Traf die Queen und half Anti-Terror-Einheit aufbauen

Am Aktivia-Nachmittag fand letzten Donnerstag in der Pfarrei Heilig Geist ein Vortrag zum Thema «Polizei frü- her und heute» statt. Christian Ambühl, pensionierter Polizist der Spezialeinheit Diamant, erzählte aus vergangenen Zeiten.

Christian Ambühl, pensionierter Polizist, muss sich heute nicht mehr professionell verstecken – da ist sogar ein sympathisches Lächeln aus dem Versteck erlaubt.

Über fünfzig Seniorinnen und Senioren liessen sich vom verheissenden Titel anlocken und sassen aufmerksam im Saal der Pfarrei Heilig Geist. Peter Gruber von der Aktivia-Kerngruppe begrüsste das Publikum mit den Worten «Es ist Aktivia-Nachmittag, und wie üblich ist es schönes Wetter – doch trotzdem erwartet uns jetzt ein spannender Vortrag. Christian Ambühl ist ein Klassenkamerad von mir: Wir besuchten zusammen die Polizeirekrutenschule 1964/1965 bei der Kantonspolizei Zürich.» Sie hätten ganze Wochen in der Kaserne Zürich zusammen verbracht, und deshalb sei man Klassenkamerad, «bis man nicht mehr lebt». Er beschrieb den neben ihm stehenden Christian Ambühl als «gross, kräftig gebaut, Hände gross wie Suppenteller, mehrsprachig – und somit prädestiniert für seine Arbeit bei der Polizei».

Als «Tiger» fliegender Sicherheitsbeamter gewesen

Der seit dem Jahr 2004 pensionierte Polizist erzählte, dass er nach seiner Ausbildung in den Sechzigerjahren zuerst bei der Verkehrspolizei und dann bis 1975 als Landstationierter in Meilen gearbeitet habe. «Zwischen 1970 und 1983 waren ganz besondere Einsätze angesagt: Als sogenannter ‹Tiger› war ich für die Swissair als Sky Marshall im Einsatz.» Er flog in der ganzen Welt als Sicherheitsbeamter umher und lernte auf den vielen Flugzeugreisen Englisch: «Meist waren die Flüge ruhig, und so konnte ich bestens Englischbücher durcharbeiten.» 1969 seien übrigens drei Polizisten am Flughafen stationiert gewesen – heute sind es rund tausend Sicherheitsbeauftragte. «Früher brauchte es schlicht nicht mehr Personal, was sich grundlegend geändert hat.»

Wie die Spezialeinheit aufgebaut ist

Ein gezeigtes Organigramm verdeutlichte, wie die Spezialeinheit Diamant heute aufgebaut ist: Die Kantonspolizei Zürich untersteht der Sicherheitsdirektion unter Regierungsrat Mario Fehr. Dann folgt das Kommando mit dem Kommandanten. Es gibt die Bereiche Kripo (Kriminalpolizei), Verkehrspolizei, Regionalpolizei, Flughafenpolizei und zu guter Letzt die Sicherheitspolizei – in dieser ist die Spezialeinheit Diamant integriert. «Sie hat keine Leute, die ‹ufem Stängeli› warten, sondern bezieht aus allen anderen der genannten Gruppen ihre Mitarbeiter, denn sie wird nur situationsbezogen genutzt», erklärte Christian Ambühl.

Was genau ist Terrorismus?

So ist die Sicherheitspolizei nicht nur für den Bevölkerungsschutz und Abteilungen wie Umwelt- oder Tierschutz zuständig, sondern auch für den Ordnungsdienst und vor allem für den Einsatz im Personenschutz und gegen gefährliche Straftäter – was man früher Anti-Terror-Einheit nannte. Die Bezeichnungen in Europa sind oft anders, so zum Beispiel Spezialeinheit, Mobiles Einsatzkommando, GSG 9, Cobra, Polizeigrenadiere oder eben Einsatzgruppe Diamant – doch ihr Aufgabengebiet ist dasselbe. Christian Ambühl beschrieb die Definition von Terrorismus so: «Er ist eine Form der Gewaltanwendung gegen Personen, die oft von anonymen Personen oder Personengruppen zum Beispiel gegen Regierungen, Bevölkerungskreise oder ganze Bevölkerungen ausgeübt wird – dies mit dem Ziel, die eigenen Vorstellungen durchzusetzen.» Dazu gehörten übrigens auch die damals häufi gen Waffendiebstähle aus lokalen Zeughäusern in der Schweiz: Das Diebesgut wurde oft an Attentäter verscherbelt. In Höngg wurden 1973 sieben Handgranaten Typ 43 aus dem damaligen Zeughäuschen gestohlen.

