Sie wollen unsere Zukunft gestalten

Am 10. November war nationaler Zukunftstag. Schüler*innen der 5. bis 7. Klasse durften an diesem Tag der Schule fernbleiben und stattdessen in der ETH einmal ausprobieren, wie sich das Berufsleben anfühlt.

Aufmerksame Zuhörer*innen: Rund 300 Schüler*innen besuchten den Zukunftstag an der ETH. (ETH Zürich / D-PHYS / Heidi Hostettler)

Zukunftstag bei der ETH: Das bedeutet 310 aufgeregte und wissbegierige Kinder zwischen 10 und 13 Jahren, Eltern, die bringen und abholen, Empfang und Frühstück für alle, 19 verschiedene thematische Gruppen, auf die sich die Teilnehmer*innen verteilen und ganze Carladungen voller Schüler*innen, die vom Hönggerberg zum Zentrum oder nach Oerlikon und wieder zurückgebracht werden müssen. Insgesamt ein logistischer Grossaufwand.
Die meisten der Kinder, die hier nun einen Vormittag lang Hochschulluft schnuppern und sich mit dem Gedanken auseinandersetzen dürfen, später auch einmal eine Karriere in der Forschungsinstitution anzustreben, sind die Söhne und Töchter von Mitarbeitenden der  ETH. Denn die Plätze für den Zukunftstag sind sehr begehrt  – und Mitarbeitende haben Vorrang. Doch auch Externe haben den Weg auf den Hönggerberg gefunden. Zwei der Kinder, die das Glück gehabt haben, an einem der Kurse teilnehmen zu dürfen, haben bei der Verlosung des «Hönggers» im Herbst gewonnen. Sie begleitet der «Höngger» nun an ihrem Zukunftstag. So zumindest ist der Plan.

Auch Einstein hat mal klein angefangen

Treffpunkt morgens um kurz nach acht im Foyer des HPH-Gebäudes. Im Eingangsbereich ist ein Empfang aufgebaut, wo alle Ankömmlinge registriert und ihren Gruppen zugeordnet werden. An langen Tischen sind kleine Schilder mit den Gruppennummern angebracht. Gipfeli und Getränke stehen bereit, eine Trinkflasche mit dem Aufdruck ETH für jede*n zum Mitnehmen.
Mit einer Präsentation über die Geschichte der ETH und einige ihrer berühmtesten Studierenden (Stichwort «Einstein») beginnt der Tag. Die Vizepräsidentin für Personalentwicklung und Leadership, Julia Dannath, wird interviewt, die Astrobiologin Jennifer Wadsworth gibt einen Einblick in ihr Berufsleben.
Dann geht’s los. Jede der 19 Gruppen wird in den kommenden Stunden ein anderes Departement der Hochschule besuchen – darunter fallen nicht nur unterschiedliche Studiengänge, sondern auch einige der 15 an der ETH möglichen Lehrberufe. Begleitet werden die Kinder jeweils von 2 bis 3 Betreuer*innen.

