Quartierleben
Schulen in Höngg, Teil 8: Das Bläsi
Das Bläsi ist in der Erinnerung vieler älterer Höngger ein wichtiger biografischer Ankerpunkt, denn bis 1953 beherbergte es auch die Sekundarschule Höngg-Oberengstringen. Im achten Teil der Schulserie kommen der Schulleiter, die Leiterin des Betreuungsbereichs und eine ehemalige Schülerin zu Wort.
20. Mai 2015 — Redaktion Höngger
Das 1977 abgetragene Bläsi-Schulhaus B mit vier Klassenzimmern wurde 1883 eingeweiht. Es war – 240 Jahre nach der Eröffnung der Schule «Am Wettingertobel» − das zweite Schulhaus in Höngg und lag östlich des heutigen Schulgebäudes. Bereits 1893 waren die vier Zimmer voll belegt. Man begann mit der Planung eines weiteren Schulhauses. Nicht zuletzt aufgrund einer Intervention des Turnvereins, der energisch nach einer Halle rief, beschlossen die Höngger 1906 mit 185:1 Stimmen den Bau des Bläsischulhauses A mit neun Klassenzimmern, Nebenräumen und einer Turnhalle. 1907 konnte es bezogen werden. Die neue Turnhalle begrenzte das Schulareal gegen Osten.
Prägende «Container-Kultur»
Seither wurde der grosse Schulhausplatz mehrfach umgestaltet. Wo einst Bäume Schatten spendeten und Bänke zum Ausruhen luden, kann heute im Hallenbad geschwommen und in der Halle nebenan Sport betrieben werden. Doch bekanntlich wird das Bläsi-Schulhaus zurzeit umfassend erneuert. Unterrichtet wird deshalb in Containern, die ziemlich genau am Ort der 1907 gebauten, längst abgerissenen Turnhalle aufgestellt wurden.
Zum Gespräch wird der Berichterstatteter von Schulleiter David Zimmermann und von Carol Brogli, Leiterin Betreuung, in einem Zimmer der hinteren Schul-Container empfangen. David Zimmermann hat seine Stelle im August 2014 direkt im Provisorium angetreten. Carol Brogli ist seit dem 1. März 2013 im Bläsi tätig. Was das gesamte Schulteam − unabhängig von der Anstellungsdauer − verbindet: Allen steht diesen Herbst die Rückkehr ins renovierte Schulhaus bevor. Die anstehende, gemeinsam vorzubereitende Aufgabe, aber auch die räumliche Nähe, welche das Schulprovisorium erzwingt, schweisse das Team zusammen, berichten David Zimmermann und Carol Brogli. Natürlich sei es manchmal eng, laut und nicht einfach, den Alltag zu organisieren. Ein Vorteil liege aber darin, dass der Austausch unter den Lehr- und Betreuungskräften – neben den formellen Besprechungsgefässen das «Schmiermittel» guter Zusammenarbeit – direkter ist. Beide machen sich Gedanken, wie die positiven Aspekte der «Container-Kultur» ins erneuerte Bläsi-Schulhaus mitgenommen werden können.
Tauschhandel mit Esswaren
In den zwei Kindergärten und den sechs Primarschulklassen der Schule Bläsi werden 175 Schüler unterrichtet. 107 von ihnen besuchen an einem oder mehreren Tagen pro Woche den Hort, der in zwei Gruppen unterteilt ist. Die überschaubare Grösse unterstützt das Projekt «Lebensraum Schule», mit dem Unterricht und Betreuung zu einem «Gesamtpaket» zusammengefasst werden.
Der Besuch an einem Donnerstag um 11:30 Uhr im Bläsi-Hort illustriert dies. In vier Räumen ist für rund 70 Kinder und die entsprechenden Betreuungspersonen gedeckt und jeder Platz mit einem Namenstäfelchen versehen. Die Hortleiter- und Betreuungsassistentinnen haben das von «menuandmore» gelieferte Essen − Teigwaren, Rindsragout, warme Bohnen sowie verschiedene Salate − fertig zubereitet und angerichtet. Die Atmosphäre ist gelöst, die Teamfrauen wirken routiniert. Ab 11:55 Uhr strömen immer mehr Kinder in den Hort und setzen sich an ihren Platz. Teller mit rohem Gemüse als «amuse bouche» warten auf sie. Nach einigen Erläuterungen zum Tag wird tischweise das Essen geholt. Regel Nummer 1: Es muss von allem etwas genommen werden. Amüsiert beobachtet der Schreibende danach am Tisch einen kleinen Tauschhandel! Das Menu schmeckt, die Kinder essen entspannt, die Stimmung ist friedlich. Das sei natürlich nicht jeden Tag so, versichert Hortleiterin Sue Georgantas – die schon so lange im Bläsi arbeitet, dass sie mittlerweile «Hort-Grossmami» ist! Ab 13 Uhr gehen die Kinder zum Spielen nach draussen, es wird ruhig im Hort. Der Schulnachmittag kündigt sich an.
