Strassennamen als Fenster zur Vergangenheit

Die Aktivia-Gruppe der katholischen Pfarrei Heilig Geist organisiert immer wieder spannende Anlässe. So etwa den Vortrag über Strassennamen, ihre Entstehung und Bedeutung: Sie sind nicht selten ein Wegweiser zur Vergangenheit.

André Oprecht und Charlotte Koch Keller erzählten von Hönggs und Zürichs Strassennamen – und posierten dazu passend an der Limmattalstrasse.

Strassennamen faszinieren die meisten Menschen. So erstaunte es nicht, dass knapp 80 Besucherinnen und Besucher am letzten Donnerstagnachmittag mehr darüber wissen wollten. Es mussten gar zusätzliche Stühle und Tische in den grossen Saal der Pfarrei Heilig Geist gebracht werden. «Das Jahresmotto des Aktivia-Jahres, welches von September bis Juni dauert, lautet ‹Leben in Zürich› – da passt dieser Vortrag doch bestens dazu», so Peter Gruber von der Aktivia-Kerngruppe bei der Begrüssung. Er stellte Charlotte Koch Keller vor, die Leiterin der Kanzlei beim Polizeidepartement der Stadt Zürich ist sowie Geschäftsführerin der Strassenbenennungskommission, und André Oprecht, der ebenfalls in derselben Kommission tätig war und pensionierter Stadtgeometer ist. Die beiden erzählten nacheinander kurzweilig, witzig und spannend – nicht nur über Höngg, aber vor allem.

Namen dienen der Orientierung

Dass Namen für Strassen, Wege, Plätze, Brücken und Areale wichtig sind, versteht sich von selbst – wie sonst sollten sich etwa Feuerwehr, Sanität, Briefträger oder auch der sonntägliche Besucher zurechtfinden? Die Kriterien für Strassennamen verändern sich immer wieder, wie Charlotte Koch Keller ausführte: «Früher verwendete man oft Namen von Familien oder aus der Botanik; sogar der Name der Ehefrau fand Verwendung. Heute will man oft verstorbene Persönlichkeiten mit einem Strassennamen ehren.» Zudem müsse ein Name unverwechselbar sein – deshalb mussten im Zuge der Eingemeindung auch Bahnhofstrassen umbenannt werden, damit es in der neuen Stadt Zürich nur noch eine gab. «Die Voraussetzungen, dass ein Personenname für eine Strasse oder einen Platz verwendet wird, sind folgende: Die Person ist verstorben und ihr Name unverwechselbar, ein Bezug zu Zürich oder zum Quartier besteht, und es wurden Verdienste für die Allgemeinheit erbracht», so Charlotte Koch Keller.

Viele Vorschläge aus der Bevölkerung

«Die Vorschläge kommen aus der Bevölkerung, von Architekten, Bauherrschaften, Baugenossenschaften und auch von uns Kommissionsmitgliedern. Manchmal sind wir sehr kreativ – der Cassiopeiasteg in Zürich-Wollishofen beispielsweise hat seinen Namen, weil man von diesem Standort aus bei schönem Wetter das Sternbild Cassiopeia  sehen kann», so Charlotte Koch Keller. Ist ein passender Vorschlag gefunden, so wird der jeweilige Quartierverein informiert. Dies wurde ein einziges Mal unterlassen, was prompt dazu führte, dass der vorgesehene Name «Kattunpark» in Wipkingerpark geändert werden musste. In der Nähe des Parks stand einst eine Baumwollfabrik, deshalb lag der Name «Kattunpark» nahe.

Schilder werden nur bei Defekt ersetzt

Die Strassenbenennungskommission, die es seit 1906 gibt, schlägt – je nach Bautätigkeit – jährlich rund zehn Namen für neue Strassen vor und stellt diese Anträge an den Stadtrat, der als politische Behörde die Namen beschliesst. Präsident der Kommission ist jeweils der Polizeivorstand, aktuell Stadtrat Richard Wolff. Die vier Mitglieder kommen aus dem Amt für Städtebau, dem Stadtarchiv, von Geomatik und Vermessung sowie aus dem Tiefbauamt.
Was ist mit der Rechtschreibung? «Ein Strassenname muss gut schreibbar sein. Bei Bindestrichen etwa bestehen oft Unsicherheiten: Der Duden ändert Schreibweisen ja auch immer wieder einmal. Strassenschilder werden aber nur ersetzt, wenn sie defekt sind, und nicht, weil der Bindestrich neu an einem anderen Ort sein sollte. Auch Umbenennungen vermeiden wir wo immer möglich – es wäre ein grosser Aufwand für Bewohnende und Behörden.»

Strassennamen erzählen Geschichte des Quartiers

Im zweiten Teil des Referats erzählte André Oprecht, dass es in der Stadt Zürich 2509 Strassennamen gebe, davon 200, die in Höngg sind, anfangen oder enden. «Stadtweit ist die kürzeste Strasse mit 50 Metern die Kurzstrasse, die längste mit fünf Kilometern die Badenerstrasse. Der Strassenname zeigt zudem meist, wohin die Strasse führt – die Regensdorferstrasse etwa nach Regensdorf.» Auch Familiennamen seien häufig: So etwa die Appenzellerstrasse, die nicht ins Appenzell führe, sondern einfach den alten Höngger Familiennamen Appenzeller trage.
Die Bläsistrasse habe früher zum Grundbesitz des Klosters St. Blasien im Schwarzwald gehört, genauso wie der St. Blasienhof in Unteraffoltern. Das Gelände «Am Wettingertobel» gehörte zum Kloster Wettingen. «Namen sind oft ein Fenster zur Vergangenheit; sie können aber auch zu Verwirrungen führen. Bei ‹Im Maas› denkt man sich vielleicht: ‹Ich bin doch nicht in Holland, sondern in Höngg›, doch Maas ist ein altes Wort für Moos», so André Oprecht. Der Name Kranzweg komme von der alten Verordnung, nach der eine Wirtschaft oder eine Besenbeiz als Erkennungszeichen einen Kranz oder eben einen Besen über der Tür hängen haben musste. Der Chorherrenweg heisst so, weil das Klosterstift Grossmünster Land dort hatte, und an der Bauherrenstrasse wohnte in vergangenen Zeiten ein Bauherr – ein Mitarbeiter des Bauamts. Das Publikum hörte interessiert zu, und bei der anschliessenden Fragerunde zeigte sich, dass man sich mit seinem Quartier auseinandersetzt und es einem am Herzen liegt.

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