Strom vom Dach

Mit Solarkraft erzeugter Strom ist weltweit eine der wichtigsten erneuerbaren Energiequellen. Auch hierzulande wird die Sonnenenergie ausgebaut – doch das Potenzial wird bei weitem nicht ausgeschöpft. Der «Höngger» hat sich beim «ewz», dem Elektrizitätswerk der Stadt Zürich, über das lokale Angebot informiert.

1/3

Mit ihren Energie- und Klimastrategien haben sich Bund, Kanton und Stadt dem Ziel verschrieben, die Energieversorgung bis spätestens 2050 (schweizweit) oder bereits 2040 (auf Stadtebene) klimaneutral zu gestalten. Für die Energieversorgung bedeutet die damit zusammenhängende «Energiewende», also die Abkehr von fossiler Energie gemeinsam mit dem schrittweisen Ausstieg aus der Kernkraft nicht nur eine Reduktion des Gesamtverbrauchs, sondern auch einen deutlichen Ausbau der erneuerbaren Energiequellen wie Sonne, Wind, Wasser, Biogas und Erdwärme sowohl bei der Wärmeerzeugung als auch im Sektor der Mobilität und bei der Stromerzeugung.

Woher stammt unser Strom?

Während beim Gesamtenergieverbrauch der Schweiz die Fossilen nach wie vor zwei Drittel des Gesamtkonsums ausmachen, haben die Erneuerbaren im Hinblick auf die Stromproduktion in der Schweiz insgesamt bereits jetzt einen hohen Anteil an der gesamten produzierten Energiemenge. Wie das Bundesamt für Energie mitteilt, stammte der Strom in der Schweiz im Jahr 2019 zum überwiegenden Teil, nämlich rund 75 Prozent, aus erneuerbaren Energien. Den Löwenanteil machte hierbei mit 66 Prozent allerdings die Wasserkraft aus, auf die «neuen» Erneuerbaren wie Wind und Photovoltaik, Biomasse und Kleinwasserkraftwerke entfielen dagegen insgesamt nur rund 8,4 Prozent des produzierten Stroms. 19 Prozent stammten aus Kernkraftwerken.

Strommix in Zürich zu 100 Prozent erneuerbar

Die Zusammensetzung des Stroms, der für die Stadt Zürich produziert wird, deckt sich nicht ganz mit den Daten der Schweiz. Hier stammt der Strom, so die Daten, die ewz zur Verfügung stellt, insgesamt zu knapp 95 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen. Wie in der Gesamtschweiz ist es auch in Zürich die Wasserkraft, die den Grossteil der Strommenge liefert, wogegen der Anteil der Sonnenenergie lediglich 0,6 Prozent beträgt. Die Kernkraft ihrerseits macht beim ewz heute zwar nach eigenen Angaben noch einen Anteil von 4,4 Prozent an der Gesamtstrommenge aus, ist allerdings nicht im Produktemix für die Privathaushalte in Zürich enthalten. «Diese Menge ging 2019 ausschliesslich an Geschäftskunden im freien Markt (Verbrauch von 100 000 Kilowattstunden pro Jahr und mehr), 2020 haben auch Geschäftskunden nur noch ökologischen Strom bezogen. Der Anteil Kernenergie wurde im Energiehandel abgesetzt», erklärt Thöme Jeiziner, Mediensprecher des ewz, in einem Gespräch mit dem «Höngger». Der Strommix, der hier in der Stadt an die Privathaushalte geliefert wird, bestehe also, so Jeiziner, seit 2015 zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien. Die Kund*innen können dabei zwischen drei verschiedenen Stromprodukten wählen, welche sich in der Zusammensetzung und Herkunft des Stroms unterscheiden. 5,8 Prozent des Stromverbrauchs der Stadt wird nach Angaben des ewz auf Stadtgebiet produziert. Energie liefern hier die Wasserkraftwerke Höngg und Letten, diverse Solaranlagen sowie die Kehrichtverbrennungsanlagen. Nicht eingerechnet sind in diese Zahl Photovoltaikanlagen, deren Strom im Eigenverbrauch verwendet wird, also nicht durchs Netz geleitet wird. Strom für Zürich liefern auch die eigenen sowie die Partnerkraftwerke des ewz in Graubünden und im Berner Oberland. Schliesslich wird etwas mehr als ein Drittel des hier verbrauchten Stroms aus dem Ausland importiert – hauptsächlich Windstrom aus Deutschland, Frankreich, Schweden und Norwegen.

