Wechsel an der Spitze der Zunft

Die Zunft Höngg hat einen neuen Zunftmeister: Dr. Hans-Peter B. Stutz ist nach fünf erfolgreichen Jahren zurückgetreten. Neu gewählt wurde am Hauptbott, der Generalversammlung der als Verein organisierten Zunft, Daniel Fontolliet, Inhaber der Drogerie Hönggermarkt. Der «Höngger» hat sich mit den beiden zu einem Gespräch getroffen.

Der alte und der neue Höngger Zunftmeister: Dr. Hanspeter B. Stutz (links) und Daniel Fontolliet auf der Treppe unterhalb der Kirche.

Interview: Fredy Haffner

«Höngger»: Dr. Hans-Peter B. Stutz, mit welchen Ambitionen sind Sie als Zunftmeister damals angetreten und was konnten Sie umsetzen?

Stutz: «Ich wollte die Zunft als integralen Bestandteil des Quartiers erhalten, die Nähe zu Höngg leben. Anlässe im Rahmen des 75-Jahr-Jubiläums, das ‹Räbluusfäscht›, Familienanlässe, Fussballturnier – speziell aber alle Auftritte zusammen mit unserem Zunftspiel, dem Musikverein Zürich-Höngg, der wunderbar durch Höngg vernetzt. Wir sind sehr quartierorientiert, da unterscheiden wir uns stark von anderen Zünften, selbst Quartierzünften, die ausgeprägt stadtorientiert sind. Höngg hat sich immer etwa abgegrenzt.»

Welchen zeitlichen Aufwand nimmt man als zukünftiger Zunftmeister auf sich?

Daniel Fontolliet: «Soll ich kurz raus?» (Gelächter)

Stutz: «Ist vielleicht besser. Daniel wird nun Dutzende von Briefen bekommen, in denen steht: Man sagte dir, es sei fast kein Aufwand, aber…»

Fontolliet: «Ein Zunftmeister sagte mir, es sei wesentlich schlimmer als alles, was mir Hans-Peter je erzählt habe – doch auch wesentlich befriedigender.»

Stutz: «Wenn man überall teilnimmt, dann ist das etwa ein Anlass pro Woche. Das ist aber nicht der Punkt, denn das kann man steuern. Was mehr beansprucht ist, dass man plötzlich für 120 Mann der Zunft die direkte Ansprechperson ist. Das Zweite sind die Reden, die man vorbereiten muss, um zum Beispiel Ehrengäste zu begrüssen. Auch die Reden, die man als Gast bei anderen Zünften halten muss, und auch die Gegenreden am Sechseläuten, der Weinprobe und am Rechenmahl brauchen eine seriöse Vorbereitung.»

Sie sprachen gerade die Ehrengäste an. Nach welchen Kriterien werden diese ausgesucht?

Stutz: «Ich führte die Tradition weiter, die besagte: ein Präsident oder eine Präsidentin eines Höngger Vereins, jemand aus dem Stand Zürich – politisch, wirtschaftlich oder kulturell – und einen anderen Zunftmeister. Der Rest setzt sich zusammen aus persönlichen Verbindungen oder Vorlieben. Bei mir waren das oft Personen aus meinem beruflichen Umfeld.»

Haben Sie, Herr Fontolliet, jemanden auf Ihrer Liste, den Sie gerne zu Gast 

Fontolliet: «Ich möchte einfach einen lebendigen Mix aus Politik, Kultur und Sport. Mir geht es um Persönlichkeiten, die eine Bereicherung sind und sich einbringen. Wir haben innerhalb der Zunft ein hervorragendes Beziehungsnetz, das mir Zugang zu vielen Persönlichkeiten verschafft.»

Schätzen die Zünfter die Qualität dieser Gäste?

Fontolliet: «Ja, diesen Eindruck habe ich.»

Stutz: «Das Schöne an der Zunft ist ja, dass man diese oft prominenten Gäste in einem geschützten Rahmen von einer ganz anderen Seite kennen lernt. Die Öffentlichkeit bleibt ja ausgesperrt, und das ermöglicht eine Offenheit, die manchmal gar Vorurteile abzubauen vermag. Ich erinnere mich da speziell an Stadträtin Esther Maurer, die von einigen mit Skepsis empfangen worden war, dann aber alle positiv überraschte. Wenn man das erreicht, so ist das ein Gewinn für beide Seiten.»

Fontolliet: «Und die Gäste dürfen auch polarisieren! Es muss nicht immer alles auf der Linie der Zunft sein, es soll auch dazu anregen, andere Sichtweisen kennen zu lernen. Ich selbst schätze dies sehr und wurde selbst schon oft überrascht.»

Die Gäste werden mit Reden be­grüsst und halten dann eine Gegenrede. Welches, Herr Stutz, war Ihr hartnäckigster Gegner und welchen «fürchten» Sie, Herr Fontolliet?

