Quartierleben
Warum der Schilderwahn ausgebrochen ist
Im Zentrum von Höngg wurde während den Schulferien das angekündigte Tempo 30 signalisiert. Offenbar nach dem Motto «alle 30 Meter eine Tafel». Der Schilderwald ist zwar rechtlich korrekt, sorgt jedoch für einiges an Verwirrung.
13. August 2019 — Fredy Haffner
Nicht schlecht dürften manche Verkehrsteilnehmer*innen staunen, die versuchen, sich durch den Schilderwald in Höngg zu manövrieren. Auf den drei Hauptverkehrsachsen im Zentrum wurde neu Tempo 30 signalisiert: Auf der Regensdorferstrasse stadtauswärts vom Meierhofplatz bis kurz vor der Wieslergasse, auf der Limmattalstrasse stadtauswärts vom Polizeiposten am Meierhofplatz bis nach dem Zwielplatz und auf der ganzen Gsteigstrasse heisst es nun: weg vom Gas. Und das wird einem fast alle 30 Meter in Erinnerung gerufen: 31 Mal wird «Tempo 30» signalisiert und 3 Mal «Ende Tempo 30». Und damit man das einzelne Schild auch sicher sieht, wird bis nächste Woche zusätzlich mit Warndreiecken auf die Signalisationsänderung hingewiesen.
Nicht, dass damit nun alles klar wäre, ganz im Gegenteil: Es sind unverständliche, ja sogar widersprüchliche Situationen entstanden. Die krasseste gleich bei der Garage Zwicky, wo die Riedhofstrasse in die Regensdorferstrasse mündet. Dort hebt an ein und demselben Pfosten zuoberst ein Schild die «Tempo 30»-Zone auf, welche in der Riedhofstrasse seit längerem gilt, und darunter zeigt ein neues «30» an. Ja was gilt denn nun?
Ebenfalls als Beispiel, wie es in Höngg auch andernorts auszumachen ist: 20 Meter, bevor die Hohenklingenstrasse beim Zwielplatz in die Limmattalstrasse mündet, wird die «Zone 30» aufgehoben. Man dürfte also kurz mal auf 50 beschleunigen – um dann mit dem Einbiegen in die Limmattalstrasse wieder auf Tempo 30 abzubremsen.
Zone ist nicht gleich Strecke
Kompliziert, verwirrend, widersprüchlich, doch alles nötig und gesetzlich vorgeschrieben, wie Heiko Ciceri, Kommunikationsverantwortlicher der Dienstabteilung Verkehr (DAV), auf Anfrage des «Hönggers» bestätigt.
Die Strassensignalisationsverordnung unterscheidet zwischen «Tempo-30-Zonen» und «Tempo-30-Strecken». Und während «Tempo-30-Zonen» an ihren Enden zwingend aufgehoben werden müssen, ist das bei «Tempo-30-Strecken» nicht zwingend nötig, denn für diese gilt, wie für alle Tempo- und diverse andere Signalisationen, dass sie bis zu allenfalls gesetzten Ende-Signalisationen gelten, höchstens aber – und jetzt kommt es – bis zum Ende der nächsten Verzweigung. «Mit anderen Worten», so Ciceri, «nach jeder Verzweigung oder Einmündung muss eine Tempo-30-Strecke neu signalisiert werden».
So kam es, dass man im engräumigen Zentrum von Höngg nun leicht den Eindruck gewinnt, es sei alle 30 Meter ein Schild montiert worden. Gekostet hat die die ganze Aktion übrigens 19’000 Franken.
Wäre es da nicht klüger gewesen, das neue Höchsttempo als grossflächige Bodenmarkierung anzuzeigen? «Solche Markierungen sind gemäss Gesetz nur in Zonen zulässig», sagt Ciceri, «es ist aber durchaus denkbar, dass solche Markierungen dereinst auch auf Strecken zulässig sein werden».
Eigentlich will man ja Schilder abbauen…
Pikant: Im Januar 2012 verkündete Stadtrat Daniel Leupi ausgerechnet in Höngg an einer Medienkonferenz (der «Höngger» berichtete), dass der Zürcher Schilderwald ausgemistet werden soll. In einem Pilotversuch Ende April 2011 hatte man im Einzugsgebiet der Segantini- und der Michelstrasse 51 Prozent aller Verkehrstafeln abmontiert, unglaubliche 153 Stück. Mit Erfolg, so dass die DAV damals ankündigte, dies nun auf dem ganzen Stadtgebiet tun zu wollen. Darauf angesprochen bekräftigt die DAV nun, dass man nach wie vor bestrebt sei, die Anzahl der Signalisationen zu reduzieren, müsse sich allerdings an die gesetzlichen Vorgaben halten. Und die, so ist nun in Höngg zu sehen, können alle Bestrebungen wieder in einen unübersichtlichen Schilderwald verwandeln.
Auch die VBZ fährt langsamer
Betroffen von der neuen Tempo-30-Regelung sind auch die Fahrzeuge der VBZ. 2012 hatten zwei GLP-Gemeinderäte auf der Regensdorferstrasse zwischen Brühlweg und Holbrigstrasse die Einführung einer Begegnungszone mit Tempo 20 gefordert, das Geschäft wurde an den Stadtrat überwiesen, im März 2018 indes abgeschrieben. Gegen das Ansinnen der GLP hatten sich damals auch die VBZ gewehrt, warum nun gegen Tempo 30 nicht? Daniela Tobler, Leiterin der VBZ-Medienstelle, erklärt: «Die Ausgangslage in einer Begegnungszone ist anders als auf einer Strecke mit Tempo 30: In der Begegnungszone haben Fussgänger*innen beim Überqueren der Strasse Vortritt, und dies an jeder beliebigen Stelle. Diese Vortrittsregelung kann nur auf Streckenabschnitten übersteuert werden, auf denen ein Tram verkehrt: weil das Tram einen längeren Bremsweg hat, hat es Vortritt. Nicht so Busse». Tobler weist auch darauf hin, dass Tempo 30 – vom Bund vorgeschrieben – aus Lärmschutzgründen erlassen wurde. Der Fahrplan werde in den betroffenen Abschnitten nur minimal tangiert, da die Trams und Busse, bedingt durch die engen Strassenräume beziehungsweise die Steigung, schon bisher nicht viel schneller fuhren, so Tobler.
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