Wenn der Wein schmeckt, ist er gut

Nein, aller guten Dinge sind nicht drei, denn auch am dritten «Tag der offenen Weinkeller» zeigte sich der 1. Mai von seiner schlechtesten April-Wetter-Seite. Schön war’s trotzdem.

Im Wein- & Obsthaus Wegmann gibt es nicht nur köstliche Weine zu degustieren.
Urs Zweifel beobachtet den vollen Körpereinsatz beim Verkorken einer Weinflasche.
Machte gute Miene zum bösen Wetter: Winzer Nando Oberli vom Juchhof.
Fanden kaum noch Platz in der WeinArt Galerie: Der Musikverein Harmonie Zürich Oberstrass machten Stimmung.
Cédric Thévenaz von Zweifel Weine testet den Geschmackssinn der Gäste.
Vom Chillesteig aus hat man die schönste Aussicht. Wenn das Wetter stimmt.
Manche Zweige haben (scheinbar) überlebt, andere sind erfroren und braun.
Der Tag der offenen Weinkeller zog auch viele junge Interessierte an.
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«An unserem Menü müssen wir auf jeden Fall nichts ändern», meint Zarina Wegmann vom Wein- & Obsthaus Wegmann mit Blick auf die Bindfäden, die es draussen regnet, lachend. Das stimmt: Gulasch und Raclette, die in «Wägis Wychäller» serviert werden, passen hervorragend zu den winterlichen Temperaturen. Aber auch der hofeigene Weinbrand «Elexir» könnte einen von innen ein wenig wärmen, doch leider ist der Tag noch zu jung für Alkohol, und eigentlich wollte die Autorin dem süssen Wein so lange wie möglich entsagen. «So lange wie möglich» dauert genau zehn Minuten, nämlich bis Daniel Wegmann meint: «Also, man kann doch nicht an einen Winzeranlass gehen, ohne einen Wein zu degustieren». Also gut.

Frost macht allen zu schaffen

Im Hofladen sind gerade fünf junge Frauen daran, sich durch die verschiedenen Weissweine zu probieren. Interessiert unterhalten sie sich mit Daniel Wegmann über die Auswirkungen des Frosts, der in den letzten Wochen den Schweizer Bauern unruhige Nächte beschert hatte. Den Familienbetrieb hat es dieses Jahr hart getroffen: «Wir rechnen beim Obst mit einem Ausfall von 100 Prozent», erzählt der Landwirt. Man habe es mit einer Plastikabdeckung versucht, aber ein Grad Temperaturanstieg nütze bei minus 5,5 Grad leider auch nicht mehr viel. Das Ehepaar trägt es mit Fassung, obwohl man sich nicht ausmalen will, was diese Ertragseinbusse für den Betrieb bedeuten mag. Das traditionelle «Chriesifäscht» werden sie am ersten Sonntag im Juli aber dennoch durchführen, «wir feiern dann einfach mehr die Blätter als die Kirschen», meint Daniel Wegmann. Sie empfangen ihre Gäste mit einem Lächeln und offerieren ihnen ein Glas «Bijou» oder, wie im Fall der Autorin, ein Gläschen vom «Chouchou», dem aussergewöhnlichen Rosé mit der goldenen Farbe, der seinem Namen alle Ehre macht. Gerne wäre man noch etwas länger im lauschigen Hofladen geblieben, hätte sich durch das Sortiment degustiert und sich mit den Gästen unterhalten, die immer zahlreicher eintreffen. Doch es müssen noch drei weitere Gastgeber besucht werden.

