Stadt
Wenn der Roboter die Kühe melkt
Die NahReisen-Veranstaltungen von Grün Stadt Zürich und der Migros sind seit 16 Jahren beliebt, weil sie einen an Orte führen, an denen man im Alltag gedankenlos vorbeigeht, oder sich Gedanken macht, aber nicht weiss, was hinter den Türen passiert. So wollten knapp 30 Besucherinnen und Besucher am 4. September den städtischen Bauernhof Juchhof besichtigen.
15. September 2015 — Redaktion Höngger
Zehn Landwirtschaftsbetriebe besitzt die Stadt Zürich, und der Juchhof ist der einzige, der nicht verpachtet ist. Er wird von städtischen Angestellten betrieben. Leiter des Gutsbetriebes ist Donat Streuli, der seit acht Jahren in Höngg wohnt: «Aufgewachsen bin ich auf der Rehalp im Quartier Hirslanden. Höngg war mir nur vom 13-er Tram bekannt, auf dem ‹Frankental› stand. Klar spazierten wir beim einen oder anderen ‹Familienschluuch› auch mal auf den Käferberg bis zum ETH Campus Hönggerberg, doch erst, seit ich mit meiner Familie in Höngg lebe, kenne ich das Quartier – und möchte es nicht mehr missen.»
Nicht Französisch gelernt, dafür, wie man «bauert»
Im Herbst 2007 übernahm er die Leitung des Fachbereichs Juchhof – ist er nun der «Chef-Bauer» auf dem städtischen Betrieb? «Als Bauer im herkömmlichen Sinn bezeichne ich mich nicht, denn die meiste Arbeitszeit verbringe ich im Büro auf dem Juchhof. Um die Tiere und um das Land kümmern sich andere städtische Angestellte.» Rund 18 Leute arbeiten auf dem Gutsbetrieb, darunter jeweils ein bis zwei Lernende und Landwirtschafts-Praktikanten.
Streuli, der gelernter Maschinenmechaniker ist, rutschte eher zufällig in die Landwirtschaftsbranche: «Nach vierjähriger Berufszeit wollte ich für eine Weiterbildung für ein paar Monate auf einen Bauernhof nach Frankreich, um Französisch zu lernen. Das konnte ich danach noch immer nicht wirklich, dafür hat die Landwirtschaft mir den ‹Ärmel reingezogen› und es wurde mir klar, dass mein Weg der landwirtschaftliche war. So absolvierte ich die landwirtschaftliche Ausbildung bis zum Meisterdiplom.»
Heute ist Donat Streuli Fachbereichsleiter des Gutsbetriebs Juchhof mit 170 Hektaren Land. Auf dem Hof werden 85 Milchkühe sowie rund 50 Rinder und Kälber, 420 Schweine und 20 Hühner gehalten. Weiter leben dort ein Pferd und zwei Ponys. Was früher IP, Integrierte Produktion, hiess, nennt sich heute ÖLN, Ökologischer Leistungsnachweis – so ist der Betrieb mit seiner Bewirtschaftung zertifiziert. Nebst der Milchwirtschaft und der Schweinemast werden je 30 Hektaren Weizen, Mais und Raps angebaut. Die Milch der Kühe wird auf dem Gutsbetrieb verarbeitet und an Spitäler, Altersheime und weitere Institutionen geliefert.
Viele Arbeiten ausserhalb des Juchhofes ausführen
Die Angestellten arbeiten aber nicht nur auf dem Juchhof selbst, sondern führen für Grün Stadt Zürich auf dem ganzen Stadtgebiet Grünflächen-Unterhaltsarbeiten aus. Dazu gehören etwa die Pflege von ökologischen Ausgleichsflächen und Bachufern, aber auch die Pflege von Sportrasen mit Spezialmaschinen auf rund 70 Fussballplätzen.
Die Stadt Zürich besitzt total rund 940 Hektaren landwirtschaftlich genutztes Land und ist somit immer noch eine der grössten «Bauerngemeinden» im Kanton.
Auch der Höngger Rebberg Chillesteig an prominentester Lage wird vom Juchhof bewirtschaftet, wo der Zürcher Stadtwein entsteht. Auf den 3,2 Hektaren stehen 24‘000 Rebstöcke, die immer wieder Paten suchen – bei Interesse kann man sich bei Grün Stadt Zürich melden. «Der Witz, dass dies der teuerste Rebberg der Stadt ist, stimmt sicher, würde man das Landwirtschaftsland als Bauland rechnen», so Donat Streuli schmunzelnd. Pro Jahr gibt es vom Chillesteig-Rebberg zwischen 20‘000 und 26‘000 Flaschen Wein.
