Tierischen «Veggies» auf den Zahn gefühlt

Zumindest nach den Festtagen wäre vegetarische Ernährung angesagt. Doch würden wir mit unseren Zähnen Grünzeug richtig zermahlen oder gar Nussschalen knacken, wäre der Gang zum Zahnarzt unabdingbar.

Genagt wird mit den unteren Nagezähnen.
Rattenschädel: Die Vorderkanten der Nagezähne sind stets messerscharf.
Die Backenzähne des Rehs erhalten ihr Mahlrelief durch unterschiedliche Abnutzung.
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Ein Stück Apfel abbeissen können wir problemlos. Salat jedoch zerquetschen wir eher, als ihn zu zermahlen. Nüsse zu öffnen oder gar Baumrinden abzuschälen, ist mit unseren Zähnen schlicht undenkbar. Nagezähne wären hierfür eigentlich optimal, doch wenn wir uns mit den gelben Zähnen eines Eichhörnchens vorstellen, so wäre dies ja nicht wirklich selfie-tauglich. Wie bei uns, bestehen die Schneidezähne der Nagetiere zwar auch aus Zahnbein und Zahnschmelz. Doch ist dieser oft gelb und bedeckt nicht wie bei uns die gesamte Zahnoberfläche, sondern nur die Vorderseite. Die Zahnhinterseite, reines Zahnbein, wird beim Nagen rascher abgenutzt als der harte Schmelz. Dadurch bleibt die vordere Zahnkante stets scharf. Hinzu kommt, dass die meisselförmigen Nagezähne offene Wurzeln haben und somit zeitlebens nachwachsen. Sich durch Abnutzung selbst schärfende, stets nachwachsende Zähne zu haben und somit harte Materialien bearbeiten zu können, ist für Nagetiere lebensnotwendig. Nur so können Eichhörnchen Nussschalen öffnen und Tannzapfenschuppen abbeissen. Wühlmäuse stechen mit ihren Nagezähnen Erde für ihre unterirdischen Baue ab. Und Biber fällen ganze Bäume damit. Tatsächlich genagt wird mit den unteren Nagezähnen, die oberen dienen als Widerlager. Damit bei der Nagetätigkeit keine Hartteile wie Späne oder Nussschalenstücke in den Mund gelangen, haben Nagetiere eine zahnfreie Zone hinter den Nagezähnen, die sie mit Muskeln verschliessen können. Gleichzeitig vergrössert diese zahnfreie Zone aber auch den Raum zum Kauen. Eigentliche Meister im Kauen sind, wie ihr Name sagt, die Wiederkäuer. Zu ihnen gehört das Reh. Um täglich etwa drei Kilogramm Grünzeug zu verarbeiten – Gräser, Kräuter, Knospen, Farne und selbst harte Schachtelhalme – braucht es ein robustes Mahlwerk. Die Backenzähne von Rehen haben hohe Kronen. Ihre Zahnhöcker sind zu hohen Leisten miteinander verschmolzen und bestehen aus Schichten von Zahnzement, Zahnbein und Zahnschmelz. Weil diese drei unterschiedlich hart sind, werden sie beim Kauen unterschiedlich stark abgenutzt. Dadurch entstehen auf den Zahnoberflächen besonders effektive Reibflächen, eigentliche Mahlwerke eben. Für tierische Vegetarier ist Zahnabnutzung also geradezu eine Zauberformel. Dies soll uns jedoch nicht davon abhalten, vermehrt vegetarisch zu essen, denn wirkliche Fleischesser sind wir mit unserem «Allesfresser-Gebiss» («Höngger» vom 7. November 2019) ja schliesslich auch nicht.

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