Über die Schnecken zur Jugendbuchautorin

Theres Buholzer hält ziemlich ungewöhnliche Haustiere: Sie hegt und pflegt auf ihrem Balkon Schnecken. Nach sechs Jahren, in denen sie die Tiere beobachtet und fotografiert hatte, brachte sie ein Buch über sie heraus – mit Erfolg.

Theres Buholzer war mit ihrem Buch «Schneckenleben» sehr erfolgreich.

Buholzer, die seit 25 Jahren in Höngg lebt, hatte beruflich nicht mit Schnecken zu tun. Sie war Sozialarbeiterin und arbeitete vier Jahre als Hortleiterin. In diesem Zusammenhang kam sie Ende der 70er-Jahre auf die Schnecken: Ein Junge kam mit einem dieser Tiere in den Hort und sprach den Wunsch aus, für diesen ein Gärtchen anzulegen. Auch die anderen Kinder gingen sofort fleissig Schnecken sammeln und bauten zusammen einen Schneckengarten. Das Interesse der Kinder schwand jedoch schnell, denn die Weichtiere schliefen tagsüber. Theres Buholzer aber hatte für sich das perfekte Haustier gefunden. So entschied sie sich, auf ihrem Balkon ein Schneckengehege einzurichten.

Faszinierende Wesen

Im Gegensatz zu den Kindern hielt ihre Faszination für die Schnecken an: Sie begann zu fotografieren, zu beobachten und zu dokumentieren. Dabei war ihre Absicht anfangs gar nicht, ein Buch zu schreiben, sondern sie dokumentierte aus purem Interesse. Nach fünf Jahren hatte Buholzer dann so viel Material an Diapositivs und Notizen, dass sie fand, dass man damit etwas anfangen sollte. Ein Bekannter riet ihr, daraus ein Sachbuch zu machen. So schrieb sie das Ganze in die Form eines Sachbuchs um, das den Jahresablauf der Schnecken beschreibt. Für den theoretischen Teil holte sie sich Hilfe beim Zoologischen Institut der Universität Zürich.
Sie bewarb sich darauf mit ihren Unterlagen beim Kinderbuchverlag Luzern. Trotz anfänglicher Skepsis überzeugte das Werk den Verlag und das Buch «Schneckenleben» wurde 1984 gedruckt. Nur 80 Rappen erhielt Buholzer anfangs pro Buch. Falls es ein zweites Mal gedruckt würde, würde man diesen Betrag auf 90 Rappen pro Buch erhöhen, versprach man ihr. Es wurde jedoch nicht nur ein zweites Mal gedruckt, sondern sogar 13 Mal aufgelegt «Am Anfang war es der absolute Renner», erzählt Buholzer. Es lag in Schulbibliotheken auf, nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Österreich und Deutschland. «Sie mussten es also nochmals drucken, und dann gleich wieder, und gleich nochmals», berichtet Buholzer stolz. Schliesslich wurde das Buch in sieben Sprachen übersetzt. Und bei diesen Erfolgen blieb es nicht: «Schneckenleben» kam 1985 in die Auswahlliste des Jugendliteraturpreises Deutschland.

Mit Schnecken zum Erfolg

Buholzer hatte überhaupt nicht erwartet, dass das Buch so erfolgreich sein würde. Trotzdem freute sie sich natürlich riesig, dass das Buch so gut ankam: «Das war für mich ein wirklich schönes Erlebnis». Im Verlaufe der Jahre sind Jugendbücher von Verlag zu Verlag weiter gereicht worden. Dabei verschwanden fast alle Fotobücher, da die Verlage sich illustrierte Geschichten wünschten. Die Bücher, die eine Auszeichnung hatten, also auch Buholzer’s «Schneckenleben», wurden jedoch weiter gedruckt. Seit ein paar Jahren gebe es nun wieder vermehrt Fotobücher mit Tieren, aber «sie sind immer noch in der Minderheit», erklärt Buholzer. Gezeichnete Tierbücher in Geschichtsform seien wohl einfach beliebter bei den Kindern.
Trotzallem hatte Theres Buholzer Erfolg und ihr Buch wurde immer wieder publiziert, was wohl auch an ihrer ungeheuren Leidenschaft und Freude an den Schnecken liegen muss: «Ich war beruflich und auch sonst immer sehr aktiv, und dann waren meine Schnecken immer wie ein Ruhepol für mich. Wenn ich abends nach Hause komme, dann schaue ich in meinen Schneckenstall und kümmere mich um die Schnecken, das hat etwas sehr Beruhigendes.»

Vorträge und Schneckenrennen

Buholzer wurde einige Mal von Schulen oder Interessengruppen für Vorträge eingeladen. Das mache sie heute nicht mehr, denn der Aufwand sei sehr gross. Die ungewöhnlichste Anfrage erhielt sie einmal von einer Werbefirma, die an ihrem Anlass ein Schneckenrennen veranstalten wollte. «Das haben sie wirklich schön gemacht», erzählt sie, «mit <Start> und <Ziel> und Nummernschildchen für die Schnecken.» Die Schneckenexpertin hatte als Vorbereitung dafür ihre eigenen Weinbergschnecken gegen fremde antreten lassen. Sie erwartete, dass die Fremden schneller sein würden, da sie mehr Auslauf haben als ihre Haustiere. Doch falsch gedacht, ihre Schnecken gewannen das Rennen!

Andere Projekte konnten leider aus verschiedenen Gründen nicht realisiert werden. Eine Idee war beispielsweise, ein Buch über ein Amselpaar zu schreiben, das einen Sommer lang auf Buholzers Balkon insgesamt dreimal Junge hatte. Doch der Verlag lehnte ab mit der Begründung, dass es spannendere Themen als Amseln gebe. Buholzer kann das nicht nachvollziehen. Denn genau das wolle sie mit ihrem Buch erreichen: Die Leser*innen solle auch Tiere, die man täglich sieht, und die auf den ersten Blick nicht spannend erscheinen, kennen- und schätzenlernen.

Schneckenleben
von Theres Buholzer
ISBN 978-3-7373-5639-8
16 Franken im Höngger Infozentrum, Meierhofplatz 2

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