«Tiere öffnen das Herz»

Tiere sind für viele Menschen wichtige Begleiter. Insbesondere in schwierigen Situationen und besonderen Lebensabschnitten hat der Kontakt zu ihnen fast therapeutischen Charakter. Die tiergestützte Intervention bringt tierisches Leben auch in Alters- und Pflegeinstitutionen.

Die Meerschweinchen lassen sich gerne von den Bewohnenden füttern. (Foto: zvg)

Die Beziehung zwischen Tieren und Menschen ist bereits Jahrtausende alt. Wurden Tiere zu früheren Zeiten insbesondere zur Unterstützung bei körperlichen Arbeiten sowie als Lieferanten für Nahrungsmittel verwendet, sind sie heute schon lange nicht mehr nur in dieser Rolle im Einsatz.

Eine grosse Bedeutung kommt ihnen auch als Heimtiere zu, als Freunde und Begleiter, moralische Stützen und Familienmitglieder. Und im therapeutischen Kontext werden sie mittlerweile auf vielfältige Art und Weise eingesetzt: mit Kindern, psychisch erkrankten Menschen, bei körperlichen Gebrechen, sogar als Trostspender im Krankenhaus. In den Alters- und Pflegeinstitutionen hat sich der Einsatz von Tieren in den letzten Jahren ebenfalls etabliert.

Während manche Institutionen eigene Tiere halten und im Zusammenhang mit der Aktivierung einsetzen, nutzen andere die Angebote privater Initiativen, die Tierbesuche für Heime anbieten.

Zu Besuch in den Altersinstitutionen

Zu den ersten Anbietern tiergestützter Interventionen im Raum Zürich gehört Barbara Schaerer. Seit rund 25 Jahren engagiert sie sich auf dem Gebiet und ist die Gründerin der Fachstelle «Leben mit Tieren im Heim». Begonnen hat sie ursprünglich damit, Altersheime bei der Anschaffung eigener Tiere zu beraten.

Doch mit der Zeit erkannte sie, dass dieses Vorgehen nur unbefriedigend ablief: «Vieles von dem, was mit Enthusiasmus gestartet wurde, verlief schnell wieder im Sand», erklärt die Fachfrau für tiergestützte Intervention. «Der Aufwand für die Betreuung ist gross und erfordert viel Fachwissen, wenn das Tierwohl angemessen berücksichtigt werden soll», so Schaerer.

Deswegen verlagerte sie im Jahr 2013 den Schwerpunkt ihrer Arbeit auf die Organisation von Tierbesuchen. Mit ihren eigenen Tieren absolvierte sie mehrere Hundert Besuche in Altersheimen. Mittlerweile hat sie sich altershalber zurückgezogen, bietet aber nach wie vor Aus- und Weiterbildungen an.

Bei den Besuchen konzentriert sich Schaerer auf Meerschweinchen und Hühner: Meerschweinchen lassen sich als aktive Gruppentiere besonders gut beobachten, Hühner sind äusserst robust und können sehr zutraulich werden. Bei den Besuchen werden die Tiere in einem speziellen Gehege platziert und können beobachtet und gefüttert, zuweilen auch gestreichelt werden.

Die Tiere fungierten in diesem Kontext nicht als Therapeuten, es gehe bei den Besuchen nicht darum, Krankheiten zu heilen, so Schaerer. Das Anliegen sei vielmehr, mit sinnlichen Erlebnissen Freude und Abwechslung in den Alltag zu bringen. Insbesondere für an Demenz erkrankte Menschen seien die Begegnungen von grosser Bedeutung. Sie berührten die Menschen nicht nur emotional, sondern weckten auch Erinnerungen.

Zudem förderten sie das Gespräch: «Tiere haben einen hohen Aufforderungscharakter zur Kommunikation», so Schaerer. Einerseits würden die Bewohnenden mit den Tieren zu reden beginnen, andererseits rege der Kontakt aber auch dazu an, sich mit anderen auszutauschen. «Selbst Menschen mit fortgeschrittener Demenz nehmen sehr intensiv war, was die Tiere tun und teilen sich darüber mit», ist ihre Beobachtung. Oft ermöglichten die Tiere so Zugang zu Menschen, die sonst kaum zu erreichen seien.