Stutz: «Das sind zwei Dinge. Grundsätzlich hat man als Zunftmeister den Auftrag, den Harst (die eigenen Zünfter, Anm. der Red.) zu unterhalten, dessen sind sich alle Gäste bewusst, da spannt man zusammen. Mit ‹hartnäckigen› Redegegnern» wird man vor allem bei den Besuchen durch die anderen Zünfte auf der Stube am Sechseläuten konfrontiert. Und da weiss man nie, wer einen besucht. Das kann hart sein. Am meis­ten heizte mir der Saubannerzug der Jungzünfter letztes Jahr ein: Morgens um 2 Uhr, als ich bereits dachte, es sei alles vorüber, brachte der Saubannerzug nochmals 100 Leute auf die Stube…

Fontolliet (lacht): «…und ein Loch ins Sechseläutenbudget…»

Stutz: «…und die beiden Redner haben hoch motiviert auf den Tisch gehauen, einfach brillant.»

Fontolliet: «Der Saubannerzug für nächstes Jahr ist bereits ange­kündigt, ich werde mich zu wappnen versuchen und ihnen das gewünschte ‹Panem et circenses›* liefern.»

Stichwort «Frauen in der Zunft»?

Stutz: «Das ist etwas kurz gefragt…»

Also gut: Nimmt die Zunft Höngg irgendwann auch Frauen auf? Und wie äussern Sie sich zur «Frauenzunft», der Gesellschaft zu Fraumünster?

Stutz: «Wir haben im Rahmen des Jubiläums eine Gruppe ‹2009 plus› ins Leben gerufen, die sich auch mit den Aufnahmekriterien der Zunft Höngg befasst. Darin ist das Thema Frauen aufgegriffen worden. Da liegen ers­te Vorschläge vor, die am nächsten Frühlingsbott den Höngger Zünftern vorgestellt werden. Parallel dazu hatten die Zürcher Zunftmeister bereits beschlossen, dass die Gesellschaft zu Fraumünster am nächsten Sechseläuten – einmalig – als Gast im Zug der Zünfte mit dabei sein wird. Gleichzeitig haben die Zunftmeister den Vorschlag eingebracht, alle Zünfte darüber abzustimmen zu lassen, ob man der Gesellschaft zu Fraumüns­ter zukünftig den Status eines ständigen Gastes zugestehen wolle.»

Ist dieser Status «ständiger Gast» nicht lächerlich? Warum nimmt man die Gesellschaft zu Fraumünster nicht gleich im Zentralkomitee der Zünfte Zürichs richtig auf?

Stutz: «Das entspricht derzeit gar nicht deren Ambitionen. Sie würden sich einfach freuen, wenn ihr Wirken estimiert würde und sie am Umzug teilnehmen dürften. Das mag sich eines Tages zwar ändern, aber dann bräuchte es zuerst eine Göttizunft, die das Vorhaben unterstützt, und danach müssten vier Fünftel der Zünfte der Aufnahme zustimmen.»

Daniel Fontolliet, auf was freuen Sie sich besonders in Ihrem neuen Amt?

Fontolliet: «Darauf, so viel wie möglich zu erhalten von dem, was wir heute an Gutem haben. Ich will nicht alles auf den Kopf stellen. Einige Elemente, zum Beispiel die Jungzünfter, möchte ich aber besser einbinden. So, dass für sie das Zunftleben nicht nur aus den feierlichen Anlässen besteht, sondern auch eine Plattform bietet, um sich auszutauschen. Zudem möchte ich Zeit und ein Ohr für all diejenigen Zünfter haben, welche aus gesundheitlichen Gründen oder altershalber nicht an unseren Anlässen teilnehmen können. Wir haben uns bereits organisiert, werden jedoch noch vermehrt Anstrengungen unternehmen,  um diese Personen regelmässig zu besuchen.
Überdies ist mir der Bezug zu Höngg essentiell. Wir haben jetzt die besondere Situation, dass ich und meine Frau täglich im Quartier präsent sind – insbesondere meine Frau ist im Kontakt mit den Menschen hier. So gesehen ist es sehr wertvoll und wichtig, eine Partnerin zu haben, welche die Sache mitträgt und ab und zu auch kritisch beurteilt. Das habe ich auch bei Hans-Peter gesehen: Marianne hat insbesondere für die Zunftfrauen sehr beliebte Anlässe organisiert und meine Frau wird diese Tradition weiterführen.

Stutz (lacht): «Daniel, ich freue mich auf die nächsten zehn Jahre mit dir als Zunftmeister.»

Das wirft die Frage nach Ihrer Amtsdauer auf…

Fontolliet: «Ich bin grundsätzlich gegen die Methusalemrolle. Eine Ablösung nach einer bestimmten Zeit tut jeder Sache gut. Man soll so lange dabei sein, wie man etwas einbringen kann und es einem Freude bereitet. Hans-Peter hat das bis zu seinem letzten Tag als Zunftmeister vorgelebt.»

«Höngger»: Besten Dank für das Gespräch und Ihnen beiden viel Erfolg: als Zunft- sowie Altzunftmeister beim belebten Erhalten der Tradition.

* Der Ausdruck «panem et circenses» stammt vom römischen Dichter Juvenal. Er bedeutet «Brot und Wagenrennen», wird aber im Deutschen meist in der Übersetzung «Brot und Spiele» gebraucht. Quelle: Wikipedia.