Photovoltaik noch stark ausbaufähig

Mit diesen Zahlen schneidet die Schweiz, was die Produktion von Wind- und Sonnenstrom angeht, im internationalen Vergleich schlecht ab. Wie eine Studie der Schweizerischen Energiestiftung belegt, stellte die Schweiz im Jahr 2018 von allen in der Studie untersuchten Ländern europaweit das Schlusslicht dar, zählt man die pro Einwohner*in produzierte Menge an Strom aus Wind- und Sonnenenergie zusammen. In punkto Photovoltaik ist die Produktion insbesondere in Deutschland und Italien sehr viel weiter ausgebaut. In einer eigenen Studie zur Bedeutung der Sonnenenergie kommt der WWF daher zum Schluss, dass die Photovoltaik in der Schweiz noch ein grosses Potenzial hat, das es auszuschöpfen gilt. Seinen Berechnungen zufolge könnte sich die Menge des produzierten Stroms aus Photovoltaik-Anlagen hierzulande bis zum Jahr 2035 um mehr als den Faktor zehn vergrössern. Auch der Verband «Swissolar» ist überzeugt, dass der Ausstieg aus der Atomenergie und der Verzicht auf fossile Energien nur durch einen «massiven Ausbau» von Photovoltaikzellen erreicht werden kann.

Ausbau der Solarmodule auf den Dächern

Wie aber sieht es in Stadt und Kanton Zürich mit dem Ausbau der Sonnenenergie aus? In ihrem Klimaziel «Netto-Null 2040» hat die Stadt Zürich unter anderem das Ziel formuliert, mit energieeffizienten Gebäuden den Treibhausgasausstoss zu reduzieren. Im öffentlichen Bereich werden daher Photovoltaikanlagen dort installiert, wo es möglich ist: «Bei Gebäuden im Besitz der Stadt macht es am ehesten Sinn, bei anstehenden Sanierungen oder Umbauten darauf zu achten, Solarmodule auf den Dächern zu installieren – zumindest bei jenen Gebäuden, die nicht im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder erfasst sind oder aus statischen Gründen nicht geeignet sind», erklärt Jeiziner.

Förderinstrumente für Eigentümer*innen

Viel freie Dach- und Fassadenfläche bestehe darüber hinaus bei den Liegenschaften im Privatbesitz, ergänzt Iris Hassenpflug, Projektleiterin Realisierung beim «ewz». Mit der Energiestrategie 2050 hat der Bund in diesem Zusammenhang die Vergütungen für Solarmodule angepasst: so sind seit 2018 mehrere Förderinstrumente für PV-Anlagen, bestehend aus Einmal- sowie Einspeisevergütungen, vorgesehen. Auf kantonaler Ebene sieht die neugestaltete Revision des Energiegesetzes für Neubauten die Verpflichtung vor, einen Teil des von ihnen benötigten Stroms selbst zu produzieren – mittels einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach oder in der Fassade. Ob die Revision des Energiegesetzes allerdings tatsächlich umgesetzt oder ob die SVP das Referendum dagegen ergreift, entscheidet sich erst in den kommenden Tagen. Auf Stadtebene schliesslich werden auch im Rahmen der 2000 Watt-Gesellschaft vom ewz Förderbeiträge und Leistungen im Bereich erneuerbarer Energien geleistet.

Gemeinschaftsprojekt «solarzüri»

Wer kein eigenes Dach zur Verfügung hat, kann sich zudem im Rahmen des Beteiligungsmodells an den öffentlichen Solaranlagen, beispielsweise auf Schulhausdächern beteiligen. Unter dem Titel «ewz.solarzüri» bietet das Unternehmen einzelne Quadratmeter einer Photovoltaikanlage zum Kauf an. Ein Quadratmeter einer solchen Solaranlage kostet in Zürich einmalig 250 Franken und berechtigt zum Bezug von 80 kWh pro Jahr für die Dauer von 20 Jahren. Mit dem Verkauf der Quadratmeter wird die Anlage vorfinanziert, sobald 80 Prozent der verfügbaren Einheiten verkauft sind, kann mit der Installation der Anlage begonnen werden. 20 dieser Anlagen sind in Zürich bereits realisiert, vier neue finanziert und zwei in der Vermarktung. «Wir sind begeistert vom Echo, dass dieses Beteiligungsmodell bei der Bevölkerung ausgelöst hat», schwärmt Hassenpflug, die Projektleiterin. «Innerhalb von fünf Wochen konnten wir 4000 Quadratmeter auf Zürcher Dächern verkaufen. Von den gemeinschaftlich finanzierten Anlagen sind praktisch alle bereits ausverkauft, momentan sind nur noch auf der Sportanlage Sihlhölzli freie Quadratmeter erhältlich.» Finanziell liegt der Preis für eine Kilowattstunde bei diesem Modell umgerechnet bei rund 15,6 Rappen. Für 80 kWh käme es dadurch, so Hassenpflug, für die Kund*innen gegenüber dem Naturstrom zu einem Aufpreis zwischen drei und fünf Franken. 