Liebesbedürftige Tiere

Auch die Höngger Altersinstitutionen sind sich der positiven Wirkung von Tieren bewusst und tragen diesem Umstand Rechnung. In der Hauserstiftung etwa befindet sich im Foyer ein Aquarium, welches grosse Anziehungskraft besitzt, wie Heimleiter Romano Consoli erklärt. Auch zwei Katzen leben im Heim und geniessen die Streicheleinheiten. «Bei manchen Bewohnenden schlafen sie sogar im Zimmer, sie spüren genau, wer sie besonders mag», so Consoli. Zuweilen nehme auch eine Mitarbeiterin ihren Hund mit zur Arbeit, welcher sehr beliebt sei.

Ähnlich ist die Situation in der Tertianum Residenz Im Brühl. Auch hier befindet sich auf der Pflegestation ein Aquarium. Tiergestützte Aktivierung werde bis anhin noch nicht praktiziert, man könne sich aber durchaus vorstellen, davon Gebrauch zu machen, wie Heimleiter Beat Schmid erklärt. Dabei müsse man allerdings vorher abklären, wie die Bewohnenden dazu stehen. «Es gibt natürlich auch Menschen, die zum Beispiel vor Hunden Angst haben, darauf würden wir natürlich Rücksicht nehmen», erklärt er.

Bewohnende werden kommunikativer

Im Alters- und Pflegeheim Riedhof lebt bereits seit vielen Jahren eine Gruppe von Meerschweinchen. Regelmässig ermöglichen Freiwillige den Bewohnenden direkten Kontakt zu den Nagetieren.  «Das löst Ruhe und eine grosse Zufriedenheit aus. Berührung ist dabei ein wichtiger Faktor», erklärt Eva Rempfler, Teamleitung Aktivierung.

Zu den Mitbewohnern des Riedhofs gehören darüber hinaus neben den Fischen im Aquarium eine Gruppe von Ziegen im Park und der heimeigene Kater. Zudem gehen mehrere Hunde von Mitarbeitenden hier regelmässig ein und aus. Deren Anwesenheit habe einen deutlichen Effekt, so Rempfler: «Wenn unsere Pflegedienstleitende mit ihrem Rüden im Haus ist, merkt sie, wie hoch die Beachtung ist. Die Bewohnenden sind sofort kommunikativer, sie und ihr Hund werden angesprochen. Die Begegnungen öffnen das Herz, das Gemüt und wecken Erinnerungen», so Rempfler.

Schliesslich macht der Riedhof auch von externen Tierbesuchen Gebrauch – seien es Events zur Unterhaltung wie ein Theaterzirkus oder eine Dackelshow oder Angebote tiergestützter Aktivierung wie der Besuch von Alpakas, der demnächst ansteht.

Lichtblicke im Alltag schaffen

Elena Hänzi ist die Verantwortliche für interne Veranstaltungen im Gesundheitszentrum für das Alter Bombach. Auch sie ist vom positiven Effekt des Tierkontakts überzeugt. Eigene Tiere hat das Heim zwar nicht, dafür bemüht sich Hänzi darum, so oft wie möglich den Kontakt zu Tieren zu ermöglichen. So sind regelmässig Alpakas zu Gast, welche gestreichelt und gefüttert werden können. Hühner und Meerschweinchen sind ebenfalls öfter vor Ort, in einem ganz ähnlichen Setting, wie es Schaerer anbietet. Zudem sorgt zweimal jährlich eine Dackelshow für Unterhaltung.

Insgesamt organisiert Hänzi rund sieben bis neun Besuche pro Jahr. Und das wird geschätzt: Im Bewohnerrat, der zweimal jährlich stattfindet und bei dem die Bewohnenden ihre Bedürfnisse und Wünsche äussern können, würden die Tierbesuche immer wieder thematisiert, freut sich Hänzi. «Wir versuchen, kleine Glücksmomente zu schaffen, die Krankheiten und Schmerzen für einen Moment vergessen lassen. Und wenn die Bewohnenden auch noch Wochen später von dem Besuch der Alpakas schwärmen, dann haben wir unser Ziel erreicht.»

Im Fokus: Wertvolle Jahre

Der «Höngger» veröffentlicht in diesem Jahr verschiedene Artikel, die sich der Lebensrealität von Betagten und Menschen mit Behinderung widmen. Diese Reihe entsteht mit freundlicher Unterstützung der Luise Beerli Stiftung, die sich für solche Menschen stark macht.

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