Bill Clinton und Queen Elizabeth sind «ganz normale Leute»

1973 war Christian Ambühl Teilnehmer der ersten Anti-Terror-Ausbildung der Schweiz, ein Jahr später bereits Teilnehmer am ersten Instruktorenkurs. «1975 wurde ich als Instruktor des neu gegründeten Sicherheitsdienstes der Kantonspolizei Zürich einberufen. Darunter fielen die Ausbildung der Anti-Terror-Einheit, des Ordnungsdienstes sowie das Organisieren und Führen von entsprechenden Einsätzen.» Bis 1987 war er sogar Chefinstruktor des Schutzdetachements für den Bundesrat. «In all diesen Jahren erlebte ich enorm viel und auch Unglaubliches. Ich traf berühmte Leute wie Prinz Charles, Queen Elizabeth, Bill Clinton oder Al Gore – und muss sagen, alle sind ganz normale Leute. » Die Sicherheitsvorkehrungen vor und während solcher Staats- und Privatbesuche seien jeweils riesig gewesen: Beim Besuch von Queen Elizabeth in Zürich 1980 fanden ab drei Uhr morgens Sicherheitsvorkehrungen statt: So wurden unter anderem alle Dolendeckel auf der Route auf Bomben kontrolliert, zirka 800 Sicherheitsbeauftragte (Polizei, Feuerwehr, Sanität, städtische Werke und andere) waren im Einsatz. Beim Gang über die abgesperrte Münsterbrücke standen an den Absperrgittern Dutzende von Schulkindern – aber nicht nur aus Freude über die Queen, sondern auch, weil sie Kindergrösse hatten und man allfällige Attentäter so rascher entdeckt hätte – die Schüler waren also eigens für den Anlass «bestellt» worden. «Ein Staatsbesuch läuft sozusagen mit der Stoppuhr ab. Im Personenschutz werden gezielt Links- und Rechtshänder folgerichtig platziert, Pferde nicht nur aufgestellt, weil sie schön und edel sind, sondern weil man mit ihnen auch Leute zurückdrängen kann, und regelmässig sind Fluchtpunkte auf der Route eingeplant.» Die zu Beschützenden wissen zu jedem Zeitpunkt, dass sie von den Sicherheitsleuten aus der Gefahrenzone geschafft werden könnten und sind deshalb auf solche Momente gefasst.

Fremde Staatsvertreter sind unter allen Umständen zu schützen

Unter all den Politikern waren natürlich auch solche, deren politische oder religiöse Ansichten mit denen von Christian Ambühl nicht auf der gleichen Ebene waren. «Unsere Ansicht als Polizisten darf zu keiner Zeit eine Rolle spielen. Laut den Bestimmungen des Völkerrechtes nach dem Wienerkongress von 1815 ist das jeweilige Gastland verpflichtet, fremde Staatsvertreter auf seinem Staatsgebiet zu schützen – unter allen Umständen. Und dies habe ich getan.» Nebst unzähligen Konferenzen in Zürich und Bern, welche nicht selten über Nacht stattfanden, arbeitete Christian Ambühl am WEF in Davos, dem WTO und der Palästinakonferenz in Genf sowie dem G-8-Gipfel in Evian. Zu guter Letzt noch ein Ferientipp von Christian Ambühl: «Gehen Sie während des WEF in die Skiferien nach Davos – die Pisten sind leer, und man kann nach Herzenslust die Hänge hinuntersausen!»

Die Aktivia-Kerngruppe organisiert seit acht Jahren monatlich einen Spielnachmittag in der Pfarrei Heilig Geist sowie ein Referat oder einen Ausflug. Die Teilnahme ist kostenlos, bei aufwändigeren Anlässen wird ein Unkostenbeitrag erhoben.