Vom Bauerndorf zum Wohnquartier

Als Einstieg in die neue Serie zum Thema «Architektur in Höngg» dient ein sehr kurzer Abriss darüber, wie das Dorf zum heutigen Stadtquartier herangewachsen ist.

Höngg von oben. (Foto: Archiv Höngger)
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Das wahrscheinlich bekannteste Gebäude Hönggs und gleichzeitig sein Wahrzeichen ist sicherlich die Reformierte Kirche am Wettingertobel. Von weither sichtbar thront sie über dem Rebberg Chillesteig. Ihre Fundamentreste sind auf das achte Jahrhundert datiert. Die Kirche wurde jedoch in den Jahrhunderten nach 1000 mehrfach um- und ausgebaut. Das gotische Spitzbogen-Doppelfenster bei der Empore stammt aus dem Jahre 1250. Ihr heutiges Erscheinungsbild erhielt sie 1703, die Vorhalle wurde 1899 gebaut und 1968/69 wurde sie nochmals umfassend renoviert.

Neubauverbot und Herrenhäuser

Schon im 17. Jahrhundert beschäftigte das Bevölkerungswachstum die Stadt und ihre Anrainergemeinden: die Ressourcen wurden knapp. Um fremde Neuzuzüger*innen fernzuhalten, erhöhte die Gemeinde Höngg das sogenannte «Einzugsgeld» erst von 10 auf 15, später auf 60 Gulden. Wer von ausserhalb des Zürcher Herrschaftsgebietes kam, zahlte jeweils sogar das Doppelte. Ausserdem galt ab 1680 ein absolutes Neubauverbot, gut dokumentiert auch in der «Ortsgeschichte Höngg» (siehe Infobox). Die Bevölkerung wuchs dennoch weiter.
Für Stadtbürger galten die Neubauregeln nicht. So bauten die besser Betuchten ihre Land- und Herrenhäuser etwas ausserhalb der Stadt. Das älteste noch existierende Herrenhaus von einem Zürcher Stadtbürger in Höngg wurde 1674 an der Limmattalstrasse 9 erbaut, es handelt sich um Marx Eschers vom Luchs’ «Roter Ackerstein». Noch älter war das Weingut der gut betuchten Familie Ott, welches vermutlich 1640 ein paar hundert Meter weiter aufwärts, direkt an der heutigen Bushaltestelle Schwert, erbaut wurde.

Mehr Wohn- und weniger Bauernhäuser

Bis zur Französischen Revolution (1789-1799) blieb Höngg ein reines Bauerndorf. Erst nach 1800 tauchten langsam Wohnhäuser ohne dazugehöriges Stück Land, das bewirtschaftet wurde, auf. Aus dieser Zeit stammt auch das Orsini-Haus an der Ecke Limmattalstrasse-Regensdorferstrasse. Es ging 1895 aus einem Bauernhaus hervor, das 1821 gebaut worden war. Der graue Sockel, die symmetrisch gegliederte Fassade und die Fenster sind spätklassizistische Elemente.
Im 19. Jahrhundert wurde es eng in der Stadt, auch Höngg wuchs zwischen 1800 und 1900 von 1000 auf 3100 Seelen. Im Vergleich zu Nachbarsgemeinden wie Wipkingen und Aussersihl, die regelrecht explodierten, war das zwar bescheiden, bedeutete aber doch immerhin eine Verdreifachung der Bevölkerung. «Die Architektur verlor spätestens ab der Mitte des 19. Jahrhunderts ihre lokalen und regionalen Besonderheiten immer mehr», schreibt Georg Sibler in der «Ortsgeschichte Höngg». Daher könne eine Beschreibung der seitherigen Hausformen, der Baustile, der technischen Mittel nicht mehr Gegenstand einer Ortsgeschichte sein.

Bevölkerungswachstum und Strassenbau beeinflussen die Architektur

Noch vor der Eingemeindung 1934 setzte Höngg einen von der Stadtverwaltung entwickelten Bebauungsplan in Kraft. Dieser sah die parallel liegenden Strassenzüge Ackerstein-, Ottenberg, und Rebbergstrasse als Erschliessungswege vor. Die Häuser, die in den 30er-Jahren an eben diesen Strassen gebaut wurden, zeichnen sich durch ihre langen, hangparallelen Giebel aus. Den grössten Wachstumsschub erfuhr Höngg jedoch in den Nachkriegsjahren zwischen 1945 und 1965. Die Bevölkerung wuchs von 7000 auf 17000 Personen. Entsprechend wuchs das Quartier gegen Westen, Baugenossenschaften und private Anleger*innen bauten verdichtet und hoch, um möglichst viel Platz für die Neuzuzüger*innen zu schaffen. 1954 wurde die Tramlinie 13 bis ins Frankental verlängert, um all die Menschen zu ihren Wohnungen in den neuen Siedlungen am Stadtrand zu bringen. Auch aus dieser Zeit stammt das komplett anders gelagerte Einkaufszentrum «Rebstock», direkt am Meierhofplatz, dass unter anderem ein Kino wie auch ein Restaurant mit Kegelbahn beherbergte. Etwas schöner anzusehen – je nach Geschmack – waren die skulpturalen Wohnhäuser im brutalistischen Stil der 60er-Jahre, die unter anderem am Rebbergsteig, am Wartauweg oder im Vogtsrain entstanden.

Hönggerberg und Rütihof – zwei Satellitenstädte

Seit 1957 plante die ETH Zürich ihre Erweiterung auf dem Hönggerberg. Ab 1961 wurde in verschiedenen Etappen gebaut. Alleine über dieses riesige und noch nicht abgeschlossene Projekt wurden bereits Bücher geschrieben. Auch der «Höngger» widmete der Entwicklung auf dem Hausberg bereits ein ganzes Fokusthema und wird im Rahmen der Architekturserie nochmals darauf eingehen.
Schliesslich erreichte das Bevölkerungswachstum den Weiler Rütihof, welcher ab Ende der 70er-Jahre in kürzester Zeit zu einer Satellitenstadt «herangebaut» wurde. In den 80er- und 90er-Jahren wurde dort ohne übergeordneten Plan und in allen möglichen Stilen Siedlungen hochgezogen. Auch über den in den 80er-Jahren gescheiterten Versuch, den historischen Dorfkern in seiner Struktur zu erhalten, hat der «Höngger» bereits im Fokusthema «Baugeschichte» ausführlich berichtet. Im Zuge der vermeintlichen «Aufwertung des Dorfzentrums» wurden rund zwei Dutzend Häuser abgerissen und neu erstellt oder renoviert.
In den 2000er-Jahren wurden grosszügige Grundrisse mit grossen Balkonen und Fenstern sowie offenen, loftartigen Räumen beliebter. Die Anzahl der Quadratmeter pro Person stieg an. Seit einigen Jahren beeinflussten Themen wie 2000-Watt-Gesellschaft, Klimawandel, Zersiedlung, Bevölkerungswachstum und Verdichtung die Art und Weise, wie gebaut wird. Dies ist nur ein sehr grober Umriss der Entwicklung des Quartiers. In den kommenden Ausgaben wird im Rahmen der neuen Serie noch im Detail auf einzelne Epochen, Baustile und Gebäude eingegangen werden.

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