Wachablösung auf dem Polizeiposten

Nach knapp zwei Jahren verlässt Roman Thür die Polizeiwache Höngg und den Posten als Kreischef 10. Er zieht Bilanz und sein Nachfolger schaut voraus – und zusammen sinnieren sie über gesunden Menschenverstand und pragmatisches Handeln.

Bruno Etter (l.), der neue Kreischef 10, und sein Vorgänger Roman Thür auf der Wache Höngg.

Das Intervall, in dem der Posten des Kreischefs 10 neu zu besetzen ist, wird immer kürzer: Armin Lusser blieb sieben, Melanie Serschön knappe drei und Roman Thür noch fast zwei Jahre in Höngg. Wie lange bleibt wohl Bruno Etter, der das Amt am 1. Februar offiziell angetreten hat? Der so Angesprochene lacht herzlich, als der «Höngger» ihn dies scherzhaft in Gegenwart seines Vorgängers auf der Wache Höngg fragt und diesem die Anschlussfrage stellt, ob Höngg ein Karrieresprungbrett sei? «Nein», antwortet Thür, «aber es bot sich die einmalige Chance, mich für die neu geschaffene Stelle des Chefs der Regionalwache Aussersihl zu bewerben. Das sprach mich sehr an und so kehre ich jetzt zu meinen Wurzeln im Kreis 4 zurück.» Eine Wache mit sieben Mal Vierundzwanzigstundenbetrieb mitten im pulsierenden Zürcher Ausgehkreis zu leiten, sei eine grosse Herausforderung. Und ja, er habe das ruhigere Geschehen in Höngg geschätzt, doch das andere habe eben auch seinen eigenen, beruflichen Reiz.

Unkonventionell gehandelt und durchgegriffen

Roman Thür wurde in Höngg ab Mitte April 2014 schnell und gut aufgenommen. Auch deshalb, weil der Rheintaler einen unkomplizierten Zugang zu den Menschen hier fand und ihnen mit Rat und Tat beistand. Immer im Rahmen der Vorschriften gelang es ihm, manchmal auch unkonventionell zu handeln und sich so gleichermassen für alle zu engagieren, für kleine Anliegen gleich wie für den Grossanlass Wümmetfäscht.
Auch auf der Werdinsel wurde unter ihm endlich etwas gegen die immer wieder aufflammende Sex-Szene unternommen. «Da half mir sicher meine Erfahrung aus meiner vorherigen Tätigkeit in den Kreisen 4 und 5», sagt Thür. So wurden dann im Hitzesommer 2015 während 13 Wochen regelmässig und gezielt im Spitz der Insel Kontrollen durchgeführt. 43 Personen wurden in flagranti bei sexuellen Handlungen im öffentlichen Raum ertappt, einer Polizeikontrolle unterzogen und aus dem Einsatzraum Werdinsel weggewiesen – keine einzige Person wurde ein zweites Mal erwischt, was eine Verzeigung zur Folge gehabt hätte. «Das zeigt den Wert der Prävention. Gleichzeitig gingen übrigens die Zahlen der Taschendiebstähle im Badebereich auch deutlich zurück – wohl alleine wegen unserer Präsenz.»

Bruno Etter erfüllt sich seinen «Jungpolizistentraum»

Doch zurück zum neuen Kreischef 10: Was hat ihn nach Höngg gelockt? Bruno Etter scherzt: «Ich wollte es eben meinem Vor-Vor-Vorgänger gleich tun: Armin Lusser war damals, bevor er nach Höngg in die neue Funktion wechselte, auf der Polizeischule mein Ausbildner. Und schon damals wollte ich eines Tages auch Kreischef werden.» Unterdessen war Etter selbst die letzten acht Jahre Chef der Ausbildungswache, auf der die jungen Polizistinnen und Polizisten das letzte halbe Jahr der Ausbildung verbringen und Theorie und Praxis verbinden. Und nun freut er sich darauf, als Kreischef gleichzeitig «nahe bei der Uniformpolizei zu sein» und auf höherer Organisationsebene mit Behörden- oder Bevölkerungsvertretern, wie zum Beispiel dem Quartierverein, zusammenzuarbeiten. Eine Wache zu führen, Innen- und Aussendienst zu leisten und Ansprechpartner für alle zu sein, das sei das Reizvolle an dieser Aufgabe, fasst er zusammen.

«Gesunder Menschenverstand» ist Ansichtssache

Dass man innerhalb aller Vorschriften durchaus Möglichkeiten hat, diese Funktion so oder anders auszuüben, bestätigt auch Etter: «Ich möchte lösungsorientiert arbeiten: innerhalb der Gesetze, aber mit gesundem Menschenverstand.» Und bei der Durchsetzung von Gesetzen und Vorschriften gingen die Vorstellungen dessen, wie «gesunder Menschenverstand» zu interpretieren sei, eben auseinander – da sind sich beide einig: Auf der einen Seite seien zum Beispiel Fussgänger, die erschrecken, wenn sie auf einem Gehweg von hinten von einem Fahrrad überrascht werden. Oder die Eltern, die sich ärgern, dass andere das Mitführverbot für Hunde auf dem Spielplatz der Schärrerwiese und dem Fussweg dort missachten. Was für die einen ein Ärgernis und die Missachtung von Vorschriften ist, ist für andere ein Gewohnheitsrecht, das sie allenfalls als Kavaliersdelikt betrachten. Und da gelte es dann eben, Augenmass zu wahren und beide Seiten anzuhören. Es könne aber nicht sein, dass man die Stimmen jener, welche sich irgendwie belästigt oder gefährdet sehen, weniger gewichte als die jener, die Vorschriften oder Gesetzte missachten, auch wenn diese im Vergleich mit anderen Übertretungen harmlos scheinen. Thür betont trotzdem, dass alle, die sich von der Polizei nicht vertreten oder ungerecht behandelt fühlten, auch mit dem neuen Kreischef jederzeit direkt Kontakt aufnehmen sollen, um die Situation zu klären.

In Höngg gerne noch als Gast

«In Höngg ist die Hemmschwelle, sich bei der Polizei zu melden, relativ tief», so Thürs Erfahrung. Man melde schnell Beschwerden grösseren und kleineren Ausmasses, und das sei gut so. Dass diese Zugänglichkeit auch weiterhin so bleibt, dafür ist nun Bruno Etter verantwortlich. Er wird sich wenn immer möglich im Quartier zeigen, auch zum Beispiel an der Generalversammlung des Quartiervereins. «Man soll mich kennen, dann verlaufen die Kontakte später auch einfacher», hält Etter fest. Zusammen mit den anderen acht Polizistinnen und Polizisten der Höngger Wache, verteilt auf 660 Stellenprozente, ist er überzeugt, dass dies auch gelingt. Roman Thür seinerseits hat fest vor, den Kontakt zu Höngg nicht ganz zu verlieren und zum Beispiel das nächste Wümmetfäscht 2017 als Gast und nicht als Polizist zu besuchen.

Quartierwache Höngg
Geöffnet von Montag bis Freitag, 7 bis 18 Uhr
Telefon: 044 411 62 50
Telefon Kreischef 10, Fw mbA Bruno Etter, 044 411 60 10

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