Ringen um Stadtzürcher Schiessplätze

Um die Schiessplätze auf Stadtgebiet wird derzeit gerungen. Die Stadt kündigte Anfang Jahr an, zwei der vier bestehenden Anlagen schliessen zu wollen. Die Proteste folgten umgehend. Nun arbeitet der Stadtrat an einer neuen «Schiessplatzstrategie». Das Ergebnis ist ungewiss – und hat Einfluss auf den Schiessplatz Hönggerberg.

Der Schiessplatz Hasenrain vergangenen Samstag: Thomas Osbahr, Michel Baumgartner und Mathias Wandinger (v.l.n.r) setzten sich mit allen Kräften für ihren Schiessstand ein. (Foto: Fredy Haffner)
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Ursprünglich existierten in Zürich sechs grosse Schiessanlagen, doch seit jene in der Rehalp 1995 wegen lärmtechnischen Problemen und jene in Fluntern 2000 wegen dem Bau der Masoala-Halle geschlossen wurden, konzentrieren sich die Vereins- und Bundesübungen der 300-Meter-Schützen auf die verbliebenen vier Anlagen. Jene im Albisgüetli und der Schiessplatz Hönggerberg sind in privatem Besitz, die Probstei in Schwamendingen und der Hasenrain in Albisrieden gehören der Stadt. Doch Anfang dieses Jahres wurde bekannt, dass Stadtrat Richard Wolff, Vorsteher des Sicherheitsdepartements, beabsichtige, diese beiden letzten städtischen Schiessanlagen aus verschiedenen Gründen bis 2020 zu schliessen. Danach genüge das Albisgüetli links und Höngg rechts der Limmat. Die Proteste folgten umgehend. Zuerst aus Albisrieden. Am 7. Februar teilte das Komitee «Schliessung Hasenrain NEIN» mit, dass auf Initiative von Thomas Osbahr, Präsident der Schützengesellschaft Züri 9, die den Hasenrain betreibt, innert knapp drei Wochen 1600 Unterschriften für die Petition gesammelt worden seien, welche den Verzicht auf die Schliessung des Hasenrains forderte. Die Petition wurde tags darauf Stadtrat Wolff übergeben, einige Hundert Unterschriften wurden später sogar noch nachgereicht, bis heute kamen total 2500 zusammen. Am selben Tag reichten die SP-Gemeinderäte Pascal Lamprecht, Marcel Savarioud und acht Mitunterzeichnende eine schriftliche Anfrage ein, um mehr über die Gründe des stadträtlichen Vorhabens zu erfahren. Sie fragten nach Mitgliederzahlen der Schiessvereine, Schusszahlen, Auslastungen der Anlagen, Unterhalts- und Sanierungskosten und Lärmemissionen. Sie wollten wissen, ob der Stadtrat nicht auch befürchte, dass sich nach einer Schliessung der Hälfte der Anlagen der Lärm in Höngg und im Albisgüetli verdoppeln würde und sie fragten sogar, für was die Öffentlichkeit geschlossene Anlagen später nutzen könnte.

Umfangreiche Antwort des Stadtrates

Einleitend wies der Stadtrat in seiner Antwort vom 10. Mai darauf hin, dass die Gesamtschusszahlen der Vereinsübungen auf allen Zürcher Anlagen von 1999 bis 2015 um mehr als ein Drittel und bei den Bundesübungen um mehr als die Hälfte abgenommen hätten. Und dass, solange das Militärorganisationsgesetz die Gemeinden verpflichtet, den Armeeangehörigen das Schiessen zu ermöglichen, der Stadtrat mindestens eine Anlage rechts und links der Limmat vorsehe. Auch wolle er den Sportschützen ermöglichen, ihren Sport auf Stadtgebiet auszuüben. Doch bis 2020 müssen Kugelfänge auch ausserhalb der Grundwasserschutzzone saniert sein. Darüber hinaus müssten alle vier Anlagen lärmtechnisch saniert werden (unterdessen zeigt ein neues Gutachten jedoch, dass der Hasenrain die Vorschriften erfüllt). Es soll eine effiziente Nutzung angestrebt werden, schreibt die Stadt, und, dass «aufgrund der Abnahme der Mitglieder, Schusszahlen, Bundesübungen und auch aufgrund der immer höher anfallenden Kosten wie Sanierungen (Kugelfänge, Lärm, Gebäude usw.)» es nicht zweckmässig sei, zugunsten der städtischen Schiessanlagen weitere Investitionen zu tätigen. Deshalb sollen die 300-Meter-Schiessanlagen Probstei und Hasenrain maximal noch bis 2020 in Betrieb bleiben, die privaten Anlagen Höngg und Albisgüetli sollen weiterhin finanziell unterstützt werden.

