Quartierleben
Schulen in Höngg, Teil 5: Das Rütihof-Schulhaus
Das Schulhaus Rütihof wurde 1994 eröffnet und war eine Antwort auf die rasante Entwicklung der letzten 40 Jahre: Von rund 80 Personen in den 1970ern stieg die Einwohnerzahl des Rütihofs auf rund 4000 an – mit entsprechend vielen Kindern.
11. März 2015 — Redaktion Höngger
Bis in die 70er-Jahre des 20. Jahrhunderts umfasste der Kernweiler des Rütihofs gerade mal 14 Wohnhäuser, die Einwohnerzahl bewegte sich über lange Zeit um die 80 herum. Seither ist an Häusern und Menschen einiges dazu gekommen, der Quartierverein Höngg vermeldet auf seiner Website aktuell um die 4000 Einwohner. Das ruhige, naturnahe Quartier zog viele Familien mit Kindern an und so war es nur eine Frage der Zeit, bis sich aufgrund der wachsenden Kinderschar ein neues Schulhaus mit dem Einzugsgebiet Rütihof aufdrängte. Die Kinder aus dem Rütihof hatten zuvor stets lange Schulwege unter ihre Füsse nehmen müssen. Bis 1824 besuchten sie das Schulhaus am Wettingertobel, von 1824 bis 1928 das Schulhaus in Oberengstringen und danach, bis 1953, die Bläsi-Schulhäuser. Nur noch etwa halb so weit war der Weg für die jungen Rütihöfler ab 1953 ins Schulhaus Lachenzelg, ab 1963 ins Schulhaus Riedhof. Nach einem Architekturwettbewerb wurde das Schulhaus-Projekt Rütihof 1992 vom Zürcher Stimmvolk angenommen.
Mit der Eröffnung im Jahr 1994 verbinden den Schreibenden persönliche Erinnerungen, trat seine Tochter doch in diesem Jahr im Rütihof in die erste Klasse ein. Sie hatte das Glück, die Unterstufe bei einer engagierten und liebevollen Junglehrerin besuchen zu dürfen. Kein Wunder, nannten viele ihrer Klassenkameradinnen wie auch sie selber als ersten Berufswunsch Lehrerin. Ihr damaliges Vorbild unterrichtet im Übrigen heute noch an der Schule Rütihof.
Seit 21 Jahren eine Hönggerin in der Schulleitung
Die 48-jährige Esther Zoller ist in Höngg an der Ottenbergstrasse aufgewachsen. Die Primarschule besuchte sie im Bläsi- und im Vogtsrain-, die Sekundarschule im Waidhalde-Schulhaus. Nach der Ausbildung zur Primarlehrerin am Seminar Unterstrass unterrichtete sie vorerst im Riedhof. Für die neue Schule am Rande des Rütihofs suchte der damalige Schulpräsident, Alfred Bohren, ein Team, das aus im Schulkreis bewährten und neu angestellten Lehrkräften gebildet werden sollte. Die anspruchsvolle, aber auch kreative Aufgabe, den Betrieb einer neuen Schule zu planen und vom ersten Tag an mit zu gestalten, reizte Esther Zoller. Mit Kollegen wechselte sie 1994 vom Riedhof in den Rütihof.
21 Jahre später blickt sie mit Freude auf das Erreichte zurück. Bei der Eröffnung habe das Rütihof-Schulhaus mit seiner grosszügigen Aussenanlage − die Zeitungen schrieben 1995 von einem kleinen Stück Himmel und von einer Idylle – noch einer Baustelle geglichen. Erst ein Trakt war vollendet, der Platz knapp. Gerade dies habe die Bildung des neuen Schulteams beflügelt, denn man war aufeinander angewiesen, rückte zusammen und unterstützte sich gegenseitig. Für Esther Zoller ist dieser Pioniergeist bis heute lebendig geblieben und drückt sich in einem offenen, von Solidarität geprägten Teamklima aus. Das tägliche, gemeinsame Mittagspicknick im Lehrerzimmer sei eine wichtige «Station» im Tagesablauf. Seit dem Jahr 2002 wirkt sie zusammen mit Bettina Wyss als Schulleiterin, später stiess noch die dritte Ko-Schulleiterin, Agnes Weidmann, dazu. Das Trio teilt sich 120 Stellenprozente und trägt je die Verantwortung für Kindergarten, Unter- und Mittelstufe. Esther Zoller und Agnes Weidmann sind beide auch an der Pädagogischen Hochschule Zürich angestellt, wo sie Didaktik/Methodik unterrichten und als Mentorinnen für Junglehrerinnen wirken. Die Schule Rütihof ist Kooperationsschule der Pädagogischen Hochschule: Seit 2012 «üben» zukünftige Lehrkräfte im Rütihof und werden dabei von erfahrenen Lehrpersonen angeleitet.
