Stadt
Von der Casa zur Causa von Muralt?
Adelheid von Muralt hat den Tag, an dem sie 1998 beschloss, ihre Villa in Höngg mittels eines Schenkungsversprechens auf ihr Ableben hin der Stadt Zürich zu vermachen, schon oft bereut. Nun gelangt sie verzweifelt an die Öffentlichkeit.
15. März 2012 — Fredy Haffner
Die Geschichte ist so zerfahren, wie sie zerfahren nur sein kann. Begonnen hatte alles damit, dass Adelheid von Muralt 1998 der Stadt Zürich in einem Schenkungsversprechen auf ihr Ableben hin ihre Villa an der Limmattalstrasse 123 als Gästehaus vermachte. Das stattliche Haus unmittelbar neben der Villa Tobelegg beim Schwert, die bereits seit 1975 im Besitz der Stadt war, sollte − so der Wunsch der alten Dame damals − mit dieser zusammen einen stolzen Besitz der Stadt bilden und erhalten bleiben. Doch dann begann bald alles schief zu laufen. Im April 2000 beantragte der Stadtrat dem Gemeinderat, die denkmalpflegerisch wertvolle Villa Tobelegg an der Limmattalstrasse 117 für zwei Millionen Franken zu veräussern. Laut aktuellem Katasterplan wechselten in der Folge 3871 Quadratmeter Land inklusive Villa mit Baujahr 1684, einem Trottengebäude und einem Waschhaus in privaten Besitz. Dies, gemäss Adelheid von Muralt, entgegen dem Willen des vorgängigen Besitzers, der die Villa der Stadt nur mit der Auflage verkauft habe, das Gebäude zu be- und erhalten.
Enttäuscht von der Stadt
In den Folgejahren entwickelte sich ein wüster Streit um einen Parkplatz, den von Muralts auf vom Nachbargrundstück dazugemietetem Land errichtet hatten. Erst im Juni 2004 konnte dieser Streit beigelegt werden. Zurück blieb bei Adelheid von Muralt ein tiefes Misstrauen gegen- über der Stadt, auf Grund dessen sie ihr Schenkungsversprechen 2004 zurückzog. Der Stadtrat bekundete schriftlich das Bedauern über den Rückzug des Schenkungsversprechens und schickte alle Unterlagen zur «Casa von Muralt» zurück – mit Ausnahme des schriftlichen Schenkungsversprechens, das im Notariat Höngg liegt. Ende Januar 2005 kam es letztmals zum direkten Kontakt zwischen von Muralt und Stadtrat Martin Vollenwyder. Seither reagierte dieser auf keinen Versuch der weiteren Kontaktaufnahme durch von Muralt mehr. Zermürbt trat von Muralt nun an der Pressekonferenz vom 7. März mit einem Appell an die Öffentlichkeit. Dabei fielen Worte wie Beamtenwillkür und es wurde die Frage in den Raum gestellt, ob die Stadt etwas zu verbergen habe und die Villa allenfalls bereits jemandem «versprochen» sei. Es werde offenbar auf Zeit gespielt. Sehr emotional berichtet Adelheid von Muralt von einem falsch verfassten Gesprächsprotokoll, von verbalen Verunglimpfungen durch Stadtrat Vollenwyder und gar von einer telefonisch anonym erhaltenen Morddrohung: Ingredienzien für einen veritablen Krimi. «Ohne schriftliche Weisung von Stadtrat Martin Vollenwyder darf das Notariat Höngg das Schriftstück nicht an Adelheid von Muralt aushändigen», sagte Kommunikationsberaterin Beatrice Tschanz, die sich unentgeltlich − wie sie mit einem Seitenhieb auf Doris Fiala und deren Engagement bei der Aidshilfe bemerkte – für von Muralts Anliegen einsetzt, damit diese zu ihrem vermeintlichen Recht kommt. «Sieben Jahre Kleinkrieg um ein Dokument, das immer noch auf dem Notariat liegt. Das reicht: Stadtrat Martin Vollenwyder, handeln Sie endlich», fasste Tschanz die Frustration ihrer Klientin zusammen, sekundiert von Rechtsprofessor Dr. Martin Usteri, der im Dezember 2007 im Auftrag von Freunden der Donatorin ein Rechtsgutachten zur Situation verfasst hatte.
Verzwickte Rechtslage
Auf die Frage des «Hönggers», ob denn ihrer Ansicht nach das Schenkungsversprechen Gültigkeit habe, solange das Dokument noch beim Notariat liegt, meinte Tschanz: «Die Stadt hat ihr Bedauern über den Rückzug des Schenkungsversprechens ausgedrückt. Damit ist die Kenntnisnahme dieses Willens aktenkundig.» Doch eine Kenntnisnahme ist nicht mit einem Einverständnis gleichzusetzen und so ist alles nicht ganz so einfach, wie es scheint. Auch ein Artikel in der NZZ vom 10. März beschreibt dies. Darin heisst es, dass kein rechtsgültiger Grund für einen Rückzug des Schenkungsversprechens vorliege und ein solches könne auch von keiner Seite formlos für ungültig erklärt werden. Folglich kann Martin Vollenwyder auch nicht auf die Forderung von Adelheid von Muralt eingehen, ansonsten müsste Statthalter Hartmuth Attenhofer, wie dieser zitiert wird, «sofort einschreiten». Der «Höngger» hat bei Martin Vollenwyder nachgefragt, was ihn denn, von juristischen Fragen mal abgesehen, davon abhalte, in Ehren offiziell auf das Schenkungsversprechen zu verzichten und Frau von Muralt das Dokument zurückzugeben? «Man kann eben nicht einfach von juristischen Fragen absehen», so die Antwort, «weder ich selber noch der Stadtrat können einfach so auf ein Schenkungsversprechen verzichten. Würden wir das tun, würde sofort der Bezirksrat einschreiten.» Und, so fügte er an, auf Kontaktaufnahmen verzichte er, weil der Gesamtstadtrat beschlossen habe, dass der städtische Rechtskonsulent Auskunfts- und Ansprechperson in dieser Angelegenheit sei. Dass die ganze Geschichte in Höngg und darüber hinaus Fragen aufwirft und Raum für Spekulationen bietet, kann er nachvollziehen. Doch die Faktenlage sei in mehreren Punkten anders, als sie an der Medienkonferenz und bei früheren Gelegenheiten dargestellt worden sei: «Dass einseitige Informationen allenfalls ein eigenartiges Licht auf die Stadt werfen, lässt sich nicht verhindern.» Gemäss NZZ ist Statthalter Attenhofer der Ansicht, Frau von Muralt solle ihr Anliegen, wenn schon, vor Gericht tragen. Bereits an der Pressekonferenz auf mögliche rechtliche Schritte angesprochen − zum Beispiel alleine schon für die genannten Verunglimpfungen −, antwortete Beatrice Tschanz im Namen ihrer Klientin: «Wenn man so einen grossen Clinch austrägt, fehlt einem die Energie für rechtliche Schritte. Ich ging davon aus, dass ich in dieser Sache als Mediatorin wirken kann und hoffte stets und noch immer, dass der Stadtrat noch zur Einsicht kommt und in den nächsten Tagen ein direktes Gespräch geführt werden kann.» Der gesunde Menschenverstand sagt, dass es aus dieser Situation doch tatsächlich einen vernünftigen Weg abseits des Ganges vor Gericht geben sollte. Ob dem so ist oder ob die Casa von Muralt tatsächlich zur Causa von Muralt wird, wird sich weisen.
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