Schwein gehabt

Im Hönggerwald zweigen enge Trampelpfade vom Spazierweg ab. Wer ihnen folgt hat bald ein Problem, weil das Weiterkommen nur noch gebückt unter den herabhängenden Ästen möglich wäre. Am besten kehrt man um, denn diese Pfade sind häufig Wechsel von Wildschweinen.

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Die feine Nase wittert alles Fressbare (Foto: Dr. Hans-Peter B. Stutz)

Wildschweine bilden Familienverbände, die aus einem Muttertier, seinen weiblichen Nachkommen und aus Jungtieren bestehen. Solche Rotten leben in einem Heimgebiet von mindestens 2,5 Quadratkilometer Grösse. Darin legen sie jede Nacht etwa fünf Kilometer zurück, gerne auf denselben Pfaden, sogenannten Wechseln. Vor allem die erfahrene Leitbache weiss, wo es Trinkstellen hat und wann es wo Eicheln und Buchennüsschen zu fressen gibt. Mit ihren Rüsselscheiben wühlen die Sauen den Boden auf, um an Wurzeln und Insektenlarven zu gelangen. Dabei hinterlassen sie auf weichem Boden ihre Trittsiegel mit den typischen Abdrücken von je zwei Haupthufen und Afterklauen. Bei diesen Zehenspitzengängern tragen also die acht Hauptzehen praktisch das ganze Körpergewicht von bis zu 150 Kilogramm (Keiler). Dank der kleinen Auflageflächen sind Geschwindigkeiten gegen 50 km/h möglich. Nur, hufbewehrte Füsse eignen sich leider kaum für die Fellpflege, und mit ihrem kurzen Hals erreichen Schweine nicht alle Körperstellen, um diese sauber zu lecken. Darum legen sie sich Schlammbäder an. In diesen suhlen sie ausgiebig und reiben sich anschliessend an umstehenden Baumstämmen. Solche Malbäume sind rundum mit Schlamm bepackt. So werden die Tiere ihre Hautparasiten los und die Schlammschicht schützt zudem vor stechenden Insekten und bietet Abkühlung im Sommer.

Intensives Reiben am Malbaum nach dem Schlammbad. (Foto: Dr. Hans-Peter B. Stutz)

Aber jetzt, im Januar, ist noch Paarungszeit und die sonst einzeln lebenden Keiler gesellen sich nun zu den Bachen. Die Weibchen jeder Rotte synchronisieren ihre Fortpflanzung und gebären ihre Jungen gleichzeitig. Dazu sucht sich dann im März jedes Weibchen einen Wurfkessel, am besten südexponiert, damit die Sonne die feuchteempfindlichen Jungen wärmt. Schon nach wenigen Tagen folgen durchschnittlich fünf und individuell gestreifte Frischlinge ihrer Mutter auf den nächtlichen Streifzügen. Wer mal muss, erledigt sein Geschäft nicht irgendwo, sondern nur in den dafür bestimmten Latrinen. Tagsüber schläft die Rotte in dichten Jungwuchsflächen, die oft von Brombeerenranken durchwachsen sind. Wildschweine haben also zweckgebunden eingerichtete Heimgebiete mit Wechseln, Schlammbad, Malbäumen, Wurf-, Schlaf-, Trink- und Fressstellen und mit separaten Kotplätzen. Deshalb haben diejenigen Hausschweine richtiggehend «Schwein gehabt», die bei uns im Freiland gehalten werden und denen diese Vielfalt an Einrichtungen zur Verfügung gestellt wird. Denn die Hausschweine haben in den rund 9000 Jahren, seit sie aus Wildschweinen domestiziert wurden, nicht vergessen, wer sie sind. Sie haben noch immer die gleichen Bedürfnisse und zeigen – so man ihnen dies eben mit artgerechter Haltung ermöglicht – die gleichen Verhaltensweisen wie Wildschweine und sind intelligente und saubere Tiere.

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