Stadt
Was bringt die neue Technologie und wie verhält sich die Stadt?
Zum Abschluss der Artikelreihe über den «Antennenwald» Höngg widmet sich der «Höngger» den Fragen nach neuen Technologien, dem Kommunikationsverhalten der Telecomanbieter und klärt, welche Bewilligungspraxis die Stadt Zürich derzeit betreibt.
25. November 2010 — Marcus Weiss
Bauprojekte für neue Sendeanlagen in Höngg betreffen gegenwärtig vor allem UMTS-Anlagen (Begriffserklärungen siehe Kasten). Werden diese Antennen durch den künftigen LTE-Standard schon in absehbarer Zeit wieder überfl üssig und können abgebaut werden? Swisscom antwortet auf diese Frage nicht direkt, sondern lässt verlauten, man setze auf eine Kombina tion von verschiedenen Technologien. Der Ausbau des Mobilfunknetzes habe höchste Priorität. Bereits heute decke Swisscom die ganze Schweiz mit der EDGE-Technologie ab und erreiche mit ihrem HSPA-Netz rund 92 Prozent der Bevölkerung. Weitere Ausbauten, etwa der schrittweise Anschluss der Mobilfunkanlagen ans firmeneigene Glasfasernetz, seien im Gange. Simpler die Antwort von Orange: «Nein, in absehbarer Zeit ist mit keinem Abbau der UMTS-Anlagen aufgrund einer hohen Ausbaudichte mit LTE-Anlagen zu rechnen», heisst es von Therese Wenger. Auch Sunrise lässt wenig Raum für Euphorie bei den UMTS-Antennengegnern: «Es ist davon auszugehen, dass die bestehende GSM/UMTS-Infrastruktur noch auf absehbare Zeit bestehen bleiben wird», teilt Mediensprecher Roger Schaller mit. Im Gespräch mit Personen, die sich gegen den Bau von Mobilfunkantennen in ihrer Nachbarschaft wehren, kommt oft der Eindruck auf, dass diese bei den Mobilfunkbetreibern keine Ansprechpartner haben, die sie in ihren Befürchtungen ernst nehmen würden.
Wie ist die Kommunikation mit der betroffenen Bevölkerung in den Unternehmen geregelt? Der Schweizer Branchenprimus Swisscom schreibt dazu, man suche den Dialog mit der Bevölkerung und führe oftmals Informationsveranstaltungen durch, hierfür zuständig sei die Abteilung «Community Affairs». Es komme aber leider auch vor, dass die Fronten so verhärtet seien, dass eine Veranstaltung kontraproduktiv sei und die Stimmung noch mehr aufheize – es werde dann nicht sachlich, sondern emotional mit vorgefasster Meinung argumentiert. Auch Orange nimmt die Bedenken der Bevölkerung zu Mobilfunkanlagen laut Angaben von Therese Wenger sehr ernst. «Aus diesem Grund gründete Orange in Zusammenarbeit mit den Mitbewerbern auch das ‹Forum Mobil› und unterstützt da rüber hinaus auch die Forschungsarbeiten der Forschungsstiftung Mobilkommunikation an der ETH Zürich», heisst es von der Pressestelle (siehe Kasten). Diese Institutionen stünden unter anderem auch der Bevölkerung bei Unklarheiten zur Verfügung. Zudem seien firmeneigene Spezialisten den beurteilenden Gemeinden und der Anwohnerschaft behilflich, und Orange selbst könne bei Fragen ebenfalls jederzeit kontaktiert werden. Aus dem Hause Sunrise heisst es, dass die Sorgen und Ängste der Bevölkerung bezüglich möglicher gesundheitlicher Risiken durch elektromagnetische Felder ernst genommen würden und man auf eine «transparente und offene Kommunikation» setze. Konkret bemühe sich Vertragspartner Alcatel-Lucent um den Dialog mit der Anwohnerschaft.
Vorschriften des Bundes sind auch für Stadtbehörden bindend
Beim Gespräch mit Anwohnern der geplanten neuen Mobilfunkantennen im Quartier ist gegenüber dem «Höngger» auch Unverständnis über das Verhalten der städtischen Behörden geäussert worden. Es werde mit verschiedenen Ellen gemessen, denn auf eigenen Gebäuden dulde die Stadt keine Antennenanlagen, während Private auch in direkter Nachbarschaft zu Schulen oder ähnlichen Einrichtungen Sendemasten von Mobilfunkbetreibern auf ihren Dächern montieren lassen könnten. Gemäss Urs Spinner, Leiter Kommunikation im Hochbaudepartement der Stadt Zürich, hat dies mit den gesetzlichen Rahmenbedingungen des Bundes zu tun, denen auch die Behörden von Städten und Gemeinden unterstellt sind. «Die Stadt muss auf der Grundlage der Bundesgesetze bei jedem Bauprojekt überprü- fen, ob alles rechtens ist, inklusive der Einhaltung der Grenzwerte», erklärt Spinner und fügt an, dass auf dem eigenen Grund jeder selbst bestimmen könne, ob er eine solche Anlage wolle oder nicht. Dies gelte auch für die Stadt Zürich als Gebäudeeigentümerin. «Mit Rücksicht auf die öffentliche Stimmung hat der Stadtrat vor einigen Jahren beschlossen, vorerst keine Mobilfunkantennen auf städtischen Gebäuden mit sensibler Nutzung wie etwa Schulhäusern, Kinderkrippen und Spitälern mehr zu dulden», fährt der Vertreter des Hochbaudepartements fort und betont, dass diese Regelung aber nicht sakrosankt sei: «Auf dem Schulhaus Milchbuck beispielsweise be findet sich eine Mobilfunkantenne, denn die Platzierung auf dem Dach eines Nachbarhauses hätte eine höhere Bestrahlung des Schulhausplatzes zur Folge gehabt.»
Begriffe
GSM = Global System for Mobile Communications
UMTS = Universal Mobile Telecommunications System
LTE-Technologie = Long Term Evolution
NISV = Bundesverordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung, in Kraft seit 1. Februar 2000.
EDGE-Technologie = Enhanced Data Rate for GSM Evolution, eine Technik zur Erhöhung der Datenrate in GSM-Mobilfunknetzen.
HSPA-Netz = High Speed Packet Access, eine Weiterentwicklung des UMTS.
Informationsforen unter www.forummobil.ch und www.mobile-research.ethz.ch
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