Quartierleben
Unerwünschte Gäste im Garten
Invasive Neophyten sind Pflanzen, die hierzulande ursprünglich nicht heimisch waren, sich jedoch zunehmend ausbreiten. Zu den hartnäckigsten Eindringlingen gehört das Einjährige Berufkraut.
1. Juli 2022 — Dagmar Schräder
Hässlich ist es nicht, das Berufkraut. Mit seinen hübschen weissen Blüten auf den langen Stielen, die bis zu 1,2 Meter hoch werden können, wirkt das zur Familie der Korbblüter gehörende Gewächs ein wenig wie eine hochaufgeschossene Mischung aus Gänseblümchen und Margerite. Seine Schönheit ist auch der Grund, dass es hierzulande überhaupt zu finden ist: Ursprünglich in Nordamerika zu Hause wurde Erigeron annuus, wie der korrekte Name der Pflanze ist, im 18. Jahrhundert als Zier- und Dekopflanze nach Europa importiert.
Die ich rief, die Geister …
Doch mittlerweile ist es längst nicht mehr nur Zierde, sondern vor allem Bürde. Einmal auf einer Grünfläche angekommen, wird man das Kraut so schnell nicht mehr los. «Aus meiner Sicht ist das Einjährige Berufkraut momentan einer der problematischsten invasiven Neophyten hierzulande», erklärt Benjamin Kämpfen vom Natur- und Vogelschutzverein Höngg dem «Höngger» in einem Gespräch. «Obwohl der Neophyt schon lange hier im Lande ist, nimmt er erst seit einigen Jahren massiv überhand – insbesondere seit dem Hitzesommer 2003.» Gut möglich, dass er die Gelegenheit genutzt hat, sich auf den von der Hitze verbrannten Flächen und strapazierten Wiesen auszubreiten. Das Berufkraut bevorzugt nämlich Lücken in der Vegetation und Ruderalflächen und wächst daher auch gerne an Strassenrändern, Waldwegen oder auf neu angesäten Wiesen. Auf extensiv bewirtschafteten Magerwiesen in der Landwirtschaft ist die Pflanze ebenfalls in den letzten Jahren zu einem massiven Problem geworden. «Ganz dramatisch ist die Situation auch auf begrünten Flachdächern», ergänzt Kämpfen. «Hier wird oft nicht gejätet, sodass sich die Pflanze ungehindert ausbreiten kann.»
Und diese Verbreitung schreitet enorm schnell voran: «Untersuchungen, die von der ZHAW durchgeführt wurden, haben ergeben, dass auf einem Quadratmeter Erde eines betroffenen Grundstücks bis zu 30 000 keimfähige Samen im Boden zu finden waren. Das führt innert kürzester Zeit zu einem drastischen Rückgang an Biodiversität. Neben dem Berufkraut wächst bald nichts mehr anderes, wenn man es zulässt», schildert Kämpfen die Situation.
Wie vorgehen?
Aus diesem Grund raten Fachleute dringend dazu, Grünflächen auf Befall mit dem Neophyten zu kontrollieren und gezielt dagegen vorzugehen.
Am einfachsten lässt sich das Berufkraut bekämpfen, wenn der Bestand noch gering ist. Einzelne Pflanzen können dann relativ einfach entfernt werden, wobei darauf zu achten ist, dass sie mitsamt Wurzeln entnommen werden – am besten mit einer kleinen Gartenhacke. Weil die Wurzeln immer stärker werden, je öfter die Pflanze ausgerissen und nicht ganz entfernt wurde, macht das Mähen von betroffenen Flächen nur wenig Sinn, ausser es dient als «Notmassnahme», um das Versamen der bestehenden Pflanzen zu verhindern. Den aktuellen Bestand kann man durch Mähen jedoch nicht verringern.
Wichtig ist, diesen Vorgang zwischen Mai und Oktober regelmässig zu wiederholen, weil die Pflanze sehr schnell auskeimt und wächst. Vor allem aber sollte darauf geachtet werden, sie noch vor der Blüte, die meist im Frühsommer stattfindet, zu entfernen, weil sonst die Versamung stattfindet.
Abgeschnittene oder ausgerissene Pflanzen sollten anschliessend auf keinen Fall in den Kompost oder Biomüll gegeben werden, damit sich die Samen nicht an einem neuen Ort ausbreiten können, sondern vorzugsweise im Hausmüll entsorgt werden.
«Wenn diese Massnahmen beherzigt und konsequent durchgeführt werden, hat man eine gute Chance, das Berufkraut wieder loszuwerden», macht Kämpfen Hoffnung. Hat es sich hingegen erst mal in einer Wiese ausgebreitet, wird es sehr aufwendig, es zu entfernen. Dann sind oft jahrelange intensive Bemühungen notwendig, um den Befall zu eliminieren.
Fachstellen unterstützen
Das Berufkraut ist leider nicht der einzige problematische Neophyt. Rund 40 bis 50 invasive Neophyten, so schätzt Kämpfen, liessen sich hierzulande mittlerweile zählen – Tendenz steigend. «Mit dem Klimawandel ist davon auszugehen, dass wir weiterhin gefordert sind in der Regulierung von invasiven Neophyten. Es zeichnet sich ab, dass neue Pflanzenarten in den Fokus rücken. Der Druck wird nicht weniger. In Folge der Ausbreitung von invasiven Neophyten werden heimische Pflanzenarten verdrängt und mit ihnen die auf sie spezialisierten Tierarten», erklärt auch Myriam Rothenbühler, Projektleiterin Naturschutz und Stadtökologie bei Grün Stadt Zürich.
Sowohl die Stadt als auch der Kanton haben deshalb eigene Fachstellen eingerichtet, deren Ziel die Bekämpfung von Neophyten ist. Mit Informationsbroschüren und Kontaktadressen informieren sie die Bevölkerung und unterstützen sie dabei, das unerwünschte Gewächs wieder loszuwerden. Für Private würden zudem Infoanlässe durchgeführt, zusätzlich stehe ein Förderprogramm mit finanziellem Beitrag bei der Entfernung von invasiven Neophyten zur Verfügung, so Rothenbühler.
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