Und plötzlich war da Tempo 30

Auf der Achse Am Wasser/Breitensteinstrasse reibt man sich die Augen: Jahrelang war Tempo 30 ein Dauerbrenner und ein Flickenteppich, dann kam diesen Sommer der Versuch «Tempo 30 nachts» und gleich anschliessend ist nun plötzlich durchgehend Tempo 30 eingeführt. Was ist geschehen?

Mit Hinweisschildern wird auf die neue Temporegelung aufmerksam gemacht.
Überflüssig gewordenes Schild zur Aufhebung der Tempo-30-Zone am Ende der Bäulistrasse.
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Die Verkehrssituation auf der Verkehrsachse Am Wasser/Breitensteinstrasse ist – nebst einem seit 2012 auf Eis gelegten Sanierungsprojekt – seit Jahren ein Thema. Nebst zum Teil engen Passagen und hohen Verkehrsaufkommen ging es immer auch darum, die Höchstgeschwindigkeit von der Europabrücke bis zum Wipkingerplatz auf Tempo 30 zu beschränken.
Bereits am 8. Januar 2014 hatte die Stadt Zürich einen Pilotversuch mit «Tempo 30 nachts» für den Sommer desselben Jahres ausgeschrieben. Doch dagegen erhoben die Autoverbände ACS und TCS – wie gegen alle solche Versuche auf Stadtgebiet – umgehend Einsprache. Der Versuch war somit blockiert und konnte erst nach Abschluss der Rechtsmittelverfahren durchgeführt werden. Zwischen 8. Juli und 8. Oktober dieses Jahres war es denn endlich so weit.

Die Weisung überholte den Versuch

Doch unterdessen war auf der Ebene des Lärmschutzes ebenfalls Bewegung in die Geschichte gekommen: Am 18. Januar 2017 wurde im Tagblatt der Stadt Zürich – gemäss dem Strassengesetz des Kantons Zürich – die permanente Höchstgeschwindigkeit 30 aus Lärmschutzgründen auch für die Achse Am Wasser/Breitensteinstrasse ausgeschrieben. «Natürlich» wurden dagegen ebenfalls Einsprachen erhoben, diese wurden jedoch im Juni 2018 erstinstanzlich durch den Stadtrat abgewiesen. Und da die Rekurrenten diesen Entscheid nicht weiterzogen, wurde die Verfügung rechtskräftig.
Damit hätte also das generelle Tempo 30 bereits vor dem Start des Versuches mit «Tempo 30 nachts» eingeführt werden können. Doch die Stadt, so gibt Heiko Ciceri, Kommunikationsverantwortlicher der Dienstabteilung Verkehr der Stadt Zürich (DAV) auf Anfrage des «Hönggers» bekannt, wollte auf diese Örtlichkeit als Versuchsstrecke nicht verzichten, weil es die längste aller für solche Versuche ausgeschriebenen Strecken war und man sich einen Erkenntnisgewinn für die Beurteilung anderer langer Strassenabschnitte in Zürich versprach.

Überraschte Anwohner*innen

Als der Versuch nun abgeschlossen war, wurden folglich nur die Beitafeln «Lärmschutz 22.00 – 06.00 Uhr» entfernt und die temporären Hinweise «Signalisationsänderung» aufgestellt, um die Verkehrsteilnehmer auf das neue Tempolimit hinzuweisen – was für viele Anwohner*innen überraschend kam und für Gesprächsstoff sorgte. Dabei sei es, so ein Leser gegenüber dem «Höngger», nicht primär über Sinn oder Unsinn von Tempo 30 gegangen, sondern warum man nicht über die definitive Einführung orientiert worden sei und warum man nun nicht zuerst die Versuchsergebnisse abgewartet habe. Nun, eigentlich hätte der voraussichtliche Ablauf anhand der Publikationen im Tagblatt klar sein können, doch das hat, zugegebenermassen, selbst der «Höngger» übersehen.
Die Auswertung des Nacht-Versuchs läuft derzeit, mit Ergebnissen ist nicht vor dem ersten Quartal 2019 zu rechnen. Auf das nun definitiv geltende Temporegime auf der Achse Am Wasser/Breitensteinstrasse werden sie keine Auswirkung mehr haben, auf andere Gebiete der Stadt jedoch schon.

200-Restmeter für Tempo 50

Nun ist also die ganze Achse eine Tempo-30-Zone. Abgesehen von den 200 Metern zwischen Europabrücke und dem Haus Am Wasser 134: Dort darf Tempo 50 gefahren werden. Das sei deshalb so, schreibt die DAV, weil dort «das Erscheinungsbild der Strasse nicht Tempo-30-typisch» sei, «die Strasse ist dafür eigentlich viel zu breit. Daher können die Verkehrsteilnehmenden nicht aufgrund der Strassengeometrie darauf schliessen, dass hier Tempo 30 gilt». Was alle verwirren mag, welche dachten, massgebend für das Tempo sei die signalisierte Höchstgeschwindigkeit und nicht die Breite einer Strasse. Dem sei aber so, und es werde in der Praxis wie auch in der Rechtsprechung so gehandhabt, so die DAV, die aber selbst anfügt, dass man sich über Sinn und Unsinn hier sicher streiten könne.

Alle Artikel zum Thema «Am Wasser/Breitensteinstrasse» unter www.hoengger.ch/dossiers

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