Wenn sogar die Chriesi Sonnenbrand kriegen

Das Wetter hat einen enormen Einfluss auf die Ernte eines jeden Bauern, ein paar Grad mehr oder weniger können einen grossen Unterschied machen. Und nicht nur bei den Früchten.

Obst- und Weinbauer Daniel Wegmann zeigt den Besucher*innen, wie der Maikäfer als Nützling gegen Läuse auf den Apfelbäumen eingesetzt werden kann.
Ein Plätzchen im Schatten, ja nicht zu viel bewegen, lautete die Devise.
Trotz der Hitze lockte der Spielstand einige Kinder in den Garten.
Erstaunlicherweise nicht belegt war der grosszügige Pool.
Eben noch am Martin Cup, schon auf dem Obst- und Weinbau Hof der Familie Wegmann im Einsatz.
Die Band "Strumfrei" sorgte für gute Stimmung.
1/10

Am letzten Sonntag im Juni lud die Familie Wegmann zu ihrem traditionellen Chrisifäscht auf ihren Obst- und Weinbau-Hof. Dieses Jahr wähnte man sich zwischen den Reben und den vollen Kirschbäumen in südlichen Gefilden, ging aber immer dem Schatten nach, denn die 35 Grad waren nicht leicht zu ertragen. Entsprechend schwächer besetzt waren die Festbänke am Mittag, was der Motivation der Helfer*innen am Grill und an der Bar dennoch keinen Abbruch tat. Auch vergangenes Jahr war es heiss gewesen, doch die paar Grad über der 30er Grenze reichten dieses Mal offenbar aus, dass einige es nicht bis ins Frankental schafften.

Einblicke in eine sich ständig verändernde Welt

Dennoch versammelten sich um halb zwölf nicht wenige Interessierte um Daniel Wegmann und begleitete ihn auf seine Führung, dieses Jahr unter dem Gesichtspunkt Biodiversität und Nachhaltigkeit. Diese Führungen gehören mit zu den Höhepunkten des Chriesifäschtes. Man erfährt, wie das Jahr bislang gelaufen ist, welche Schwierigkeiten Frost oder grosse Hitze mit sich bringen, und mit welcher Vielfalt an Themen sich die Bauern auseinandersetzen müssen. Wegmann ist überzeugter Vertreter der Integrierten Produktion (IP), eine Bewegung, die sein Vater in den 70er-Jahren in Zürich mitbegründet hatte, als Reaktion auf den massiven, flächendeckenden Einsatz von diversen Pestiziden. Obwohl die IP den Einsatz von bestimmten chemischen Hilfsmitteln erlaubt, setzt auch Wegmann wo immer möglich auf natürliche Massnahmen. Das können mehltau- und schorfresistente Obstbäume sein, wie die der Apfelsorte Ladina, die sogar eine Feuerbrandtoleranz hat. «Mit solchen Sorten kann der Pflanzenschutzbereich natürlich reduziert werden, theoretisch», erklärt der Bauer. Denn die Natur ist auch nicht dumm und so hat sich der Schorfpilz bereits so weiterentwickelt, dass er die Resistenz durchbrochen hat. Wann immer möglich, versuche Wegmann mit Nützlingen zu arbeiten, also Insekten, die andere Insekten auf ihrem Speiseplan haben. Zum Beispiel mit Raubmilben, die Schädlinge fressen, und nach getaner Arbeit innerhalb des Betriebs «gezügelt» werden. Oder Maienkäfer, die auf den Apfelbäumen gute Blattlaus-Vertilger sind, und wenn satt, in den Reben nach neuer Nahrung suchen. Zwischen den Rebstöcken steht in jedem zweiten Streifen das Gras hoch, hier fühlen sich die Nützlinge wohl. «Das Resultat dieser Massnahme, die schon mein Vater eingeführt hat, ist, dass wir seit 2004 erst einmal ein Insektizid einsetzen mussten, und seit Betriebsbeginn erst insgesamt zweimal». Die grosse Knacknuss im Rebbau seien die Pilze und immer ein Thema sei die Kirschessigfliege.

Alles ist verbunden

Nach dieser kurzen Einführung kommt bereits der wohl beliebteste Teil der Führung: Der Besuch der Kirschbäume. Denn hier darf probiert werden. Für die Kirschen sei es nun etwas zu warm, sie würden «notreif», das heisst, innerhalb von drei Tagen wechselt die Farbe von gelbrosa zu schwarz. Wenn es zu schnell über 30 Grad heiss wird, geht die Pflanze in einen Schutzmodus, um sich gegen die Trockenheit zu schützen, und der Reifungsprozess verläuft nicht mehr optimal. Bei manchen Früchten hat sich die zur Sonne gewandte Seite etwas verfärbt: Sie haben einen Sonnenbrand. Dennoch sei es ein gutes Jahr für diese Früchte, die Qualität sei hoch, der Geschmack intensiv, erklärt Wegmann.
Auch wenn die Hitze etwas auf die Aufnahmefähigkeit schlägt, erhält man auf dem Umgang einige Denkanstösse, zum Beispiel, wenn Wegmann sagt, dass beim Versuch, möglichst natürlich zu produzieren, die Natürlichkeit aus dem Prozess rausgenommen wird. Oder dazu, welchen Einfluss man als Konsument*in eben trotzdem hat, wenn er oder sie sich entscheidet, auch im Winter Gemüse oder Früchte zu kaufen, das eigentlich keine Saison hat. Werten will er das nicht, aber als Zuhörer*in erinnert man sich schon daran, dass man in der Gemüseabteilung stand und sich dann halt doch für das gerade Rüebli und nicht das unrüstbare Wurzelding entschieden hat. Es gibt auch anschauliche Beispiele, wie alles miteinander zusammenhängt: Wenn die Vögel vermehrt von Menschen mit fetthaltigen Körnern gefüttert werden, ändert sich ihre Verdauung und entsprechend ihr Speiseplan. Sie gehen nun nicht mehr auf die reifen Äpfel, sondern auf die grünen, weil diese ihnen bei der Fettverdauung helfen. Diese Entwicklungen muss ein Bauer beobachten und schliesslich darauf reagieren.

Voll mit diesen Eindrücken geht es zurück auf den Hof, in den Schatten, wo bei Wurst und einem Glas des hofeigenen Weines, begleitet von den Klängen des Musikerduos «Sturmfrei» der Nachmittag noch ausklingen kann.

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