Science City, vom Campus zum Stadtquartier

«Eine Vision in der Umsetzung – vom Campus zum Stadtquartier», lautete das Thema einer Führung durch den ETH-Campus Science City. Das Thema selbst erwies sich bereits als Teil der Umsetzung der Vision.

Hier wurde bereits gebaut – 200 Meter unter Grund.

Trotz oder vielleicht gerade wegen Zürifäscht, heissem Sommerwetter und Brasiliens letztem WM-Spiel versammelten sich 32 Personen am Freitag, 2. Juli, auf Einladung der reformierten Kirche zu einem Rundgang durch Science City. Die Gruppe war die erste, welche Olivia Reimann, Projektmanagerin Science City, im neu gestalteten Ausstellungsraum «Infospot Science City» der ETH Zürich begrüssen durfte. Aufgabe des Projektteams ist es, den Campus zu beleben und erlebbar zu machen. Erreicht wird dies mitunter über die beliebten Veranstaltungen der Reihe «Treffpunkt Science City» (siehe Kasten), über öffentliche Ausstellungen, den Mittwochsfilm, Konzerte oder, wie an diesem Abend auf der Piazza unüberhörbar: Public Viewing der WM. Und natürlich eben Führungen, die auf reges Interesse stossen. Die ETH Zürich, 1855 als «Polytechnikum» gegründet, ist heute Studien-, Forschungs- und Arbeitsort für über 20’000 Personen aus 80 Ländern. 21 Nobelpreisträger, die an der ETH Zürich studiert, gelehrt oder geforscht haben, unterstreichen den hervorragenden Ruf der Hochschule. 2009 überstieg die Zahl der Studierenden erstmals die 16’000er-Marke. Rund ein Drittel von ihnen stammt aus dem Ausland.

Niemand wollte «aufs Land»

Als der Standort Hönggerberg in den 1960ern eröffnet wurde, war es ein unbeliebter Studien- und Arbeitsort: Niemand wollte freiwillig aus den attraktiv gelegenen Gebäuden im Stadtzentrum «aufs Land» hinaus. Davon berichtete Anne-Lise Diserens, selbst diplomierte Architektin ETH und Organisatorin des Rundgangs für die reformierte Kirche, den Anwesenden aus eigener Erfahrung. Heute ist davon keine Rede mehr: Sechs der insgesamt 16 ETH-Departemente sind auf dem Hönggerberg beheimatet, unter der Woche halten sich täglich über 10’000 ETH-Angehörige und -Besucher hier auf. Als 2003 Professor Gerhard Schmitt die Idee des «lebendigen Stadtquartiers» Science City auf dem Hönggerberg lancierte, wurde bereits daran gedacht, dass für viele der Studierenden sinnvollerweise auch Wohnmöglichkeiten vor Ort realisiert werden sollten. 1’000 Wohneinheiten sind geplant,  finanziert werden sie durch die Stiftung Studentisches Wohnen und die ETH Zürich, 430 Einheiten sollen bis 2014 erstellt sein. Wer heute hier studiert oder arbeitet und künftig auch wohnt, geniesst die Nähe zur Natur, der auch innerhalb des ETH-Geländes eine grosse Bedeutung zukommt: Wer sich näher umschaut, entdeckt nebst dem Alpen-, Arzneipflanzen- oder Madagaskargarten zahlreiche Nischen und Flächen, für welche die ETH Hönggerberg zu Recht 2006 mit dem Naturpark-Label der Stiftung Natur und Wirtschaft ausgezeichnet wurde. Der Campus ist, anders als man dies von den USA kennt, weitgehend öffentlich zugänglich. Natürlich gilt dies nicht für Labors und Ähnliches. Auch die Sportanlage ist davon ausgenommen – ursprünglich war zwar eine mögliche Nutzung durch Vereine aus dem Quartier beabsichtigt, das Interesse der Studierenden selbst ist jedoch zu gross, als dass eine Fremdvermietung noch möglich wäre.

Vollendet, aber «unsichtbar»

Der Rundgang führte von der Piazza bei der Bushaltestelle ETH-Hönggerberg – wo die Wolfgang-Pauli-Strasse intern liebevoll «Bahnhofstrasse» genannt wird – durch das angenehm kühle «Fünf fingerdock», das 2004 fertig gestellte Audito riums-, Dienstleistungs- und Labor-Gebäude, wo die Eingänge zu den Labors dann doch mit eindrücklichen Warnschildern versehen sind. Am Ende des langen Trakts wieder draussen in der sommerlichen Hitze vor einem vermeintlichen Bauplatz stehend, erklärte Olivia Reimann, dass dies eben ein vollendeter Bau sei, bloss 200 Meter unter Grund, wo 120 Erdsonden vergraben liegen. Dort wird ab 2011 das dynamische Erdspeichersystem, ein Ringleitungssystem mit Speicherorten, die Abwärme des Sommerbetriebes speichern und im Winter wieder für die Gebäude der ETH nutzen. Dies ist nur eine der vielen Massnahmen, welche die ETH Zürich ergriffen hat, um ihr Ziel zu erreichen, bis 2020 den CO2-Ausstoss um 50 Prozent zu reduzieren. Vorbei an der architektonisch unauffällig in die Umgebung integrierten Sporthalle ging es dann zu einem sichtbaren Bauplatz, jenem des neuen Labor- und Forschungsgebäudes «Life Science Platform». Ab 2012 verhelfen hier 400 Mitarbeiter der medizinisch-biologischen Forschung auf 21’700 Quadratmetern der ETH zu einem weiteren Standortvorteil im internationalen Wettbewerb. Auch wird Platz sein für sogenannte «Spinoffs», Firmen also mit ETH-Beteiligung, welche vor Ort entwickelte Techniken auf den Markt bringen. Mit einem Kurzbesuch im Information-Science-Laboratory-Gebäude und, wer wollte, einem Abstecher in die «Alumni-Lounge» fand die informative Führung ihren Abschluss.   

 

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