Was läuft auf dem «Hönggi»?

Es war viel los auf dem Hönggerberg in diesem merkwürdigen Jahr. Es wurde gebaut und Wald und Wiesen wurden im Lockdown stark beansprucht. Auf den Sportanlagen hingegen blieb es ruhig. Der «Höngger» wollte wissen, wie es den Vereinen auf dem «Hönggi» hier oben ergangen ist und suchte das Gespräch mit den Präsidenten Martin Gubler vom Sportverein (SVH), Robert Zwicky vom Turnverein (TVH), Peter de Zordi von den Armbrustschützen und Roland Spitzbarth von der Schiessplatzgenossenschaft. Auch Paul Meyer, Verantwortlicher bei Grün Stadt Zürich für die Grünflächen in Höngg und den Friedhof sowie Vorstandsmitglied des Verschönerungsvereins (VVH), gesellte sich zur Runde.

Peter de Zordi, Präsident der Armbrustschützen, denkt noch nicht ans Aufhören.
Roland Spitzbarth, Präsident der Schiessplatzgenossenschaft, macht sich Sorgen um den Nachwuchs.
Paul Meyer vom Verschönerungsverein und Grün Stadt Zürich beobachtet einen zunehmenden Druck auf dem Hönggerberg.
Martin Gubler, Präsident des SVH, appelliert an die Vernunft und Solidarität.
Robert Zwicky, Präsident des Turnvereins Höngg, ist froh, wenn man wieder draussen turnen kann.
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Im Turnerhaus riecht es bereits einladend, als die Gäste eintreffen. Robert Zwicky hat spontan zu einem Risotto mit Kalbsplätzli eingeladen. Er ist es scheinbar gewohnt, für grössere Gruppen zu kochen. Auf einer Bank sind Samichlaus-Säckchen und Weinflaschen aufgereiht ­– ein Geschenk an die aktiven Vereinsmitglieder. Der Ton unter den Männern ist freundschaftlich, die Stimmung vielleicht etwas gedämpft, aber nicht düster. Man hat sich den Schutzmassnahmen gefügt und hält sich daran, auch wenn die sozialen Einschränkungen gerade für das Vereinswesen einschneidende Folgen haben.

Bauarbeiten auf dem Hönggerberg verzögern sich

Obwohl es Synergien gibt zwischen den einzelnen Vereinen auf dem Hönggerberg – die Armbrustschützen nutzen beispielsweise den Zehn-Meter-Schiessstand der Schiessplatzgenossenschaft nebenan für ihr Armbrusttraining; der Turnverein vermietet der Stadt einen Sportplatz, den diese wiederum dem SVH für das Junior*innentraining zur Verfügung stellt – ist man nicht im ständigen Austausch, sondern beobachtet etwas aus der Ferne, was bei den jeweils anderen so läuft. Die Baustelle beim SVH, wo neue Garderoben und ein Clubhaus erstellt werden, ist unübersehbar. Auch, dass es lange Zeit nicht weiterzugehen schien, scheint niemandem entgangen zu sein. Martin Gubler bestätigt den Eindruck: Kürzlich wurde bekannt, dass sich die Bauarbeiten vermutlich bis Ende 2021 hinziehen und nicht wie geplant im Sommer abgeschlossen werden können. Einerseits ist der Bau der Wiederaufbereitungsanlage von Warm- und Kaltwasser scheinbar aufwendiger als gedacht. Andererseits gab es noch Altlasten: Die alte Anlage war asbestverseucht. Das war schon seit einigen Jahren bekannt und wurde beobachtet, die Messungen lagen aber nie auch nur annähernd im kritischen Bereich, sonst hätte man hier keine Trainings mehr durchgeführt. «Diese Verzögerung ist für uns aus verschiedenen Gründen schwierig», sagt Gubler. «Einerseits brechen die Einnahmen aus der Beiz weg, wenn die 1. Mannschaft der Männer im Utogrund spielt und nicht hier oben auf dem Berg. Diese machen einen wesentlichen Bestandteil unserer Vereinseinnahmen aus. Andererseits besuchen weniger Fans die Spiele in der Stadt. Dass die Spiele der 1. Liga trotz Containerdörfli nicht hier stattfinden können, hat damit zu tun, dass der Fussballverband bestimmte Vorlagen aufgestellt hat, die wir schlicht nicht erfüllen können mit diesem Super-Provisorium.»

