War in Höngg ein Hundehasser unterwegs?

Vor gut zehn Jahren starben mehrere Hunde im Grenzgebiet zwischen Höngg und Oberengstringen an merkwürdigen Vergiftungen. Polizei und Hündeler vermuteten irrtümlich einen Hundehasser.

Im Rüthof sorgte der Vergiftungstod eines Hundes bei den Hundebesitzern für grosse Angst.

Für Hundebesitzer war es ein Albtraum: Bei der Stadtpolizei Zürich gingen im Februar 2010 sieben Anzeigen wegen vergifteter Hunde ein, drei der Tiere starben an Nierenversagen. Hatte jemand Wursträdchen mit Frostschutzmittel versehen, um Hunde zu töten? Betroffen von den Vergiftungen waren diverse Hundearten – vom Pudel bis zum Golden Retriever. Ihre Besitzer*innen hatten die Tiere im Gebiet Hönggerberg–Rütihof–Friedhof-Oberengstringen ausgeführt. Daher drängte sich der schreckliche Verdacht auf, dass zwischen Höngg und Oberengstringen ein Hundehasser sein Unwesen treiben könnte. Die Gerüchteküche brodelte. Eine Hundehalterin machte sich Gedanken, ob ein Zusammenhang zwischen den mysteriösen Hundeerkrankungen und der aufgeregten Debatte um die schweizweite Einführung eines Tieranwalts bestehen könnte.
Unter den vergifteten Vierbeinern litt auch der Hund des Blickredaktors Peter Padrutt schwer an einem Nierenversagen, aber er überlebte. Im Blick veröffentlichte der Hundebesitzer damals rührende Worte:
«Ach Timo, was warst du für ein selbstbewusster, starker Hund. So wie du letzten Donnerstag noch durch den Schnee getollt bist, hätte keiner geglaubt, dass du schon zehn Jahre alt bist. Du warst ein Hund wie Labrador Marley aus der Kino-Komödie. Ein Hund mit Flausen im Kopf [… ]. Letzte Woche hast du nach einem Spaziergang in Zürich-Höngg plötzlich erbrochen. Du hast mal wieder was zusammengefressen. Ja, deine Lieblingsbeschäftigung wurde dir zum Verhängnis. In der Nacht auf Samstag bist du unruhig durchs Haus gelaufen, wolltest raus. Vermutlich hattest du fürchterliche Schmerzen. Dann bist du apathisch in der Kälte gestanden und hast gezittert.»
Der Fall erinnerte an ähnliche Ereignisse: 2002 waren in Zürich-Affoltern vergiftete Fleischstückchen verstreut worden. Anfang 2007 starben in Bettwiesen TG zwei Pudel, nachdem sie unbekannte Happen von der Strasse gefressen hatten. Im Dezember 2007 verendeten in der Region Härkingen in Solothurn zwei Hunde: Sie hatten vergiftete Wurststückchen gefressen. Kurze Zeit später wurden im bernischen Oberaargau vergiftete Würste gefunden. Und 2009 verfütterten Unbekannte im Kanton Solothurn vergiftetes Fleisch an Hunde – ein Tier verendete.

Hunde frassen Traubentrester

Nachdem Abklärungen der Polizei gezeigt hatten, dass mindestens drei Hunde fast am selben Ort auf einem Feld nahe des Rütihofs etwas verzehrt hatten, wurden Ermittlungen eingeleitet. Die Untersuchungen brachten Erstaunliches zutage: Es trieb kein Hundehasser sein Unwesen und die vergifteten Hunde hatten keine mit Frostschutzmittel präparierte Cervelat-Rädchen gefressen, sondern Traubentrester. Just an dieser Wiese, wo die Hunde etwas verzehrt hatten, lag auch eine Anhäufung von Naturdünger, in der sich eine grössere Menge von Traubentrester befand. Der Trester war vom städtischen Gutshof Juchhof als Dünger ausgebracht worden. Traubentrester ist Abfall, der beim Pressen entsteht und zu drei Vierteln aus Schalen und einem Viertel aus Kernen besteht. Das Düngen mit dem nährstoffreichen Trester wurde schweiz- und europaweit praktiziert.
Vom Mist und vom Trester wurden Proben sichergestellt und vom wissenschaftlichen Dienst der Stadtpolizei Zürich untersucht.
Gleichzeitig fanden in der Tiermedizin in Bern eine Autopsie und Abklärungen statt. Dabei fand man jedoch keinerlei toxischen Stoffe. Die Polizei wies die Hundesbesitzer an, ihre Tiere zu beobachten, auch wenn diese ohne Leine herumliefen. Bei ungewöhnlichen Symptomen wie Erbrechen, Durchfall, Krämpfe oder Zittern, sollten sich die Hundebesitzer an einen Tierarzt wenden und diesem eine Probe des Erbrochenen mitbringen.
Was genau zum Tod führte, fanden die Veterinäre jedoch nicht heraus. Der Verzehr von Traubentrester könne bei Hunden aber zu Nierenproblemen bis hin zu Nierenversagen führen. Rehe hingegen werden mit dem als wertvoll angesehenen Trester gefüttert. Auch in der Nahrungsmittelergänzung für Menschen findet er Verwendung.
Wegen der vergifteten Hunde unterbrach die damalige Zürcher Stadträtin Ruth Genner (Grüne) sogar ihre Graubünden-Ferien und reagierte mit einer Medienorientierung. Dies hatte zur Folge, dass der stadteigene Gutsbetrieb Juchhof, der seinen mit Trester versetzten Dünger in Höngg verteilt hatte, nicht mehr ausbringen durfte. Anderen Landwirtschaftsbetrieben wurde ebenfalls nahegelegt, auf diesen Dünger zu verzichten. Ausserdem hatte Grün Stadt Zürich Warnschilder mit Hinweisen für Hundebesitzer im betroffenen Gebiet angebracht und die Stadt Zürich gab ein wissenschaftliches Gutachten in Auftrag. 

Was tun, wenn ein Hund etwas Vergiftetes frisst?

 Bei Verdacht auf Vergiftung sollten Hundebesitzer so schnell wie möglich einen Tierarzt oder eine Tierklinik aufsuchen. Denn oftmals sind Hundehalter selber nicht in der Lage, genau zu definieren, was der Hund gefressen haben könnte. Folgende Angaben sollte man für den Tierarztbesuch so genau wie möglich zusammentragen: was wurde gefressen, wieviel wurde davon gefressen und vor allem, wie lange ist es her? Allfällige Essensreste sollte man ebenfalls mitbringen. Zu den häufigen Symptomen einer Vergiftung gehören nebst Übelkeit und Durchfall auch starkes Speicheln, ein schwankender Gang, Atemstillstand und Krämpfe. Ausserdem ist es wichtig, kein Erbrechen auszulösen, da sonst der vergiftete Mageninhalt wieder nach oben gelangt. Zu den häufigsten Vergiftungen bei Hunden und Katzen gehören unter anderem: Ratten- und Mäusegift, Frostschutzmittel, Giftpflanzen sowie Insektizide und Medikamente.

Die Serie «Tatort Kreis 10» befasst sich mit Verbrechen oder Unfällen, die sich in Wipkingen und Höngg ereignet haben. Die Redaktion ist offen für Hinweise auf weitere Fälle im Kreis 10 aus der Bevölkerung auf redaktion@hoengger.ch

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