Kein Begegnungsort für die Wartau

Vor fast drei Jahren reichten zwei Gemeinderäte ein Postulat zur Nutzung der Tramremise in der Wartau als Begegnungsort ein. Drei Jahre später will der Stadtrat das Anliegen abschreiben. Wieso?

Gemäss Stadtrat kein Ort für Begegnungen: Die Tram-Remise Wartau.

Im November 2017 reichten die Gemeinderäte Mathias Egloff (SP) und Ronny Siev (GLP) ein Postulat ein – der Höngger berichtete am 23. November – mit welchem sie den Stadtrat aufforderten zu prüfen, wie die Tramremise in der Wartau und möglicherweise auch die gegenüberliegende Tramschlaufe als Begegnungsort gestaltet werden könne. Ein Anliegen von Relevanz – kurz zuvor war das Thema ausführlich in dieser Zeitung behandelt worden – denn in Höngg fehlt noch immer ein wirklicher Dorfplatz. Im Gemeinderat wurde das Postulat mit 80 gegen 34 Stimmen dem Stadtrat zur Prüfung überwiesen, GLP, SP, Grüne und FDP stimmten dafür. Üblicherweise müssen Postulate innerhalb von zwei Jahren beantwortet werden, in diesem Fall bis zum 8. November 2019. Diesmal dauerte es fast drei Jahre und resultierte in einer Weisung, das Postulat abzuschreiben.
Die Argumente für die Abschreibung scheinen entsprechend etwas überholt. Denn inzwischen haben bereits mehrere Veranstaltungen auf dem Vorplatz der Tramremise stattgefunden, organisiert vom damals neu gegründeten Verein IG Wartau. So fand zweimal ein Kerzenziehen statt, das nach Angaben der Organisator*innen erst 700 und beim zweiten Mal sogar insgesamt 2000 Kinder und Eltern anlockte. Auch das erste Wartaufest im Sommer 2019 erfreute sich trotz Wetterpech am Samstag zahlreicher Besucher*innen und soll auch dieses Jahr wieder durchgeführt werden.

Befragungen fanden 2018 statt

Der Stadtrat schreibt in seiner Begründung zur Abschreibung des Postulats weiterhin, dass «eine gemischte Nutzung der Tramremise als Werkstatt und Quartiertreff (…) vom TMZ ausgeschlossen [wird]. Doch die Zusammenarbeit mit dem Verein Tram-Museum Zürich (TMZ), welcher die Remise als Werkstatt an einem Abend pro Woche und sporadisch am Wochenende nutzt, wird inzwischen von beiden Seiten als gut bezeichnet. Beim Verein hatte sich – verständlicherweise – gleich zu Beginn Widerstand geregt, da die Mitglieder um ihren Arbeitsplatz fürchteten. Mittlerweile sind die Beziehungen zwischen den beiden Vereinen jedoch soweit gediehen, dass dieses Jahr der mittlere Torbogen und etwas Raum dahinter für die Bar verwendet werden darf. Auch die WCs in der Remise durften an den vergangenen Anlässen genutzt werden. Vielleicht hätte eine erneute, zeitnahere Befragung des TMZs eine weniger absolute Haltung zum Vorschein gebracht.

Meierhofplatz soll nicht konkurrenziert werden

Auch der Quartierverein Höngg wurde um Stellungnahme gebeten und sprach sich gegen den vorgeschlagenen Standort für einen Begegnungsort aus. Der Platz sei aufgrund seiner Grösse nicht als Dorfplatz geeignet und der Miteinbezug der Wendeschlaufe nicht attraktiv und gefährlich. Auf Anfrage bestätigt Alexander Jäger, Präsident des QV Höngg, dass der Verein weiterhin hinter dieser Stellungnahme stehe. Der Platz sei zu klein und zu nahe an der Strasse mit Tram und Bus gelegen. Bedeutend besser geeignet sei in seinen Augen der Kirchplatz, als Platz in Höngg. Oder den Platz vor dem «Höngger» mit Ausdehnung gegen die Ackersteinstrasse hin. «Wir finden das Fest ok, aber ein Dorfplatz müsste näher beim Zentrum sein», so Jäger.
Auch die Stadtentwicklung hält den Standort für zu wenig zentral und begründet ihre Absage wie folgt: «Aus Sicht der Stadtentwicklung wäre die Tramremise als Dorfplatz deutlich ausserhalb des Nahversorgungszentrums Meierhofplatz gelegen und würde dieses konkurrenzieren». Auf die Nachfrage bei der Stadt, von welcher Konkurrenz denn die Rede sei, antwortet die Medienstelle der VBZ: «In seiner Stellungnahme hat das Amt (für Stadtentwicklung, Anm. der Redaktion) darauf hingewiesen, dass für einen belebten Begegnungsort im Sinne des Postulats – wie beispielsweise der Röschibachplatz in Wipkingen, welcher den Postulanten nach eigenen Angaben als Vorbild diente – eine hohe Publikumsfrequenz notwendig wäre, welche am vorgeschlagenen Standort fraglich sei. Generell seien räumliche Schwerpunktsetzungen erforderlich, damit die Zentrumsnutzungen von möglichst hohen Publikumsfrequenzen profitieren könnten. Deshalb sei es nicht wünschenswert, dass ein Ort in Randlage das bestehende Zentrum konkurrenziert und Besucherfrequenzen aus diesem abziehe, beispielsweise mit einem Markt». Die VBZ betont, dass es nicht um den Meierhofplatz an sich, sondern um das «Höngger Nahversorgungszentrum insgesamt» gehe.

Grosses Unverständnis bei Postulanten

Die Gemeinderäte, die damals das Postulat eingereicht haben, haben ihre Einwände gegen die Abschreibung bereits formuliert. Nach drei Jahren Wartezeit seien sie enttäuscht über die lapidare und veraltete Begründung des Stadtrats, die in ihren Augen zwischen den Zeilen nicht viel mehr aussage als «keine Lust». «Natürlich habe ich keine Freudensprünge erwartet von Seiten der industriellen Betriebe, hätten das doch Fantasie und Arbeit erfordert, in der Wartau einen Begegnungsort zu planen», sagt einer der Postulanten, Gemeinderat Mathias Egloff, auf Anfrage. «Die Menschen hier fühlen sich nicht ernst genommen, im Wunsch, dass es auch abseits der Innenstadt möglich sein muss, sich unkompliziert zu treffen. Gerade junge Familien vermissen dies schmerzlich. Diese Gruppe wächst stark in Höngg, was der Mangel an Kindergärtenplätzen belegt», so Egloff. Mitinitiant und Gemeinderat Ronny Siev doppelt nach: «Mich befremdet es schon, dass der Stadtrat den Verein IG Wartau nicht einmal angehört hat, bevor er seine Begründung verfasste». Davon werde man sich aber nicht beirren lassen und sich gemeinsam mit der Quartierbevölkerung und dem lokalen Gewerbe weiterhin für die Belebung von Höngg einsetzen. «Den Stadtrat laden wir herzlich ein, sich am Wartaufest am 11 und 12. September ein eigenes Bild zu machen», so Siev.

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