Um welche Kosten geht es?

Der Schiessplatz Hönggerberg bekommt von der Stadt jährlich 36’252 Franken Unterhaltsbeiträge, das Albisgüetli deren 92’574. Der Unterhalt der Anlage Probstei kostet die Stadt rund 24’000 und diesem beim Hasenrain rund 12’800 Franken pro Jahr. Wohl kein Grund, um die beiden Anlagen zu schliessen – wäre da nicht der Investitionsbedarf. Bei der Probstei rechnet die Stadt mit mindestens 690’000 Franken: 300’000 für den künstlichen Kugelfang und 390’000 für den Ersatz der elektronischen Trefferanzeige aus dem Jahr 1991. Marcel Meier, Präsident des Schiessplatzverbandes Probstei, widerspricht diesen Zahlen: «Die stammen aus einem veralteten Gutachten. Wir haben schon lange aufgezeigt, dass 400’000 genügen würden, wenn wir auf 16 Scheiben reduzieren. Von diesem Betrag müsste die Stadt selbst nur rund 250’000 übernehmen und das könnte man zeitlich auch noch staffeln: Den Kugelfang jetzt sanieren und die Trefferanlage später, denn die funktioniert derzeit noch, bloss sind die Ersatzteile etwas schwer zu beschaffen». Der Schiessplatzverband Probstei habe die politischen Dimensionen bislang etwas unterschätzt, so Meier gegenüber dem «Höngger», man werde nun aber auch eine Petition lancieren und Gemeinderäte einschalten, um mit einer Anfrage an den Stadtrat zu gelangen.
Was das Thema Lärmsanierung der 300-Meter-Anlage in der Probstei angeht, schrieb der Stadtrat in seiner Antwort, dass man mangels aktuellem Gutachten nicht wisse, ob eine solche nötig wäre – einzig für die Kurzdistanz wisse man, dass «die Lärmwerte jährlich überschritten werden» – allein dafür rechne man mit «Lärmsanierungskosten in unbestimmter Höhe».
Im Hasenrain müsste der künstliche Kugelfang ebenfalls bis 2020 erstellt sein, rund 150’000 Franken wären nötig. Hingegen ist eine lärmtechnische Sanierung des Hasenrains nicht nötig: Ein kürzlich der Stadt eingereichtes Lärmgutachten zeigt, so sagen die Verantwortlichen der Schützengesellschaft Züri 9 gegenüber dem «Höngger», dass der Hasenrain als einzige Anlage auf Stadtgebiet alle Lärmvorschriften erfülle. Vom Albisgüetli, im Besitz der privatrechtlichen Schützengesellschaft der Stadt Zürich, weiss man, dass die lärmtechnische Sanierung, die gemacht werden soll, 350’000 Franken kostet – zusätzlich zu der auch dort notwendigen Sanierung des Kugelfangs für 570’000 Franken. Wie sich die Stadt an diesen Kosten beteiligen würde, ist offen. «Für Höngg», so der Stadtrat, «sind die Kosten der lärmtechnischen Sanierung noch nicht erhoben», (mehr dazu im nächsten «Höngger»). Dafür wurden bereits Anfang 2009 neue Kugelfänge montiert. Das Erdreich des Zielhangs wurde hingegen nicht saniert.

