Soziale Integration statt Armenjagd

Über Sozialpolitik wurde in den letzten Wochen so intensiv wie schon lange nicht mehr diskutiert. Doch Schlagworte wie «Sozialhilfeschmarotzer» und «Sozialindustrie» bestimmen das Bild. Von einer lösungsorientierten Debatte ist nur selten etwas zu spüren.

Michael Kraft, Gemeinderat SP

Die Vorstösse sind drastisch: Sozialhilfebezügern sollte das Autofahren verboten werden, was der Kantonsrat am Montag allerdings abgelehnt hat. Oder: Der Kanton Zürich solle die Empfehlungen der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe, kurz SKOS, nicht mehr für verbindlich erklären, sondern eigene, tiefere Richtlinien aufstellen. Dies fordern die SVP, die einst staatstragende FDP und die sich gerne links-liberal gebende GLP.

Bekämpft werden die Armen – statt der Armut

Zusammenhänge und tatsächliche Zahlen scheinen da unwichtig zu werden. Obwohl die Revisionen der Invaliden- und der Arbeitslosenversicherung viele Menschen in die Sozialhilfe gedrängt haben, bleibt die Sozialhilfequote im Kanton Zürich seit Jahren stabil. Den so oft angeprangerten «Missbrauch» der Sozialhilfe gibt es – die Zahlen liegen aber deutlich tiefer als der Betrug bei privaten Versicherungen.
Eine solche Politik schürt Verunsicherung und verhindert durch ihre Polemik Lösungen. Keine Sozialhilfebezügerin findet dadurch den Weg zurück in den Arbeitsmarkt. Oder, wie es Regierungsratskandidatin Jacqueline Fehr kürzlich treffend formulierte: Bekämpft werden heute die Armen – statt der Armut.

Vereinheitlichung und gerechte Verteilung

Es ist deshalb ein Lichtblick, wenn sich der Regierungsrat klar dagegen ausspricht, die SKOS-Richtlinien über Bord zu werfen. Gleichzeitig will Regierungsrat Mario Fehr den Einkommensfreibetrag senken: Damit soll verhindert werden, dass Personen mit tiefem Einkommen nicht finanziell schlechter dastehen, als wenn sie Sozialhilfe beziehen würden.
Eine offene Frage ist, wie man die sozialen Kosten gerecht auf die einzelnen Gemeinden verteilen kann. Dies gelingt sicher nicht, indem man die Richtlinien der einzigen Institution missachtet, die eine gewisse Vereinheitlichung schaffen will – der SKOS. Rechtssicherheit und Gleichbehandlung würden in weite Ferne rücken, das Unwort «Sozialtourismus» zu einem echten Problem. Nötig sind vielmehr national verbindliche Richtlinien und ein Soziallastenausgleich innerhalb des Kantons Zürich, wie ihn die SP im Kantonsrat fordert.

Den Anschluss ermöglichen

Sozialpolitik ist jedoch mehr als Zahlen zu stapeln. Zu oft geht in der Debatte vergessen, dass wir über Menschen sprechen. Umso engagierter habe ich mich im vergangenen Jahr für die Weisung zur Arbeitsintegration eingesetzt, die im Gemeinderat behandelt wurde. Die Stadt wird nun neun Trägerschaften unterstützen, die Jugendliche und Erwachsene bei der Ausbildungs- oder Jobsuche begleiten und den Einstieg ins Arbeitsleben erleichtern. Es bleibt mir bis heute unverständlich, weshalb die bürgerlichen Parteien gegen diverse dieser Beiträge stimmten. Gerade solche Projekte verhindern viel teurere Folgekosten im sozialen Netz, denn berufliche Integration ist letztlich auch soziale Integration.

Michael Kraft, Gemeinderat und Co-Präsident SP10

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