«Sehen, was man mit blossem Auge nicht sieht»

In Höngg schauen gleich mehrere Menschen professionell in den Himmel: Andreas Faisst, der im März zum Doktor der Astrophysik ernannt wird, und Ursula Holtbecker, Vizepräsidentin der Astronomischen Gesellschaft Urania Zürich – sie beide sind in der Sternwarte Urania schon fast zu Hause.

Sternwarte Urania: Ursula Holtbecker und Andreas Faisst in der Volkssternwarte Urania mit dem 1907 erstellten Teleskop, welches zwölf Tonnen wiegt.

Es gibt kaum jemanden, der vom Himmel, den Sternen, dem Mond und der Sonne nicht fasziniert ist. Bei Andreas Faisst, 27, in Höngg aufgewachsen und noch immer hier lebend, äusserte sich dies darin, dass er schon mit sieben Jahren oft in der Urania-Sternwarte durch das riesige, zwölf Tonnen schwere Teleskop der Marke Carl Zeiss das Universum erkundete. Das grosse Gerät, welches laut Andreas Faisst zwölf Meter tief im Boden des rund 45 Meter hohen Urania-Turmes verankert ist, wurde 1907 im deutschen Jena entwickelt und ist ein sogenannter Refraktor, also ein Teleskop mit Zweilinsensystem. Es gibt auch Reflektor-Teleskope, welche statt Linsen Spiegel eingebaut haben. Im Jahr 2006 wurde das Gerät nach Jena gebracht und komplett renoviert.

«Faszinierend, was man mit einer 200-fachen Vergrösserung alles sehen kann»

«Zu meinem neunten Geburtstag schenkten mir meine Eltern für zuhause ein kleines Teleskop, aber natürlich ging ich weiterhin regelmässig in die Sternwarte, denn es ist doch einfach faszinierend, dass man durch die gut 200-fache Vergrösserung des Refraktors etwa die Wolkenbänder und die vier grössten Monde von Jupiter sehen kann», erzählt Andreas Faisst. Er habe sein astronomisches Interesse dann mit dem Physikunterricht verbunden, und bald war klar, dass er nach dem Gymnasium studieren würde – Physik mit der Spezialisierung auf Astronomie. «Dies, da es keinen Studiengang in Astrophysik gibt», so der Doktorand mit dem Titel «Master of Physics», der noch in seiner Studienzeit ab 2005 Demonstrationen, also Führungen, in der Sternwarte Uitikon-Waldegg durchführte.

Die Astronomie ohne Schwellenangst erkunden

«Seit 2009 bin ich in der Volkssternwarte Urania Demonstrator. Diese Tätigkeit gibt mir die Chance, schwierige Vorgänge einfach zu erklären – denn es ist ganz wichtig, dass keine Hemmschwelle besteht, die Sternwarte zu besuchen! Jeder, der mehr als von blossem Auge sehen möchte, sollte einmal vorbeikommen.» Er wolle bei den Führungsteilnehmenden das Feuer für die Astronomie entfachen: «Mein Ziel ist nicht, dass während einer Vorführung jemand umkippt und einschläft – wir wollen den Menschen zeigen, was es am Himmel alles zu sehen gibt, wenn man die Mittel dazu hat.» Früher hätten Astronomie und Astrologie noch zusammengehört, heute sei dies jedoch komplett getrennt: «Astrologie ist nicht wissenschaftlich anerkannt – dass aber etwa der Mond Auswirkungen auf Umwelt, Mensch und Tier hat, ist unbestritten, aber das ist dann ein anderes Thema als die Astronomie», so der Höngger, der im März für zwei Jahre nach Kalifornien auswandert, um dort weiterzuforschen.

Viele Jugendliche sind AGUZ-Mitglied

Das Anliegen, der Astronomie die Schwellenangst zu nehmen, hat auch Ursula Holtbecker, Vizepräsidentin der Astronomischen Gesellschaft Urania Zürich, kurz AGUZ, die ihren Sitz in Höngg hat: «Wir sind stolz darauf, dass wir unter den rund 700 Mitgliedern eine steigende Anzahl Jugendliche und sogar Kinder haben – Astronomie ist ein Thema, für das man sich in jedem Alter begeistern kann.» Wer Mitglied der AGUZ ist, kann nicht nur sechsmal pro Jahr kostenlos an Urania-Sternwarte-Führungen sowie an zwei Spezialführungen teilnehmen, sondern auch vier allgemeinverständliche Vorträge besuchen und an weiteren Aktionen teilnehmen. Für Jugendliche organisiert der Dachverband Schweizerische Astronomische Gesellschaft, kurz SAG, alljährlich ein Lager, in welchem vier Tage lang astronomische Beobachtungen, Spiel und Spass auf dem Programm stehen.

