Wir sind Höngg
Volle Kraft voraus
Flurina «Flo» Grundlehner hat in ihrem Leben schon so einige Projekte gestemmt. Doch die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und die Faszination für Segelreisen ziehen sich wie ein roter Faden durch ihr Leben. Nun will sie einen Traum verwirklichen.
21. April 2025 — Dagmar Schräder
m Kreuzspital in Chur geboren, verbrachte ich als dritte von vier Töchtern meine ersten Lebensjahre in den Bergen oberhalb von Chur. Meine Eltern führten dort eine kleine Beiz, wir lebten ganzjährig dort. Die Beiz lag so abgelegen, dass wir im Winter mit dem Schlitten zum Kindergarten fahren mussten. Nach der Trennung meiner Eltern sind wir Töchter mit der Mutter nach Höngg gekommen, wo wir auch aufgewachsen sind. Hier im Quartier habe ich die Primarschule und die Sekundarschule absolviert. Als Jugendliche habe ich die Pfadi St. Mauritius Nansen kennengelernt und mich dort aktiv beteiligt. Ich war als Leiterin, später auch als Stufenleiterin tätig. Die Verantwortung und die Arbeit mit den Kindern haben mir grossen Spass bereitet.
Da wir als Familie oft auf dem Lago Maggiore gesegelt sind, schwebte mir damals der Lehrberuf als Bootsbauerin vor. Doch leider waren meine technischen und mathematischen Fähigkeiten für diese Tätigkeit nicht genug ausgeprägt. Deshalb habe ich alternativ das zehnte Schuljahr besucht und bin anschliessend Malerin geworden. Die Lehre hat mir zwar durchaus gefallen, danach habe ich allerdings nicht in diesem Job gearbeitet. Vielmehr bin ich wieder zurück zur Jugendarbeit: In der katholischen Kirchgemeinde Höngg wurde eine neue Stelle für «offene Jugendarbeit» geschaffen und ich hatte die Gelegenheit, aus der Pfadi quer einzusteigen.
Neben einer berufsbegleitenden Ausbildung konnte ich hier verschiedene Projekte auf die Beine stellen, die teilweise heute noch in Höngg bestehen – so haben wir zum Beispiel regelmässig ein Musical einstudiert und aufgeführt. Aus dieser Idee ist später das Musicalprojekt Zürich 10 herangewachsen. Auch das Werdinsel-Open-Air ist zu jener Zeit entstanden.
Während der Tätigkeit als Jugendarbeiterin sind wir zudem zum ersten Mal auf eine Segelreise nach Holland gefahren. Diese Form des Reisens hat es mir wirklich angetan – und ab da durfte ich alljährlich Jugendgruppen auf Segeltörns begleiten.
Von der Malerin zur Beleuchterin
Nach vielen Jahren bei der Pfarrei kam die Überlegung auf, ob ich eine soziale Ausbildung machen solle, um die Arbeit mit den Kindern professionalisieren zu können. Doch ich entschied mich gegen das Studium und begann stattdessen eine Weiterbildung als Farbgestalterin an der höheren Fachschule. Im Zusammenhang mit einem Projekt im Tanzhaus Zürich hatte ich die Möglichkeit, mit Licht und Beleuchtung zu arbeiten. Das hat mir so gut gefallen, dass ich beschlossen habe, Lichttechnikerin zu werden.
Beim Theater Rigiblick und beim «Bogen F» im Viadukt konnte ich anschliessend arbeiten, bis ich mit meiner zweiten Tochter schwanger war. Zu dieser Zeit haben viele Veranstalter auf LED umgestellt, da wäre wieder eine Weiterbildung nötig gewesen, und da die Arbeitszeiten nicht eben familienfreundlich sind, habe ich mich als Tagesmutter selbstständig gemacht. Seit über zehn Jahren betreue ich neben meinen eigenen drei Kindern Babys und Kleinkinder bei mir zu Hause.
Ein neuer Lebensabschnitt
In Zukunft möchte ich gerne als Beleuchterin wieder Teilzeit einsteigen, denn mittlerweile sind meine eigenen Kinder auch schon grösser und älter geworden. Daneben bin ich auf der Suche nach einer ergänzenden Tätigkeit, die ich ausüben kann, wenn ich den Job als Tagesmutter an den Nagel hänge. Und da kommt wieder das Segelreisen ins Spiel, das sich wie ein roter Faden durch mein Leben zieht.
Auch wenn ich keine Jugendgruppen mehr begleite, habe ich die Reisen ins holländische Wattenmeer fortgeführt und jedes Jahr privat einen Segeltörn mit Freund*innen und deren Familien organisiert. Doch damit nicht genug: Im letzten Sommer habe ich die Gelegenheit erhalten, das Plattboden-Schiff, mit dem wir oft verreisen, zu kaufen und mich mit der Organisation von Segelreisen selbstständig zu machen. Das ist eine grosse Aufgabe, ein solches Schiff kostet schliesslich einiges. Doch ich habe beschlossen, diese Herausforderung anzunehmen. In manchen Momenten überfallen mich auch Zweifel, doch dann fügt sich wieder so wunderbar eins zum anderen bei der Organisation, dass ich einfach weiss, dass ich das Richtige tue.
Ferien auf der «Vrijheid»
Ich habe nun damit begonnen, Geld für die Gründung einer Stiftung zu sammeln, die den Kauf des Schiffes finanzieren und die Organisation der Reisen übernehmen kann. Mit Sponsoren, Spenden und Fundraising werde ich, in Höngg beginnend und mit einem Helferteam im Rücken, den Betrag innerhalb von zwei bis drei Jahren auftreiben. Das Ziel ist, dass «die Vrijheid», so heisst das Schiff, weiterhin in den Niederlanden stationiert ist und wir von hier aus über die Stiftung regelmässig ökologische, nachhaltige Segelreisen für bis zu 30 Personen organisieren.
Ferien auf der «Vrijheid» sollen prinzipiell für alle möglich sein. Ich träume davon, auf dem Schiff Begegnungen zwischen verschiedenen Menschen zu schaffen, ganz nach dem Motto unserer Stiftung: «Perpetuum Mobile Nautica». Ich stelle mir zum Beispiel vor, dass verschiedene Konfirmations- oder Firmklassen gemeinsam segeln können. Weil das Schiff barrierefrei ausgebaut wird, werden zukünftig auch inklusive Reisen möglich sein.
Und es gibt noch viele weitere Ideen, was sich mit dem Schiff alles anstellen lässt. In den Wintermonaten, wenn das Schiff im Heimathafen liegt, könnte es zum Beispiel für Theaterseminare genutzt werden. Oder in Form eines «Hotelschiffs» an Bord Zimmer anbieten. Es gibt unglaublich viele Perspektiven, ich bin voller Tatendrang und sehr glücklich, Menschen gefunden zu haben, die mich bei der Verwirklichung meiner Vision unterstützen.
Aufgezeichnet von Dagmar Schräder
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