Vom ganz normalen Beziehungswahnsinn

Macht erst die Zweisamkeit aus etwas Halbem ein Ganzes, oder halbiert man sich in einer Beziehung? Mit diesen und anderen Fragen befassen sich Schreiber und Schneider auf äusserst unterhaltsame Art in ihrem neuen Buch «Mein Leben als Paar».

Schreiber vs. Schneider überzeugen mit Humor und Reflektion.

Wie schreibt man eine Kritik, ohne schon alles vorwegzunehmen und den potentiellen Besucher seiner ganz persönlichen Aha- und Oho- Momente zu berauben? Denn das wäre gerade bei «Schreiber vs. Schneider» ein herber Verlust. Die «Chronisten des Alltags» ziehen zurzeit mit ihrem neuen Buch «Mein Leben als Paar» durch die Schweiz. Das Kultur Forum Höngg hat sie ins Desperado geholt, und noch bevor die «Show» beginnt, wird klar: Das wird ein interessanter Abend. Die Technik bockt, das heisst, das Mikrophon von Sybil Schreiber will nicht funktionieren. Das von Steven Schneider hingegen schon, wenn auch mit Hall. Eine Gelegenheit, die er sich nicht entgehen lässt: «Das ist gut, ich habe nämlich ein paar wichtige Messages, vor allem für die Männer im Saal», und schon hat er sie im Sack. Als schliesslich auch Schreibers Stimme laut erklingt, nutzt sie den Steilpass der schlechten Akustik und gibt zurück: «Du klingst etwas hohl». Das Publikum ist eingestimmt.

Zärtliche Zankereien

Doch wer befürchtet, dass nun ein plattes Gender-Bashing folgen würde, mit den üblichen «Frauen sind so, Männer sind anders»-Witzen, der kennt dieses Duo nicht. Mit einem präzisen, aber immer liebevollen Blick beobachten sich die Eheleute in ihrem Beziehungsalltag, erzählen abwechselnd ihre Sicht derselben Situation und reflektieren dabei stets mit viel Humor, was geschieht. So kommt ans Licht, dass Schneider es peinlich findet, wenn Schreiber ihm beim Abendessen mit gemeinsamen Freunden ein Nasenhaar ausrupft. Sie sei allgemein eine «Zupferin», ständig zupfe sie an ihm herum, zupfe ihn zurecht, erzählt Schneider und startet gleich eine Umfrage, ob im Publikum auch Personen mit dieser speziellen Eigenschaft zu finden seien. Die Dunkelziffer muss wohl hoch sein, und es wird nicht das einzige Mal bleiben, dass man sich ertappt fühlt. Man erfährt einiges über die selbstbewusste gebürtige Münchnerin Schreiber, die zwar eine «Ich-kann-alles»-Attitüde hat, aber im Flugsimulator des Verkehrshauses an ihre Grenzen kommt, sodass der ruhige Schweizer am Ende doch das Steuer übernehmen muss. Die unterschiedlichen Problembewältigungsstrategien der beiden kommen auch in den Campingferien zu Tage. Während Schneider den sogenannten «Dienstweg» einhält und jede Bar und jeden Laden nach Heringen abklappert, weil die eigenen zuhause liegen geblieben sind, läuft sie kurzerhand zu den Nachbarinnen, welche ihr unkompliziert aushelfen. Ob es daran liegt, dass sie selber Deutsche sind?

Schreiben kann die Ehe retten

Es sind die Wortgefechte, die sich jeweils zwischen dem Vortragen der einzelnen Kolumnen entfalten, in denen sich das Talent der beiden besonders eindrücklich zeigt und die auch jeden Abend einzigartig machen, denn dann improvisieren sie. Besteht da nicht das Risiko, den anderen zu verletzen, wenn man etwas preisgibt, das nicht für das Publikum bestimmt ist? «Wir besprechen das natürlich und machen uns klar, was geht und was nicht», erzählt Schneider nach der Vorführung. Nach so vielen Jahren kennt man sich aber auch ziemlich gut. Wie denn die Kinder darauf reagieren würden, dass ihre Eltern ihren Alltag in Kolumnen schreiben? «Sie glauben, dass das alle Eltern und Ehepaare tun», sagt Schreiber. Eine brillante Idee und, wer weiss, vielleicht eine Alternative zur Paartherapie. Glaubt man den beiden Kolumnisten, scheinen sie eine ziemlich gute Ehe zu führen.

Um zum Schluss noch die eingangs gestellte Frage zu beantworten, ob man zu zweit zu einem Ganzen wird, führt Schneider Platons Mythos der Kugelmenschen an: Diese hatten vier Beine und Arme und zwei Köpfe, bis Zeus sie entzwei trennte, um sie zu schwächen. Seither sind die halbierten Menschen stets auf der Suche nach ihrer besseren Hälfte. Wenn sie sie gefunden haben, werden sie aber mehr als nur ganz, denn das Ganze ist – nach Aristoteles – mehr als die Summe seiner Teile.

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