Etablierte Schüler-Vollversammlungen
Zurzeit wird die Schule Rütihof von rund 350 Schülern besucht. Das Angebot umfasst zwölf Primarschulklassen, je zwei pro Jahrgang, vier Kindergärten und vier Horte. Der Schreibende begegnete der gesamten Schüler- und Lehrerschaft am 4. März anlässlich einer Schüler-Vollversammlung, die viermal pro Jahr in einer Turnhalle durchgeführt wird. Die «SVV» will das Gemeinschaftsgefühl fördern und stärken. Das Rütihof-eigene Schulorchester begleitet Lieder einzelner Klassen, die alle mitsingen dürfen, eine junge Geigensolistin spielt einen Czardas, eine Klasse zitiert Schulregeln, die das Motto «Ich bin wichtig für die Gemeinschaft, die Gemeinschaft ist wichtig für mich» unterstützen, eine 6. Klasse trägt vor, was sie als «Bläserklasse» der Musikschule Zürich gelernt hat. Die Freude an den Darbietungen ist spürbar. Das Ganze läuft ruhig und gelassen ab. Nach dreiviertel Stunden ist die SVV zu Ende, es folgt ein disziplinierter «Rückzug» ins Klassenzimmer. Im Kopf des Berichterstatters spielte ein 20 Jahre alter Film. Mit Rührung sah er seine kleine Tochter bei ähnlichen Schulveranstaltungen im gleichen Raum vor sich und staunte, wie kurz die Zeit erscheinen kann, die hinter uns liegt.
Soziales Umfeld belastet den Unterricht
Gefragt, was sich seit 1994 im Umfeld der Schule am stärksten verändert habe, nennt Esther Zoller den Zuzug von Familien in den Rütihof, die sozial belastet sind. Weil beide Elternteile arbeiten, damit das Familieneinkommen ausreicht, fehlen mancherorts Energie und Interesse für die Unterstützung der Kinder in der Freizeit oder in schulischen Belangen. Die Klassen seien schwerer führbar geworden. Auch die Rütihof-Schule setzt auf PFADE, das Programm zur Förderung alternativer Denkstrategien. Die Rütihof-Insel, in der Schüler zur Entlastung des Schulalltags eine Auszeit nehmen können, ist anders konzipiert als jene im kürzlich vorgestellten Schulhaus Vogtsrain: Aus dem Stellenplan der Schule wurden ausreichend Prozente für die Anstellung einer Lehrerin «extrahiert», die jederzeit in der Lage ist, Schüler für eine Stunde, einen halben oder einen ganzen Tag aufzunehmen. Die Insel-Lehrerin ist zudem für Aufgabenhilfe und die Begabtenförderung zuständig.
ETH-Studie zu Physik-Unterricht
An der Schule Rütihof haben musische Fächer einen hohen Stellenwert. Auf das bereits erwähnte, von einem Musik-Profi geleitete Schul-Orchester ist Esther Zoller besonders stolz. Mit einigem Schalk fragt sie, wieso es eigentlich einen obligatorischen Sporttag, hingegen keinen obligatorischen Musiktag gebe. Seit vier Jahren beteiligt sich die Schule aber auch an einer ETH-Studie, mit der geprüft werden soll, wie sich altersangemessener Physik-Unterricht ab Unterstufe langfristig auf Motivation und Kompetenz der Schüler in den naturwissenschaftlichen Fächern auswirkt. Es ist unverkennbar: Die Schule Rütihof will am Puls der Zeit bleiben.
Quellen:
– «Ortsgeschichte Höngg» von Georg Sibler
– «Der Rütihof bei Höngg» von Georg Sibler, beide herausgegeben von der Ortsgeschichtlichen Kommission des Verschönerungsvereins Höngg, erhältlich im Ortsmuseum Höngg, Vogtsrain 2.
– «1934–2009: Vom Dorf Höngg zum Quartier Zürich-Höngg», von François und Yves Baer, herausgegeben vom Quartierverein Höngg
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