Wegen Wettbewerb auf Astronomie gestossen

«Wer gerne mit dem eigenen Teleskop unterwegs ist, kann sich der AGUZ-Beobachtergruppe anschliessen, welche sich regelmässig im Dorf Sternenberg trifft – dort ist der Himmel so dunkel, dass man viele Objekte beobachten kann», erzählt die studierte Mathematikerin Ursula Holtbecker. Sie selbst ist auf lustigen Wegen zur AGUZ gestossen: «Ich flanierte 1998 auf der Bahnhofstrasse, sah an der Uraniastrasse viele Leute, vor allem Kinder, es war der Tag der offenen Tür der Sternwarte. Ich fand es eine nette Abwechslung vom Flanieren und nahm sogar an einem Wettbewerb teil. Als ich ein paar Wochen später einen Brief erhielt mit dem Satz «Sie haben den 1. Preis gewonnen», so warf ich ihn gleich in den Papierkorb, denn man erhält ja immer wieder solche Massensendungen. Dann nahm es mich doch wunder, und ich kramte den Brief nochmals hervor – er war von der AGUZ, beziehungsweise ihrem Vorgänger, und ich hatte eine Mitgliedschaft auf Lebzeiten gewonnen! So besuchte ich, wenn ich Zeit hatte, einige Anlässe und wurde bald gebeten, in den Vorstand zu kommen – so wurde ich Vizepräsidentin mit vielfältigen Aufgaben und nicht zuletzt sehr vom Astronomie-Fieber gepackt: Die Entwicklung des Weltalls interessiert mich», erzählt die inzwischen pensionierte Informatikerin, die vor einigen Jahren nach Höngg gezogen ist.
Andreas Faisst, ebenfalls im AGUZ-Vorstand, erzählt zur Entwicklung, dass der Mensch eigentlich aus Sternenstaub bestehe, genauso wie das ganze Universum und alles Leben: Einfach gesagt explodieren Sterne nachdem sie ihren Wasserstoff, also ihren Treibstoff, aufgebraucht haben. Bei diesem Vorgang werden Abfallprodukte, die sogenannten schweren Elemente, in das All versprüht. Aus diesen Elementen – Sauerstoff, Kohlenstoff, Stickstoff, Calcium, Chlor, Phosphor, Kalium, Schwefel, Natrium, Magnesium und vielem mehr – entstanden schliesslich Planeten und auch das Leben. Und so kann man sagen, dass alles aus Sternenstaub ist.

In der vierten Klasse Vortrag über das Sonnensystem gehalten

Eines der jüngsten AGUZ-Mitglieder ist die zwölfjährige Sarah Mettler – sie recherchierte im Internet über das Universum, und in der vierten Klasse hielt sie ihren ersten Astronomie-Vortrag über das Sonnensystem. «Vor eineinhalb Jahren war ich das erste Mal in der Urania-Sternwarte, seit einem Jahr bin ich bei der AGUZ Mitglied, und auch das Jugendlager des Dachverbandes besuchte ich schon – ja, ich bin schon etwas ˂angefressen˃, das kann man sagen», so das sympathische Mädchen mit einem Lächeln. Sie ist sich sicher, dass sie einst beruflich etwas mit Astronomie zu tun haben wird.

Mehr über die AGUZ erfährt man unter www.aguz.ch, E-Mail aguz@gmx.ch sowie per Post: Astronomische Gesellschaft Urania Zürich, Postfach 105, 8049 Zürich. Neue Mitglieder sind jederzeit willkommen.
Öffentliche Führungen in der Urania-Sternwarte an der Uraniastrasse 9 finden jeden Donnerstag, Freitag und Samstag statt. Es gibt auch Kinderführungen für Kinder bis zu sechs Jahren. Weitere Informationen: www.urania-sternwarte.ch

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