Energie
Stadt hält an Netto-Null bis 2040 fest
Im zweiten Teil des Fokusthemas «Energie und Klima» geht es um das städtische Klimaschutzziel Netto-Null bis 2040, die damit zusammenhängenden Massnahmen im Bereich Gebäudebau und um Solarenergie. Die Abstimmungsresultate vom vergangenen Sonntag bedeuten für die Klimaschutzbestrebungen einen herben Rückschlag. In der Stadt haben 70 Prozent dem CO2-Gesetz zugestimmt, weshalb der Stadtrat dennoch an seinen formulierten Zielen festhalten will.
17. Juni 2021 — Patricia Senn
In den vergangenen 30 Jahren sind die direkten Treibhausgasemissionen in der Stadt Zürich um rund 25 Prozent gesunken. Seit 2008 ist in der Gemeindeordnung das Ziel verankert, den CO2- Ausstoss pro Person und Jahr bis 2050 auf eine Tonne zu reduzieren. Mit dem Ausbau der Fernwärme und der Energieverbunde, Investitionen in erneuerbare Energien, der Umstellung der städtischen Fahrzeugflotte auf alternative Antriebe und dem Bau energiegerechter, städtischer Bauten konnten bereits einige Massnahmen umgesetzt werden. Diese reichen jedoch nicht aus, um das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Abkommens zu erreichen. Das neue Klimaschutzziel Netto-Null bis 2040, welches der Zürcher Stadtrat Ende April kommuniziert und dem Gemeinderat vorgelegt hat, will die in der Stadt produzierten CO2- Emissionen in den kommenden 20 Jahren um 90 Prozent gegenüber 1990 auf maximal 0,4 Tonnen pro Einwohner*in und Jahr senken. Die Stadtverwaltung soll diesen Wert sogar schon 2035 erreichen. Der unvermeidbare verbleibende Ausstoss soll durch negative Emissionen ausgeglichen werden. Das grösste Potenzial sieht die Stadt hier in der technischen Abscheidung und der geologischen Speicherung der CO2-Emissionen, die bei der Abfallverwertung entstehen. Bis 2030 soll als Zwischenziel eine Reduktion von mindestens 50 Prozent erreicht werden.
Der grösste Ausstoss wird ausserhalb verursacht
Die direkten Emissionen machen jedoch nur einen Viertel der Gesamtemissionen aus. Der Rest sind die sogenannten indirekten Emissionen, die durch Stadtzürcher Aktivitäten ausserhalb der Stadtgrenzen verursacht werden, also durch Reisen inklusive Flugverkehr, die Herstellung und Logistik aller in Zürich konsumierter Produkte und Dienstleistungen, die Energie-Vorketten. Diese indirekten Emissionen haben in den letzten 30 Jahren von 9,2 auf 9,9 Tonnen pro Kopf und Jahr zugenommen, weshalb sich die gesamten Treibhausgasemissionen in dieser Zeit lediglich um eine Tonne von 14 auf 13 Tonnen reduziert haben. Der Stadtrat will den Wert der indirekten Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 bis 2040 um 30 Prozent senken, respektive bis 2035 für die Stadtverwaltung. Doch die Einflussmöglichkeiten sind hier beschränkt. Potenzial sieht der Stadtrat in der Entwicklung neuer Technologien und in der Sensibilisierung der Bevölkerung in den Bereichen Ernährung, Mobilität und Wohnen. Hier müssen jedoch noch Massnahmenpläne ausgearbeitet werden, wie dieses Ziel genau zu erreichen ist. «Die Massnahmen sollen so ausgestaltet werden, dass sich für die lokale Wirtschaft neue Möglichkeiten ergeben und negative Effekte minimiert werden», verspricht der Stadtrat in seiner Weisung an den Gemeinderat.
Bundes- und Kantonsgesetz bilden Grundlage
Die Herausforderung der Klimastrategie der Stadt Zürich ist, dass sie von der kantonalen und bundesweiten Gesetzgebung abhängig ist. So wurde das revidierte CO2-Gesetz am vergangenen Sonntag von der Stimmbevölkerung abgelehnt. Ausstehend ist die Entscheidung bezüglich das revidierte kantonale Energiegesetz. Hier läuft die Referendumsfrist am 23. Juni ab. Der Hauseigentümerverband (HEV) und die SVP sind daran, Unterschriften zu sammeln. Kommt das Referendum zustande, muss auch das revidierte Energiegesetz vor das Volk. Mehr zu den Argumenten der HEV im Artikel zu den Massnahmen im Gebäudebereich.
«Eine verpasste Chance für den Klimaschutz»
Der grösste Teil dieses Textes war bereits geschrieben, als das Abstimmungsresultat vom 13. Juni feststand. Plötzlich stand die Frage im Raum, ob die im Artikel erwähnten Ziele überhaupt noch Gültigkeit haben würden. Würden die Pläne der Stadt nun zunichtegemacht? Der «Höngger» fragte beim zuständigen Departement nach und erhielt umgehend eine Antwort von Stadtrat Andreas Hauri: «Als Vorsteher des Umwelt- und Gesundheitsdepartements bedauere ich den gestrigen Entscheid natürlich sehr. Das Nein ist eine verpasste Chance für den Klimaschutz. Die Zeit drängt. Das CO2-Gesetz hätte uns einen wichtigen gesetzlichen Rahmen gegeben und vor allem die Transformation im Gebäude und Verkehrsbereich vorangetrieben. Nun müssen wir nach vorne schauen». Die städtische Stimmbevölkerung habe dem revidierten CO2-Gesetz mit über 70 Prozent zugestimmt. Dieses Resultat bestärke Hauri darin, dass die Stadt mit Netto-Null bis 2040 das richtige Ziel gesetzt habe, sie halte daran fest und werde innerhalb ihres Handlungsspielraums den Klimaschutz konsequent und mit hohem Tempo weiter vorantrieben. Hauri erwarte zudem auch vom Bund, dass er rasch alternative Lösungen erarbeite und die Städte angemessen eingebunden würden.
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