Die neue Generation

Einer der schönsten Flecke in Zürich ist zweifellos der Rebberg am Chillesteig. Am Vorabend hatte das Team von Grün Stadt Zürich, das den Rebberg bewirtschaftet, zusammen mit zahlreichen Gästen noch die Aussicht auf die vom Sonnenuntergang rot beleuchtenden Berge hinter dem See geniessen können, heute reicht die Sicht kaum bis zur Limmat. Doch der 26 Jahre junge stellvertretende Leiter des Juchhofs, Robin Zimmer, und der noch jüngere Winzer, Nando Oberli, lassen sich die Laune nicht von ein paar Regentropfen verderben. Sie sind damit nicht alleine: Eine Gruppe Weinliebhaber lässt sich vom Winzer ausführlich die Vorzüge der verschiedenen Trauben erklären: Sechs Sorten wachsen an diesem Hang, zwischen vier und 45 Jahre alt sind die Rebstöcke. Der Chillesteig wurde vom Frost nicht verschont, an den Reben sieht man die braunen, abgefrorenen Blätter. «Der Ertrag wird sicher kleiner ausfallen», meint Robin Zimmer, «aber dafür fliesst die ganze Energie der Rebe in die verbleibenden Trauben, dadurch steigt deren Qualität». Natürlich bleibt die Arbeit für die betroffenen Landwirte dieselbe, die Reben wollen weiter gepflegt werden. Der Vorsatz, nur einen Wein pro Ort zu probieren, schwankt mit dem feinen Pinot Gris, den der gelernte Landwirt ausschenkt, und knickt mit dem Schluck Pinot Noir – «ohne den probiert zu haben, kann man nicht gehen» – ganz.

Waadtländer Charme in Höngg

Wo ist nur die Zeit geblieben? Bereits schlägt die Kirchenuhr viermal. Das WeinArt, das zugleich Weinlager, Galerie und Esszimmer sein kann, ist proppenvoll. Ein Wunder, dass die Musiker des Musikvereins Harmonie Zürich Oberstrass mit ihren Instrumenten noch Platz gefunden haben. Robert Zurbriggen, Experte für AlpenWeine und Mitbegründer der WeinArt, ging vor 45 Jahren aus Leidenschaft eine Liaison mit dem Wein ein, «letztes Jahr durfte ich den 20. Jahrgang meines eigenen Weines keltern», erzählt der Vinosoph stolz. Auch Freund und Langzeit-Gastwinzer Patrick Thalmann von der «Winzerei zur Metzg» ist da. Angefangen hatte er 2009 als Hobby-Weinbauer mit dem Ziel aus dem Pinot Noir einen Qualitätswein zu machen, gerade ist er dabei, sein Weingut im Zürcher Weinland einzurichten. Nach einem Schluck köstlich prickelndem Champagner und einem grossen Glas Wasser heisst es leider schon wieder «Au revoir et à bientôt».

In vino veritas

Im Zweifel Vinarium steht Chef-Önologe Urs Zweifel zwischen Etikettier- Maschine und einem manuellen Verkorkungsapparat und erklärt neugierigen Besucherinnen den Unterschied zwischen veganem und nicht veganem Wein. Ein Blick hinter die Kulisse offenbart eindrückliche Stahltanks, Holzfässer und Filtriermaschinen, die aussehen wie ein überdimensioniertes Hängeregister. Aber erst einmal soll die Autorin bei seiner rechten Hand und Weintechnologe Cédric Thévenaz einen Test machen: Es gibt zwei Chardonnays zu probieren, einer davon hat den biologischen Säureabbau gemacht, der andere nicht. Tja, in vino veritas, die Wahrheit ist: die Autorin hat es total vermasselt und wird es wohl nie zur Weinschmeckerin schaffen. Aber das ist zum Glück auch nicht nötig, denn das junge Team hat es ziemlich gut drauf, «so ein Tag wie heute ist auch schön, weil man genügend Zeit hat, auf die Fragen der Besucher einzugehen und ihnen einen richtigen Einblick zu gewähren», meint Thévenaz. Bei Urs Zweifel dürfen die Gäste schliesslich ihre eigene Assemblage mit einem Weiniger Pinot Noir Barrique 2014 und einem Remiger Regent aus dem Jahr 2015 kreieren. Ein junges Paar versucht, mit vollem Körpereinsatz die eigene Mischung zu verkorken, nicht ganz einfach. Auch die hauseigenen Reben kamen in den letzten Wochen zu Schaden, erzählt Urs Zweifel. «Für die Landwirte war es Zeit, dass es endlich regnet» – wenigstens jemand, der dem Wetter etwas abzugewinnen vermag. Wer weiss, vielleicht macht der «Höngger» nächstes Jahr auch frei am 1. Mai und geht ganz privat auf die Weinreise durch Höngg. Schön wär’s!

Weitere Informationen:
www.obsthaus-wegmann.ch
www.stadt-zuerich.ch/juchhof
www.weinart.ch
www.winzerei-zur-metzg.ch
www.zweifelweine.ch

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