Hochkonzentrierte Schüler*innen

Die beiden Höngger Kinder sind in Gruppe 2 eingeteilt: «Game Design – Ein Blick hinter die Kulissen von Videospielen und Mobile Games.»
Neben dem Programmieren von 2D-Games und einer Einführung in die Robotik gehört dieses Programm zu den drei beliebtesten an diesem Morgen. Der Kurs findet im Hauptgebäude der ETH statt, also macht sich die ganze Gruppe auf den Weg zum Carparkplatz. Von dort geht es einmal durch die ganze Stadt, der Car hält bei der Polyterrasse, kurze Besammlung und noch einmal alle durchzählen, dann weiter in den Informatikraum des Departements Informationstechnologie und Elektrotechnik (D-ITET).
30 Computer stehen hier bereit. Nach einer kurzen Begrüssung der Schüler*innen machen sich die Studierenden, welche die Gruppe betreuen, daran, für alle das Passwort einzutippen und den Zugang zu den vorbereiteten Programmen zu ermöglichen. Während die ersten Kinder fachmännisch schon wild drauf los tippen und die Suchmaschinen starten, wirken andere (noch) nicht ganz so geübt am Bildschirm. Bis alle bereit sind, vergeht einige Zeit.
Nun dürfen die Teilnehmerinnen sich ans Werk machen und kreativ tätig werden. «Einen Namen animieren», so lautet ihre Aufgabe des Tages. Dazu folgen sie einem Kurs, der durch Videos und Tutorials den Umgang mit «Scratch», einer Programmiersprache, erklärt. Anschliessend können sie ihrer Fantasie freien Lauf lassen. Jeder einzelne Buchstabe kann so gestaltet werden, dass er sich bewegt, grösser oder kleiner wird, blinkt oder tanzt. Dabei arbeitet die Programmiersprache mit einzelnen Blöcken, die wie ein Puzzle zusammengesetzt werden können, um die Handlungsabfolgen zusammenzusetzen. Hochkonzentriert sind die Kinder bei der Arbeit, jede*r Lehrer*in hätte ihre helle Freude an der Arbeitsmoral der Schüler*innen.

Bis zur Berufswahl ist noch etwas Zeit

Auch Noé Black ist mit Interesse beim Game Design Workshop dabei. Sie ist eine der beiden Gewinner*innen der Verlosung. Der andere Gewinner ist unauffindbar: er hat sich spontan am Morgen entschieden, die Gruppe zu wechseln und ein anderes Programm zu besuchen. Damit entgeht er leider der journalistischen Begleitung.
Noé aber gibt bereitwillig Auskunft. Sie besucht die fünfte Klasse im Schulhaus Riedhof, kommt also in diesem Jahr erstmals in den Genuss des Zukunftstags. Die Teilnahme am Programm der ETH kam für sie einigermassen überraschend, wie sie erzählt: «Meine Mutter hat an diesem Wettbewerb für mich mitgemacht. Ich wusste gar nichts davon. Sie hat mir erst davon erzählt, als ich den Platz gewonnen hatte», freut sie sich. Ob sie sich von dem Angebot habe inspirieren lassen und nun beruflich auch diese Richtung gehen wolle? Das wisse sie noch nicht, gesteht Noé. «Nach meinen Traumberuf muss ich noch ein bisschen suchen», erklärt sie. Als Fünftklässlerin hat sie dafür ja auch noch ein wenig Zeit.

Mehr Frauen in technischen Berufen

Würde sie sich etwa für den Studiengang Informatik entscheiden, wäre sie jedenfalls in guter Gesellschaft: Er stellt den zweitgrössten Studiengang an der ETH dar, wie Kursleiter Andri Hunkeler dem «Höngger» erklärt. Allerdings seien hier, so Hunkeler, die Frauen immer noch stark unterrepräsentiert. Umso wichtiger, dass an solchen Anlässen wie dem Zukunftstag auch viele Mädchen die Gelegenheit erhalten, einen Einblick in den Beruf zu erhalten. Das ist auch eines der Anliegen von «GirlsCodeToo», ein Zusammenschluss von Studierenden, Professor*innen und Fachleuten aus der Industrie, der den heutigen Zukunftstag-Workshop gemeinsam mit dem Departement organisiert hat. Sie setzt sich dafür ein, die Kluft zwischen den Geschlechtern in Tech-Industrie und technischen Hochschulen zu schliessen.
Doch all dies ist für die Teilnehmenden noch Zukunftsmusik. Ihr Besuch an der Hochschule neigt sich schon bald dem Ende zu, die Zeit im Computerraum vergeht schnell. Schon bald heisst es wieder besammeln, ab zum Car und zurück auf den Hönggerberg. Hier wartet ein gemeinsames Mittagessen auf alle hungrigen Schüler*innen, bevor die Eltern ihren Nachwuchs wieder in Empfang nehmen können. Mit Sicherheit hat der an diesem Vormittag einiges mehr gelernt als an so manchem Schulmorgen.

0 Kommentare


Themen entdecken