Auch in Höngg Gemeinschaftsprojekte

Auch in Höngg sind mittlerweile einige der gemeinschaftlich finanzierten Solaranlagen realisiert oder in Vorbereitung. So wurden etwa das Schulhaus Lachenzelg sowie das Clubhaus des SV Höngg mit Solarmodulen bestückt. «Schulhäuser eignen sich für solche Gemeinschaftsprojekte besonders gut», erklärt Hassenpflug, «da sie in den 13 Wochen Ferien pro Jahr keinen Strom verbrauchen. Das macht sie für unser Projekt umso interessanter.» Ebenfalls fertig installiert ist die Anlage auf dem Dach des Schulhauses Rütihof: Weil im Jahr 2020 eine Sanierung des Flachdaches notwendig wurde, musste die hier bereits seit den 90er-Jahren bestehende Photovoltaik-Anlage demontiert werden. Nach Abschluss der Sanierungsarbeiten ersetzte das ewz die alte Anlage durch ein moderneres Modell, das nun einerseits Strom für die Schule, andererseits für ihre «Eigentümer*innen» aus dem Quartier liefert. «Mit den Solarzellen auf dem Dach kann die Schule rund 30 Prozent ihres Eigenbedarfs an Strom decken», so Hassenpflug bei einer Besichtigung der Anlage direkt vor Ort. «Dieser fliesst mittels eines Wechselrichters direkt in die Steckdosen des Schulhauses, muss also nicht den Umweg über das Netz nehmen. Das ist nicht nur effizienter, sondern auch günstiger, weil keine Netzgebühren anfallen.» Für das Beteiligungsmodell wird der Strom in das Netz eingespeist und den Besitzer*innen mit der Stromrechnung gutgeschrieben.

Wie geht es weiter?

Für die nahe Zukunft sind bereits weitere derartige Anlagen geplant. So sollen im Rahmen von «solarzüri» im Sommer auf den Schulhäusern Falletsche und im Herbst Kolbenacker und Rebhügel gebaut werden. Für die Sportanlage Sihlhölzli stehen weitere Module zum Verkauf. Auch für eine Fachklinik in Wipkingen stellt das Energieunternehmen eine Anlage in Aussicht. Der Ausbau des Beteiligungsmodells ist jedoch insofern etwas beschränkt, als mit der Planung und Finanzierung einige Zeit verstreicht, bis die Anlage dann tatsächlich Strom liefern kann. «Es macht keinen Sinn, jetzt schon die Installation von Anlagen zu planen und durch die Bevölkerung finanzieren zu lassen, wenn der Aufbau erst in drei oder vier Jahren erfolgen kann. Da wird es schwierig, den Kund*innen zu vermitteln, dass sie ihre Rechnung für den Quadratmeter erst in zwei, drei Jahren erhalten», gibt Hassenpflug zu bedenken. Weitaus grösseres Potenzial liegt demnach in den Dächern und Fassaden, die im Privatbesitz sind. Inwiefern hier die Eigentümer*innen bereit sind, in eine Anlage zu investieren oder bei Neubauten direkt Solarzellen in den Bau zu integrieren, hängt allerdings nicht zuletzt von den politischen Entscheidungen ab, die in den nächsten Wochen und Monaten anstehen. Im günstigsten Fall wäre dann, so Jeiziner und Hassenpflug, in der Stadt Zürich statt des momentanen 0,6 Prozent- Anteils an der Gesamtstrommenge «ohne weiteres und ohne allzu grosse Anstrengungen ein Ausbau auf bis zu 17 Prozent Solarstrom möglich.»

 

0 Kommentare


Themen entdecken