Verhältnisloser Sex

Liebe Drehbuchautoren, Regisseure und Produzenten, ihr müsst mir da mal was erklären. Ja, ihr Männer der Filmbranche, denn es sind wohl vorwiegend ihr, die das regelmässig verbockt. Also die Frage: Warum gewichtet ihr die täglichen Bedürfnisse der Menschen in euren Filmen und Serien dermassen abseits jeglicher Realität? Also mal unter uns: Warum sind eure Protagonist*innen häufiger beim Sex zu sehen als beim Einkaufen, Kochen, Putzen, Waschen oder auf dem Klo sitzend? In Spitalserien schläft sich die ganze Ärzteschaft durch alle Wäschekammern, doch aufs Klo müssen die nie und selbst im langweiligsten Krimi werden stundenlang Körpersäfte ausgetauscht, aber für kleine Jungs muss nie einer. Warum eigentlich nicht? Weil er Angst davor hat, sich der unangenehmen Wahrheit einer leeren Klopapierrolle zu stellen? Vielleicht müssen die ja echt nie aufs Klo, da mit Kathetern und künstlichen Darmausgängen ausgestattet. Doch auch die müssten ja mal geleert werden. Sorry, falsch, denn getrunken oder gegessen wird in euren Filmen ja auch kaum je. Das reale Leben ist nicht so. Vielleicht früher mal, in Harvey Weinsteins Welt, aber wie man weiss, auch dort nicht allseits freiwillig. Jede Galaxus-Werbung ist mit «Du hast das Leben, wir die Produkte» realistischer als eure Filme – ihr könntet werben mit «Du hast die Realität, wir keine Ahnung davon» (© Frank Frei).
Natürlich, ich bin ja nicht doof. Und prüde übrigens auch nicht. «Sex sells», das war schon immer so, sonst wären wir ausgestorben. Und es ist mir auch völlig klar, dass die grosse Filmindustrie die Realität auch nicht abbilden muss, weil die grosse Masse der Konsument*innen die gar nicht auf der Leinwand sehen will, denn dreidimensional im täglichen Leben ist sie deprimierend genug. Realität überlässt man lieber diesen Freaks, diesen Dokumentarfilmern und ihrem Publikum, diesen Arthouse-Kinogängern in ihren Birkenstock-Latschen.
Trotzdem bleibe ich dabei: Wenn ich Sexszenen sehen will, zieh ich mir notfalls einen Porno rein. In allen anderen Filmen aber wünsche ich mir, wenn schon Sex, dann in einem realistischen Verhältnis zum Rest, der das Leben einen Menschen ausmacht. Einkaufen, Kochen, Putzen, Waschen oder auf dem Klo sitzen…

Es grüsst, via Handy, ja von wo wohl?
Frank Frei

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