Schallschutzwände kommen im Januar

Auch bei der Schiessplatzgenossenschaft zwei Häuser weiter wurde dieses Jahr gebaut. Das Fundament für die Schallschutzwände ist fertiggestellt, im Januar 2021 sollen die Wände montiert werden. Die Arbeiten dauern voraussichtlich bis Mitte Februar, danach ist das Projekt vorläufig abgeschlossen, so Roland Spitzbarth. Der Präsident, der sich gewohnt zu sein scheint, in der Kritik zu stehen – Schiesssport polarisiert – ist zuversichtlich, dass danach die Lärmbeschwerden abnehmen werden, «obwohl wir gemäss realen Messungen schon heute unter dem Grenzwert liegen». Was sich jedoch auch mit diesen Massnahmen nicht verhindern liesse, sei der Überschallknall. «Da reicht ein bisschen Nordwind und der giftige Knall ist an der Imbisbühlstrasse und beim Friedhof zu hören», meint Spitzbarth. «Das wird erst besser, wenn die Stadt den neuen Fussballplatz baut, von dem sie schon seit Jahren spricht». Dann gäbe es nämlich einen Erdwall auf der Höhe der Zielscheiben, der diesen Knall abdämpfen würde. Auf die Frage, ob der Schiesslärm für die Nachbarvereine kein Problem darstelle, meint Gubler, dass man es beim SHV mittlerweile eher eher wahrnehme, wenn es am Samstag einmal still bleibe. Peter de Zordi sieht es pragmatisch: Zwar werde am Mittwochabend, wenn die Armbrustschützen trainierten, auch nebenan geschossen, aber daran habe man sich längst gewöhnt. Reklamationen gäbe es aber natürlich immer, auch wenn der SVH zu laut feiere.

Was geschieht mit dem Nachwuchs?

Bei den Schützen hat sich die Schusszahl in diesem Jahr auf zwei Fünftel des üblichen Volumens reduziert, sagt Spitzbarth. «Wir haben nur noch jeden zweiten Stand geöffnet, ausser beim Schiessen selber herrscht überall Maskenpflicht. Die ist mittlerweile auch durchgehend akzeptiert», meint er. Aufgrund der Pandemie wurden die acht jährlichen obligatorischen Schiessen auf zwei reduziert und die Teilnahme war freiwillig, was natürlich zur Folge hatte, dass viele gar nicht kamen. Zum Feldschiessen kamen etwas mehr als die Hälfte der Schützen. Meisterschaften führten viele Vereine nicht durch. «Auch wir sind überaltert, viele sind über 70 und bleiben zu Hause». Was Spitzbarth in diesem Zusammenhang grössere Sorgen bereitet, ist die Frage, wie die Vereine während dieser Zeit den Nachwuchs bei der Stange halten können. Selbst in der Kampfkunst-Szene aktiv, trainiert er nur noch draussen ohne Körperkontakt. «Dieser ist aber zentral in diesem Sport. Wie sollen die Anfänger*innen lernen, wie es ist, jemanden anzufassen und angefasst zu werden? Wenn sie die grundlegendsten Techniken nicht lernen können, sind sie schnell wieder weg», meint der Mann mit der markanten Stimme.
Auch de Zordi musste dieses Jahr zwei Interessenten vertrösten, weil er bei der Instruktion den Abstand nicht hätte einhalten können, zum Beispiel, um die Haltung zu korrigieren. Gerade für sie als kleinen Verein wäre dieser Nachwuchs aber sehr wichtig, besonders, weil es sich um jüngere Personen handelt. Wie viele andere, ist auch der letzte Armbrustschützenverein der Stadt überaltert. In der Pandemie ist das zusätzlich schwierig: «Die älteren Schützen kommen aus Angst vor einer Ansteckung nicht mehr ins Training», so de Zordi. Bei den Armbrustschützen spielt noch etwas anderes mit: Die Schützen trainieren jeweils, um an Meisterschaften teilzunehmen. Von den insgesamt zwölf Wettkämpfen nahmen die Höngger Armbrustschützen in der Vergangenheit jeweils an acht teil. Diese sind in diesem Jahr alle ausgefallen. «Das färbt natürlich auf die Motivation ab, wenn man kein Ziel mehr hat, auf das man hintrainiert. Am Ende scheitert es ausserdem daran, dass man keine Mannschaft mehr zusammenbringt», bedauert er. Ja, er mache sich schon Sorgen, dass der Verein auseinanderfalle. «Aber ans Aufhören mag ich jetzt noch nicht denken», sagt er und fügt augenzwinkernd hinzu: «Und wenn doch, schenken wir unseren Platz dem Fussballclub».