Folgen für Albisgüetli und Höngg

In der Anfrage war die Befürchtung geäussert worden, dass sich nach der Schliessung der beiden städtischen Anlagen «der Lärm der verbleibenden zwei Schiessanlagen verdoppeln» würde. Gefragt wurde, ob der Stadtrat diese Einschätzung teile, welche Lärmschutzmassnahmen man in Betracht ziehe und wie man die Entwicklung der Schusszahlen einschätze.
Der Stadtrat gibt in seiner Antwort zu, dass sich der Lärm im Albisgüetli und in Höngg erhöhen würde, geht aber nicht von einer Verdoppelung aus, sondern nur von einer «teilweisen Verlagerung», da «kaum alle Schiessveranstaltungen der Anlagen Hasenrain und Probstei nur auf eine der beiden anderen Schiessanlagen verlegt würden». Und, so ist zu lesen, es gäbe heute «im Bereich der Schiessanlagen in der Stadt Zürich nur sehr wenige Lärmklagen». Grundsätzlich wird aber darauf verwiesen, dass die Lärmvorschriften auf den einzelnen Schiessanlagen ohnehin weiterhin eingehalten werden müssten. Festgelegt werden diese durch Bundesrecht, für den Vollzug zuständig sind die Kantone. Damit diese Werte eingehalten werden, sind die Schiessvereine beispielsweise angehalten, ihre Schiessveranstaltungen auf möglichst wenige Schiesshalbtage zu konzentrieren – «zu einer Ausdehnung der Schiesszeiten sollte es nicht kommen», so der Stadtrat, der von einem geringen Einfluss auf die Lärmemissionen ausgeht. Und er verweist auch auf eine andere Entwicklung: «Die Mitglieder der Schützenvereine und die Schusszahlen», so heisst es, «haben auf allen Schiessplätzen der Stadt Zürich in den letzten Jahren stetig abgenommen. Es ist deshalb auch bei einer Schliessung der beiden Anlagen langfristig auf den verbleibenden Anlagen mit sinkenden Schusszahlen zu rechnen» (siehe Grafiken). Diese Entwicklung hatte Auswirkungen auf die Schiessplätze: So wird zum Beispiel seit zehn Jahren im Albisgüetli, 1962 neu mit 120 Scheiben für die 300-Meter-Distanz eingeweiht, das Obergeschoss nicht mehr für den Schiessbetrieb, sondern von der Stadtjugendmusik Zürich als Übungsraum genutzt. Was die letzten drei bis vier Jahre angeht, widersprechen jedoch verschiedene Vereine der Einschätzung des Stadtrates: Gemäss ihnen sind die Mitgliederzahlen, gerade bei den Jungschützen, in den letzten Jahren wieder im Steigen begriffen.

Aktuellste Entwicklung Hasenrain

Nach künftigen Nutzungsmöglichkeiten gefragt, antwortete die Stadt den Gemeinderäten, dass bis jetzt keine Änderungen der Bau- und Zonenordnung geplant seien, der Stadtrat sich aber vorstellen könne, dass «die beiden Areale Hasenrain und Probstei künftig als Sportanlagen für verschiedene Sportarten genutzt werden». Noch ist nichts entschieden und die eingereichte Petition «Schliessung Schiessplatz Hasenrain NEIN!» bei der Stadt in Bearbeitung. Und die Stadt muss ja auch noch das Übernahmeangebot des Schützenvereins Züri 9 für den Hasenrain prüfen: Bereits im Februar hatten die Albisrieder Schützen der Stadt ein solches unterbreitet, inklusive einem Nutzungskonzept und einem Vorschlag, wie der Verein künftig für die Kosten von Sanierung, Unterhalt und Betrieb selbst aufkommen könnte. Unter all diesen Umständen ist die Stadt daran, die Situation neu zu beurteilen. Sie arbeitet an einer entsprechenden «Schiessplatzstrategie» – wann diese fertig sein soll, ist nicht in Erfahrung zu bringen. Das Ringen um die Zukunft der städtischen Schiessanlagen geht derweil weiter: Am 1. November reichten Pascal Lamprecht (SP), Markus Baumann (GLP) und zwei Mitunterzeichnende ein Postulat ein, das den Stadtrat auffordert zu prüfen, wie der Schiessstand Hasenrain aufgehoben werden könnte und gleichzeitig sicherzustellen, dass die Hasenrain-Wiese für die Bevölkerung frei bleibt und die städtische Anlage nicht verkauft wird. Was den Hasenrain betrifft, dürfte es die Stadt Zürich schwer haben, in Anbetracht der erfüllten Lärmvorschriften und der angebotenen Übernahme der Anlage und ihrer Kosten durch die Schützen eine Schliessung durchzusetzen. Es sei denn, sie fällt einen politischen Entscheid mit der klaren Aussage, dass man die Schiessplätze eigentlich aus dem Stadtgebiete verbannen möchte – wäre da nicht das Militärorganisationsgesetz, das die Gemeinden in die Pflicht nimmt.

Quellen:
Text und Zahlen der Statistiken: Auszug aus dem Protokoll des Stadtrats von Zürich, GR Nr. 2017/29, vom 10. Mai 2017

Im nächsten «Höngger»:
Wie hat sich der Schiessbetrieb auf dem Hönggerberg in den letzten Jahrzehnten entwickelt?
Was wäre maximal an Schiesstagen und -zeiten erlaubt?
Wie wird Schiesslärm gemessen?

 

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