Psychische Erkrankungen im Alter

Was ist, wenn das Altwerden zu depressiven Verstimmungen führt? Wie lassen sich diese erkennen, behandeln und therapieren – oder noch besser: verhindern? Ein Gespräch mit dem ehemaligen Hausarzt und Psychotherapeuten Peter Christen.

Dr. Peter Christen hat als ehemaliger Hausarzt und Psychotherapeut Erfahrung in der Behandlung von Depressionen.

Alt zu werden ist nicht einfach. Der Lebensabschnitt nach der Pensionierung stellt viele Menschen vor besondere Herausforderungen – psychischer, sozialer und medizinischer Art. Die Bewältigung der auftretenden Probleme fällt nicht immer leicht und führt bisweilen zu psychischen Erkrankungen. Peter Christen, Mitgründer der Gemeinschaftspraxis am Meierhofplatz, Hausarzt im Teilruhestand und systemischer Psychotherapeut, hat sich für ein Gespräch mit dem «Höngger» zu diesem Thema Zeit genommen.

Herr Christen, wie steht es um die psychische Gesundheit älterer Menschen?

Rund 24 Prozent der über 65-Jährigen leiden im Alter an einer psychischen Erkrankung. Über die Hälfte davon machen Depressionen aus. Sie sind damit die am weitesten verbreitete psychische Krankheit. Daneben ist es im Alter vor allem auch die Demenz oder die Angst vor Demenz, die sehr vielen Menschen grosse Sorgen bereitet. Bei der Diagnose ist es hier sehr wichtig, die beiden Krankheitsbilder zu unterscheiden: die Symptome einer Depression wie Trägheit oder Vergesslichkeit können mit einer Demenz verwechselt werden, Depressionen sind jedoch im Gegensatz zur Demenz besser behandelbar. Gleichzeitig können die beiden Krankheiten aber auch in vielen Fällen gemeinsam auftreten und sich überschneiden: so können bei einer beginnenden Demenz die Patient*innen oftmals mit Deprimiertheit reagieren, diese wiederum verstärkt die Symptome der Demenz.

Was sind die Hauptgründe für Depressionen im höheren Lebensalter?

Es gibt eine Vielzahl von Faktoren, die eine Depression auslösen können. Der Abschied vom Erwerbsleben, der Verlust von Lebenspartnern und / oder Freund*innen, körperliche Gebrechen, soziale Isolation, das sind alles Gründe, die eine derartige Erkrankung auslösen können.

Mit welchen Symptomen äussert sich die Altersdepression und wie wird sie diagnostiziert?

Die Depression äussert sich in verschiedenen Symptomen. Dazu gehören etwa: mangelnder Antrieb, den Alltag zu bewältigen, Rückzug vom sozialen Umfeld, Schlafprobleme, Appetitlosigkeit, Konzentrationsprobleme, und andere. Häufig suchen Patient*innen mit solchen Symptomen von selbst ihre Hausärzt*innen auf oder die behandelnden Ärzt*innen erfragen die Symptome im Behandlungsgespräch und versuchen zu eruieren, ob gegebenenfalls eine Depression vorliegt. Sie sind geschult und darauf sensibilisiert, das Krankheitsbild zu erkennen und aufgrund der oft langjährigen Beziehungen zu ihren Patient*innen in der Lage, Veränderungen im Verhalten wahrzunehmen. Auch die Behandlung erfolgt in vielen Fällen durch die Hausärzte, nur eine Minderheit nimmt als erstes eine Psychotherapie in Anspruch.

Was bedeutet das, wie sieht eine hausärztliche Behandlung der Altersdepression aus?

Man kann sagen, die Behandlung von Depressionen beinhaltet drei sich ergänzende therapeutische Standbeine: das sind Gespräche, Milieutherapie und medikamentöse Therapien. Im ersten Schritt sind natürlich Gespräche der wichtigste Bestandteil der Behandlung, wobei da nicht nur der Dialog mit den Patient*innen selbst gesucht wird, sondern zusätzlich mit dessen sozialem Umfeld, also den Familienangehörigen, Freunden und Bekannten. Die Behandlung von Depressionen schliesst immer den Partner und die Familie mit ein, weil das Umfeld einerseits natürlich unter der Situation leidet, andererseits aber eben auch ein wichtiger Teil der Lösung sein kann. Bei der «Milieutherapie» geht es darum, den Betroffenen Angebote zu machen, die ihre Beschwerden lindern können. So werden Möglichkeiten aufgezeigt, wo die älteren Menschen Kontakte knüpfen können oder es wird versucht, Aktivitäten zu vermitteln, beispielsweise in einem der vielen verschiedenen Vereine Hönggs. Alternativ werden zudem Besuchsdienste organisiert – durch Freiwillige oder durch professionelle Organisationen wie die Spitex. Aber selbst schon technische Hilfsmittel wie ein Rollator, neue Sehhilfen oder die Überweisung an einen Augenarzt verhelfen zu neuer Mobilität und können Isolation und damit verbundene Depressivität vermindern. Als letzte Massnahme bleibt schlussendlich die medikamentöse Therapie – wenn möglich durch pflanzliche Arzneimittel oder wenn nötig durch klassische Antidepressiva. Wenn die Hausärzte Unterstützung brauchen, verweisen sie ihre Patient*innen an Fachleute wie Psychotherapeut*innen und Psychiater*innen, die mit den Leiden der älteren Menschen gut vertraut sind.

Sind ältere Menschen eher depressiv als jüngere? Und würden Sie sagen, dass die psychischen Erkrankungen im Alter in den letzten Jahrzehnten zugenommen haben?

Generell ist die Depression eine häufige Erkrankung, selbst in jüngeren Jahren. Ich würde nicht sagen, dass sie bei älteren Menschen häufiger vorkommt. Und auch eine allgemeine Zunahme an psychischen Erkrankungen im Alter lässt sich nicht wirklich feststellen. Wir sind heute mehr sensibilisiert, Depressionen zu erkennen und zu behandeln. In früheren Jahrzehnten gab es oft ebenfalls ältere Menschen, die sehr zurückgezogen lebten oder kaum aufstehen wollten. In den früheren Grossfamilien waren sie aber besser integriert. Was allerdings sicher zugenommen hat, ist die Zahl der älteren Menschen, die alleine und sozial isoliert leben.

Schön wäre es ja, wenn es gar nicht erst soweit kommt, dass jemand depressiv wird. Wie lassen sich diese psychischen Verstimmungen verhindern, was kann man für seine oder ihre psychische Gesundheit selbst tun?

Also, ganz wichtig ist es, wie schon angedeutet, auch im Alter soziale Kontakte aufrechtzuerhalten und zu pflegen, der Isolation vorzubeugen. Eines der wirksamsten Antidepressiva überhaupt ist zudem die Sonne, die UV-Strahlung wird hochgradig stimmungsaufhellend. Bewegung an der frischen Luft und Sonne sind daher äusserst wirksame Therapieinstrumente. Und: tanzen! Tanzen im Alter, das haben viele Studien ergeben, regt in jeder Hinsicht an und stellt in Bezug auf psychische Erkrankungen sowohl Therapie als auch Prävention dar.

Diese Fokusreihe zum Thema «Alter» entsteht mit freundlicher Unterstützung der Luise Beerli Stiftung. Die Stiftung unterstützt vorwiegend in der Stadt Zürich domizilierte Institutionen, die sich für betagte oder behinderte Menschen einsetzen. Sie hat keinen Einfluss auf Inhalt und Form der Artikel genommen.

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