Hoffen auf wärmeres Wetter beim Turnverein

Einiges los war dieses Jahr beim Turnverein, obwohl etwas anders als geplant. Nachdem sie im vergangenen Jahr 150 Jahre TV Höngg feiern durften, war dieses Jahr die Erneuerung des Allwetterbelags des Turnplatzes fällig – der wird nämlich im kommenden Jahr stolze 100 – wieder so ein Jubiläum, «ob wir das feiern werden, steht noch in den Sternen», meint Präsident Robert Zwicky. Bis zum Zürihegel im Mai sollten der Platz in neuem Glanz erstrahlen. Der Zürihegel fand zwar nie statt, doch der neue Belag des Turnplatzes konnte mit einer kleinen Feier eröffnet werden. «Bis jetzt wurde er aber noch nicht häufig genutzt», meint Zwicky. Die Trainings, die in der kalten Jahreszeit in den Hallen verschiedener Höngger Schulhäuser stattfinden, wurden irgendwann abgesagt, ebenso wie die grossen Anlässe, die der Turnverein mitorganisiert, zum Beispiel die 1. August Feier. «Da uns die Stadt die Hallenmieten teilweise erlässt, kommen wir glücklicherweise mit den Mitgliederbeiträgen über die Runden und sind nicht auf diese zusätzlichen Einnahmen angewiesen», erläutert Zwicky. So schmerzen die Absagen mindestens finanziell nicht so sehr. «In der Männerriege versuchen wir, das zu machen, was noch möglich ist, zum Beispiel kleine Wanderungen», meint Zwicky. Aber es gäbe natürlich auch in ihrem Verein viele Mitglieder in der Risikogruppe, die die Indoor-Trainings schon früh mieden. «Wir freuen uns deshalb umso mehr, wenn es wieder Frühling wird und wir uns draussen bewegen können.»

