Vivaldi swingt

Nach Mozart und Haydn führte Peter Aregger zusammen mit dem reformierten Kirchenchor und dem Kammerorchester Aceras das «Magnificat», RV 611, das «Salve Regina», RV 617, und das «Gloria», RV 611, von Antonio Vivaldi auf.

Dirigent, Orchester und der Chor in der reformierten Kirche. (Foto: François G. Baer)

Es sind drei Fixsterne der klassischen Kirchenmusik, die in Höngg in der reformierten Kirche dargeboten wurden. Das ist gut so, denn zu ihrer Zeit bewegten die Werke die Kirchgänger «zwangsläufig». Heute aber, wo der Kirchgang keine bestimmende Grösse mehr für die Gesellschaft ist, müssen diese auch in Konzertsälen und medial vermittelt werden.

Eine der Schwierigkeiten zur Vermittlung der Werke ist die Sprache, die sich im Wortlaut und im Verständnis verändert hat. Gerade die lateinischen Texte, die schon vor der Reformation und bis heute nur einer kirchlichen oder studierten Elite geläufig waren und noch sind, sperren sich dagegen, aber auch die kulturellen und soziopolitischen Veränderungen.

Gerade liturgische Texte sind schwer auf einen überkonfessionellen humanistischen Kern zu reduzieren. Vivaldi macht es uns da etwas leichter: Sein musikalisches Schaffen ist derart immens – mit über 50 Opern, über 40 Solokantaten, unzähligen Konzerten, Sinfonien und Oratorien –, dass sich seine «Vier Jahreszeiten», das «Gloria» und das «Magnificat» als derart prototypisch «vivaldisch» und bekannt erweisen, dass sie auch ohne weitere Erklärungen aufgeführt werden können.

Rhythmus und Farbe

Das haben die Chormitglieder des reformierten Kirchenchors Höngg sowie die Mitglieder des Kammerorchesters Aceras bei der Aufführung in der Höngger Kirche getan. Ein Chormitglied schilderte, wie schwer es ihm anfänglich gefallen sei, den durchwegs lateinischen Text strukturiert zu verstehen, um dann zu erleben, wie mit der Übung mehr und mehr, vor allem auch mit der Unterstützung der ebenfalls übenden Musiker*innen, sich Rhythmus und Farbe, Melodik und Kontraste einstellten.

Als Peter Aregger auf das Podest sprang und die Arme hob, waren keine Unsicherheiten mehr vorhanden – los ging es: erst Orgel, dann Orchester und wuchtig der Chor – «Magnificat – Meine Seele preist die Grösse des Herrn!» Diesem Statement folgen dessen Eigenschaften, changierend in Moll und Dur, abwechselnd und auch zusammen von der Altistin Alexandra Forster und der Sopranistin Catriona Bühler und dem Chor packend gesungen.

Dem folgte als Brücke zum wiederum stark bewegten «Gloria» das «Salve Regina», eine Ode an Maria, der geprüften Mutter, geschmeidig, eindringlich, elegant und mitreissend von Catriona Bühler gesungen und von der Solovioline und den Streichern innig begleitet.

Wunderbar witzig

Nach einer kurzen, durchaus melodischen Stimmpause für die sensiblen Streichinstrumente folgte das fanfarenartige D-Dur-Motiv, das an den «Herbst» der «Vier Jahreszeiten» erinnert und durch den Klang der Oboe und der Trompete an Dringlichkeit und Glanz gewinnt.

Nun sind wir froh, dass wir eingangs ein Textblatt mit der deutschen Übersetzung bekommen haben, denn nach dem «Gloria in excelsis Deo», der Lobpreisung Gottes, folgt das «Et in Terra Pax» – «und auf Erden Friede den Menschen, die guten Willens sind», was die Stimmung sofort erdete.

Die folgenden zehn Sätze wechseln sich in der Tonlage ab, von wunderbar witzig oder wie beim 7. Satz, bei der Nennung Christis, beschwingt wie Salsa, mit einem Chor, der swingt und dem darauffolgenden Dämpfer, dem «Agnus Dei», von Alexandra Forster demütig wiedergegeben. Mit der Nennung des Heiligen Geistes beschliesst das nochmalige «Gloria» furios das Konzert.

Man hätte diese Aufführung mit ihrer Gesamtqualität durchaus aufnehmen können: Aceras überzeugte mit seiner Aufführungspraxis, Catriona Bühler machte mit ihrer glänzenden Stimme, was sie wollte, Alexandra Forster beherrschte die gebrochenen Töne, Tamar Midelashvili zeigte sich als würdige Nachfolgerin von Robert Schmid an der Orgel und Peter Aregger ehrte Vivaldi und motivierte alle Beteiligten zu Höchstleistungen.

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