Dagmar schreibt
«Too much information»
Unsere Redaktorin Dagmar Schräder schreibt über die grossen und kleinen Dinge des Lebens. Heute über die Abhängigkeit von Suchmaschinen.
20. April 2025 — Dagmar Schräder
Ich weiss nicht, ob es Ihnen auch so geht, aber ich wünsche mir manchmal die Zeit vor Google & Co. zurück. Manchmal stelle ich mir nämlich vor, wie die Menschen früher, lange vor dem Internet, gelebt haben und bin mir nicht so sicher, ob sie viel unglücklicher waren als wir. Das ist natürlich vermessen: Ich kann mich in das Leben der Leute vor 100 oder 200 Jahren nicht wirklich einfühlen und es hat in den vergangenen Jahrzehnten unbestritten eine grosse Menge an nützlicher Innovationen gegeben. Aber zuweilen stresst mich die moderne Welt. Etwa diese allgegenwärtige Verfügbarkeit von Informationen, das ständige Googeln aller Fragen, die einem so während eines Tages begegnen.
Ich finde es beispielsweise anstrengend, wenn man im Freundeskreis zusammensitzt und über etwas diskutiert. Früher oder später taucht irgendeine Frage auf, die keiner beantworten kann. Man erinnert sich nicht mehr an das Datum eines Ereignisses, will etwas Politisches diskutieren und hat den Namen des Bundesrats vergessen oder was weiss ich. Und dann wird das Gespräch automatisch unterbrochen, weil alle zum Handy greifen und die Antwort kurz im Internet suchen müssen. Schon toll, danach weiss man es, aber das Gespräch ist dadurch gestört, weil man meistens, so ganz nebenbei, noch etwas andres Interessantes entdeckt und dann vom Thema abschweift.
Ausserdem fällt mir auf, dass ich mir Dinge einfach nicht mehr merke, weil ich weiss, dass ich die Informationen jederzeit abrufen kann. Stichwort Kochrezepte: Bestimmt schon tausende Male habe ich das Rezept für Pancakes gegoogelt – immer wieder sonntags, wenn ich ein gemütliches Frühstück zubereiten möchte. Dabei ist das nicht wirklich kompliziert. Sogar mein jüngster Sohn weiss, wie man die paar Eier mit Mehl und Milch mischt. Aber mein Hirn ist zu bequem und verlässt sich lieber auf den kleinen Gehilfen in meinem Handy. Ist doch albern.
Komplett unerträglich wird das Ganze, wenn bei mir, meinen Tieren oder – noch schlimmer – bei meinen Kindern irgendwelche medizinischen Symptome auftauchen. Es reicht schon ein Pickel oder ein kleiner Ausschlag. Dann denke ich mir sofort: «Lass bloss die Finger von Google.» Denn ich weiss, dass sich bei der Suche immer irgendwelche potenziell tödlichen Krankheiten melden, ich dann nervös werde und immer weitersuchen muss, bis ich mir selber und den Kindern damit auf die Nerven gehe. Doch das nützt gar nix, denn mein hypochondrischer Drang nach Information ist stärker als ich. Irgendwann fang ich doch an zu recherchieren.
Und das sind die Momente, in denen ich mir überlege, wie das früher so gemacht wurde. Da konnte man höchstens mal im «Brockhaus», dieser dicken Enzyklopädie, nachschlagen. Oder die Ärztin fragen. Ansonsten musste man diesen doofen Pickel halt einfach akzeptieren. Und hoffen, dass er wieder weggeht. Was er in den allermeisten Fällen ohnehin tut. Sehr wahrscheinlich hat man sich auch viel weniger Gedanken darüber gemacht, weil man gar nicht ahnte, was alles hinter so einem ekligen Mitesser stecken könnte. Vielleicht ist man einfach davon ausgegangen, dass schon alles gut enden wird. Und hatte dadurch viel mehr Zeit, sich mit dem Wichtigen, dem Leben im Moment, zu beschäftigen.
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