Die Vernunft siegt

Den SVH traf der Lockdown just einen Tag vor dem Sponsorenlauf und vor Beginn der Spielsaison. «Die Jungen waren bereit und gierig, zu spielen und sich mit anderen Vereinen zu messen», erinnert sich Gubler. Anfang Juni ging es kurz wieder los, dann war bereits Sommerpause. Der Martin Cup musste abgesagt werden. Im August wurden die Meisterschaften wieder aufgenommen. «Alle waren euphorisch und freuten sich darauf. Wir dachten, dass die Normalität zurückgekehrt sei», so Gubler. Bis am 29. Oktober, drei Wochen vor dem Ende der Meisterschaften, wieder ein Lockdown für den Fussballbetrieb ausgesprochen wurde. Die Aktiven ab 16 Jahre durften aufgrund des Körperkontakts nicht mehr spielen. Die Jüngeren trainierten bis zum 11. Dezember in den Hallen. Danach schlossen diese für Vereine aufgrund der neuesten Massnahmen bis mindestens am 22. Januar 2021. «Der Fussballverband der Region Zürich rechnet mit einer Wiederaufnahme der Spiele frühestens am 1. März 2021. Das halte ich für fraglich», so Gubler. Dennoch, diskutieren will er nicht. Natürlich wollen alle wieder «tschutten» – der Fussball sei die schönste Nebensache der Welt. Aber nicht mehr und nicht weniger. «Die Vernunft siegt, und jetzt ist die Zeit, das eigene Ego zurückzunehmen und für die Allgemeinheit zu schauen», meint der SVH-Präsident.

Draussen kaum Einschränkungen beim Verschönerungsverein

«Der Verschönerungsverein ist in drei Gruppen aufgeteilt: Das Bänkli-Team, das Ortsmuseum und die Rebbaugruppe», erklärt Paul Meyer. Bei letzterer gab es praktisch keine Einschränkungen, das sind nur wenige Personen, und die Trauben wachsen auch ohne ständige Betreuung. Im Gegensatz dazu war das Ortsmuseum stark von den Massnahmen betroffen. Es musste kurzzeitig schliessen, konnte aber später mit einem Schutzkonzept wieder öffnen. Das Bänkli-Team schliesslich ist ebenfalls hauptsächlich draussen unterwegs. So konnten der Sommerarbeitstag im Juni und der Herbstarbeitstag im November gut durchgeführt werden. «Eigentlich hätten wir auch das Höhenfeuer am 1. August durchführen können, mussten es dann aber wegen Brandgefahr kurzfristig wieder absagen», so Meyer. Was nicht stattfinden konnte, war ein Vereinsanlass. Da habe man lange diskutiert und am Ende verzichtet. Was in diesem Jahr sicherlich bis tief in den Herbst zu spüren war, war der enorme Druck auf den Hönggerberg als Naherholungsgebiet: Beim VVH zeigte sich das unter anderem darin, dass die Bänkli stärker beansprucht wurden. Bei den Bauern und Grün Stadt Zürich waren vor allem der Abfall und wilde Feuerstellen ein Dauerthema.  

Nähe und Emotionen fehlen

Trotz aller Vernunft und Einsicht, bleibt bei den Vereinen nicht etwas auf der Strecke, wenn alle Anlässe und Zusammenkünfte ausfallen? Meyer macht sich da so seine Gedanken. Ein Verein ohne soziale Kontakte ist kein Verein. Kontakte, die nun über neun Monate eingeschränkt waren und es vorläufig noch bleiben werden. «Es ist wichtig, vor allem auch für ältere Generationen, dass man sich bald wieder treffen kann und das Zusammensein auch wieder leben darf. Das spüre ich vor allem im VVH stark. Aber auch in meiner leitenden Funktion bei Grün Stadt Zürich: Es ist wichtig, dass man sich mit dem eigenen Team in einem inoffiziellen, lockeren Rahmen treffen kann. Sonst entfernt man sich zu sehr voneinander», was Meyer sehr traurig findet. «Menschlicher Kontakt ist unheimlich wichtig», bestätigt auch Spitzbarth. Es muss einfach wieder möglich werden, einander in den Arm zu nehmen, sich zu berühren». Und Gubler fügt hinzu: «Die Wichtigkeit, Freude und Frust auf einem Spielfeld ausleben zu können, ist nicht zu unterschätzen».

Aber die Zuversicht ist da. Wenn es wieder möglich ist, werde man sich schnell wieder näherkommen, es sei ein menschliches Grundbedürfnis, Sachen gemeinsam zu unternehmen, sich nahe zu sein. Daran glauben die Vereinsleute fest.

 

 

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