Erinnerungen einer alten Hönggerin
Ursula Kuhn, am 12. April 89 Jahre alt geworden und seit 62 Jahren an der Brunnwiesenstrasse zu Hause, wurde 1932 im Dorf Höngg eingeschult. Ihre «Schulkarriere» beendete sie neun Jahre später im städtischen Quartier Zürich-Höngg. Die beiden Kinder der mittlerweile dreifachen Urgrossmutter gingen in den 1960er-Jahren ebenfalls ins Bläsi zur Schule. Die Unterstufe besuchte Ursula Kuhn im Bläsi A, für die Mittelstufe wechselte sie ins Bläsi B und die Oberstufe absolvierte sie wieder im Bläsi A, wo die Schulzimmer der Sekundarschule im 2. und 3. Stock lagen. Sie wohnte damals mit ihren Eltern und einem älteren Bruder im Rütihof an der Hurdäckerstrasse. Ihr erster Lehrer, Heinrich Leemann, habe gemeint, sie sei etwas klein für die Schule, aber man wolle es versuchen − immerhin musste die Erstklässlerin den langen Schulweg an manchen Tagen bis zu viermal zu Fuss bewältigen können. Sie habe sich am Morgen jeweils kurz nach Sieben auf den Weg gemacht, damit sie die Schule rechtzeitig erreichte, erinnert sie sich. Ihre «Wanderung» führte der Riedhofstrasse entlang über weitgehend offenes Land. Begleitet wurde sie von zwei älteren «Gspänli». Eines davon war Fritz Meier, Vater von Fredi Meier, der heute im Rütihof den letzten Bauernhof betreibt. Ursula Kuhn ging gerne zur Schule: sie sei ein glückliches Kind gewesen und habe andere oft zum Lachen gebracht. Französisch war ihr Lieblingsfach in der Sekundarschule. Ihr Vater, Hans Schaub, betrieb in Höngg ein Fotoartikelgeschäft. Alte Klassenbilder und Schulhausfotos sind mit seinem Namen gezeichnet. Der zweite Weltkrieg ist tief im Gedächtnis von Ursula Kuhn verwurzelt. Auch weil im Rütihof die Familie Schaub unter den ersten war, die einen Radioapparat besassen. Sie erinnert sich, wie sie manchmal angstvoll in der Stube gesessen ist und Hitlers aggressive Reden mithörte. Einer ihrer Sekundarlehrer, Jakob Schnetzer, kommandierte während des Kriegs als Oberstleutnant ein Panzerbataillon und fehlte deshalb oft in der Schule. Die Schüler waren stolz auf ihren «Schnasi», erst recht als sie einmal einer Demonstration seiner Truppe in Höngg beiwohnen durften. Gefragt, was ihr an Unterschieden aufgefallen sei, als ihre Kinder rund 30 Jahre später zur Schule gingen, meint Ursula Kuhn, die Jungen hätten es schwieriger als sie gehabt, die Leistungsanforderungen seien in diesen Jahren deutlich gestiegen.
Quellen:
– Mitteilung Nr. 19 «Von der Bauernstube zur Gross-Schulhausanlage» von Reinhold Frei.
– Ortsgeschichte Höngg von Georg Sibler
Beide herausgegeben von der ortsgeschichtlichen Kommission des Verschönerungsvereins Höngg, erhältlich im Ortsmuseum Höngg, Vogtsrain 2.
Bisher erschienen
15.1.2015: Eine Reise durch vier Jahrhunderte
29.1.2015: Der Schulpräsident und die Schulpflege
5.2.2015: Lachenzelg und Imbisbühl: Die Oberstufe
26.2.2015: Vogtsrain mit Wettingertobel
12.3.2015: Das Schulhaus Rütihof
26.3.2015: Riedhof-Pünten
30.4.2015: Am Wasser
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