faszination.
11. August 2015 — Redaktion Höngger
«2005 bin ich von Lüscherz am Bielersee, einem Dörfchen mit rund 400 Menschen, nach Höngg gezogen. Sozusagen vom See an den See – nur, dass Lüscherz wirklich direkt am See liegt», erzählt der 39-jährige Michael Glauser, der sein Projekt «Koeder» jahrelang nur unter dem Pseudonym Miles Koeder verbreitete. «Ich war ein richtiger Seebub, half den Berufsfischern auf ihren Booten, um mein Sackgeld aufzubessern und stickte schon als kleiner Junge auf einen Waschlappen einen Fisch – auch wenn der noch nicht wie ein Hecht aussah», so der Künstler, der als Anwalt arbeitet, und für den «Koeder» seit 2005 sein grosses Hobby ist.
Schulzeugnisse? Alle weg. Fischzeichungen? Alle da.
Am und auf dem Bielersee aufgewachsen, begleiteten ihn Fische schon früh – heute fischt er nicht mehr. «Am meisten faszinierte mich der Hecht, da er der König der Raubfische ist. Dank meinen kunstbegeisterten Eltern kam ich schon früh zum Zeichnen. Ob mit Neocolor-Wachsstiften oder in der Schule mit einem Linoleum-Stempel: Bei mir waren meistens Fische das Sujet. Zeugnisse meiner Schulzeit habe ich lustigerweise keine mehr, aber Fischzeichnungen en masse», so Michael Glauser lachend.
Wie ein roter Faden ziehe sich seine Hecht-Begeisterung durch sein Leben. «Während ich ein Stage in einer Anwaltskanzlei absolvierte, welche auf Markenrecht spezialisiert war, dachte ich mir, bei dem ganzen Markenkult, den es seit Jahren gibt, könnte man doch mal ein Logo ohne Produkt lancieren: Mein Hecht selbst, den ich «Koeder» taufte, ist das Produkt. Irgendwann begann ich mithilfe einer Schablone, stilisierte Hechte zu sprühen – überall da hin, wo die Leute einen Hecht wollten. Bald sah man in Beizen, Bars und Clubs in der Region Biel meine «Koeder» an den Wänden. Es gab «Koeder»-Performances, WG-Parties und auch Statuen. In Zürich fand man den ersten «Koeder»passend im Theater Am Hechtplatz.»
«Koeder»-Hecht soll viele Meilen schwimmen
Plötzlich sei ihm der Hype fast etwas zu gross geworden: «Einen «Koeder» zu haben war plötzlich nichts Spezielles mehr.» Und was bedeutet das Pseudonym «Miles Koeder»? «Dass der Hecht namens «Koeder» viele Meilen in Freiheit schwimmen soll – und so ist es mittlerweile. Die Hecht-Kleber, die man über meine Website bestellen kann, kleben beziehungsweise schwimmen inzwischen weltweit. Die Kunden schicken mir davon oft Fotos, welche ich dann auf meine Website oder auf Facebook stelle.»
So sei eine richtige «Koeder-Community» entstanden. Treffe man auf einen der bis jetzt rund 4‘000 «Koeder»-Kleber oder eines der gut 1‘300 Graffito, so spreche man sich sicher an und trinke nicht selten etwas zusammen. «Festhalten möchte ich, dass der «Koeder»-Hecht überhaupt nichts Religiöses an sich hat – er hat nichts mit den Fischchen zu tun, die sich manche Leute an ihr Auto kleben.»
Wer kauft sich den Hecht? «Leute, denen es gefällt, ein Logo einer Marke zu besitzen, hinter der sozusagen keine Produkte stehen und lustigerweise vor allem Menschen ab 40 Jahren», so «Miles Koeder», der sich ab jedem «Koeder»-Hecht freut, den er sieht.
Heute kreiere er «keine freakigen Installationen» mehr, sondern zeichne öfters «Koeder»-Hechte. «Ich will mit möglichst wenigen Linien möglichst viel erreichen. Das Reduzieren fasziniert mich. Da die Wünsche nach anderem ausser Klebern und Graffito aber immer grösser wurden, gibt es auf Bestellung Fingerringe, Schlüsselanhänger, T-Shirts und Aufnäher.» Auch einige Hechte als Tätowierungen sind entstanden. «Lustigerweise bei Leuten über 30. So schenkte sich etwa ein Kunde zum 60. Geburtstag ein «Koeder»-Tattoo, und seiner Frau schenkte er zum 50. Geburtstag einen Gutschein dafür …»
Geld prägen im Cabaret Voltaire
Zurzeit kann man sich im Cabaret Voltaire an der Spiegelgasse 1 in Zürich sein Geld mit einem «Koeder» prägen lassen – kostenlos und legal, denn Michael Glauser findet, dass der Hecht «im Geld schwimmen soll», schliesslich sei dies ein alter Spruch, und so ein geprägtes «Nötli» in der Hand zu halten, sei doch nicht alltäglich.
Seltsamerweise seien in Höngg, wo er durch einen Arbeitskollegen, der ihm den «Höngger» mitbrachte, eine Wohnung fand, kaum «Koeder»-Hechte anzutreffen. «Das ist völlig ok so, ich muss nicht überall um mich herum «Koeder» antreffen», so Michael Glauser, der gerne im Quartier wohnt, weil es doch etwas ländlich sei. Ein grosser Gegensatz zum Primetower im quirligen Kreis 5, in dessen Nähe er arbeitet. «Höngg bietet eine hohe Lebensqualität, ein eigenes Schwimmbad, super Verkehrsanbindungen und nicht zuletzt das Gefühl, in einem Dorf zu sein – man grüsst sich auf der Strasse.» Je mehr sich die Welt globalisiere, umso wichtiger sei, dass man sich lokal öffne und dem Leben um sich herum hingebe.
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