Bauernhof steht Kindern offen
Der Juchhof steht Kindern offen: Laut Lukas Handschin, Kommunikationsbeauftragter bei Grün Stadt Zürich, soll jedes Stadtzürcher Schulkind während seiner Schulzeit einmal einen halben oder einen ganzen Tag im Wald oder auf einem Bauernhof verbringen können. In der Bauernhofschule arbeiten die Kinder auf dem Hof, füttern die Tiere und misten die Ställe aus. Sie lernen, wie viel eine Kuh frisst, und wie aus Korn ein Brot entsteht. Das Angebot der Naturschulen von Grün Stadt Zürich ist bei den Lehrkräften so beliebt, dass zwei, drei Wochen nach Bekanntmachung bereits alle Daten ausgebucht sind.
Von Kühen und einem Astronauten
An der Führung anfangs September, die unter dem Titel «Die Kuh und der Astronaut» die Besucher «gwundrig» machte, wurde nicht nur auf diese beiden Titel-Themen eingegangen, sondern über Landwirtschaft allgemein viel erzählt. In der «Bergeschüür» stehen Silos, zudem werden Unmengen an Heu «gebergt», worin sich die Besucherinnen und Besucher gleich niederliessen, um Donat Streulis Ausführungen zu lauschen. «Wir haben soviel Heu, dass wir den Überschuss sogar in Berggebiete verkaufen. Eine Kuh frisst pro Tag rund 60 Kilogramm Futter. Dazu zählen Heu, Grassilo und Mais, dann werden noch Viehsalz, Mineralstoffe und Sojatrester, ein Abfallprodukt aus der Tofuproduktion, beigemischt. Die Kuh ist ein wahrer «Bioreaktor» mit vier Mägen. Am besten geht es ihr, wenn sie im Liegen Wiederkäuen kann.» So sei es für die Kühe, auf dem Juchhof die Rasse Brown Swiss, wichtig, ein «tipptopp gepflegtes Bett» zu haben, das aus Stroh und Kalk zur Gewichtsdämpfung besteht, da Kühe rund 750 Kilogramm schwer sind.
Melkroboter schenkt den Kühen Wahlfreiheit
Anders als bis zum Jahr 2010 werden die Kühe nicht zweimal täglich zum Melken getrieben, sondern sie gehen zwei- bis dreimal pro Tag selbstständig zum «Astronaut», der nun ins Spiel kommt. So heisst nämlich der Melkroboter, an dem die Kühe oft Schlange stehen, um sich vollautomatisch melken zu lassen. «Sie machen dies gerne, weil sie belohnt werden und es anscheinend angenehm ist: Jede Kuh erhält während des Melkvorgangs, der ungefähr zehn Minuten dauert, Futter in die Krippe des ‹Astronaut› geschüttet und kann so bequem fressen und gemolken werden», führt Donat Streuli aus und zeigt den Melkroboter, in dem gerade ganz ruhig und entspannt eine Kuh steht. Kaum ist sie fertig, kommt die nächste. «Es gibt auch Schlaumeier, die gehen mehr als viermal zum Melkroboter, weil sie etwas zum Knabbern möchten. Doch abhängig von der bereits gegebenen Milchmenge – alles ist computergesteurt und wird kontrolliert – fällt dann kein Futter in die Krippe, und die Kuh geht gemächlich wieder von dannen.»
Während dem Melken wird die Kuh gewogen, die Körpertemperatur und die Anzahl der weissen Blutkörperchen werden gemessen sowie die benötigte Futtermenge. Rund 1700 Liter Milch geben die 85 Kühe pro Tag. Dies ist nur möglich, weil sie jedes Jahr ein Kalb gebären müssen: «Einen kleinen Teil dieser Kälber behalten wir hier und ziehen sie auf, der andere Teil wird geschlachtet», so der Betriebsleiter, der beim anschliessenden Apéro mit selbstgebackenem Brot und Hofmilch informierte, dass pasteurisierte Milch viel heikler in der Aufbewahrung als Rohmilch sei. «Der Trend geht dahin, die Haltbarkeit des Naturprodukts immer weiter zu verbessern – geschmacklich besser werden sie dadurch aber nicht.» Die Führungsteilnehmenden stimmten ihm vorbehaltlos zu.
Viehschau
Am Samstag, 26. September, von 10 Uhr bis etwa 14 Uhr, findet in Zürich-Albisrieden bei der reformierten Kirche die Viehschau Albisrieden statt.
Wümmetfäscht
Am Höngger Wümmetfäscht ist der Juchhof am Samstag, 26. und Sonntag, 27. September, mit dem Stadtwein, Bauernhoftieren, Live-Mosten und einer Festwirtschaft im Rebberg am Chillesteig anzutreffen. Alles über den Juchhof, einschliesslich Rebstockpatenschaften, findet man unter www.stadt-zuerich.ch/juchhof. Mehr zu den Naturschulen: www.stadt-zuerich.ch/naturschulen.
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